„Jungfernflug mit Hindernissen - die Enterprise erforscht die große Leinwand"
Die TV-Serie „Star Trek" war ein waschechter Sleeper-Hit. Bei ihrer Erstausstrahlung 1966 wollte kaum jemand die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise und ihrer multikulturellen Besatzung sehen. Immerhin - vor allem angesichts eines sehr ungünstigen Sendeplatzes am späten Freitag Abend - reichte es für eine dreijährige Ausstrahlung und 79 Folgen. 1969 war dann aber endgültig Schluss und praktisch niemand ahnte, zu welch popkulturellem Phänomen sich „Star Trek" entwickeln würde.
Ob es die universellen Themen mit ihren häufig aktuellen, gesellschaftspolitischen Anspielungen waren, oder die dialoglastige, figurenbetonte Inszenierung die nebenbei so ikonographische Helden wie den Draufgänger Captain Kirk, den Logiker Mr. Spock, oder den ewigen Nörgler Dr. McCoy hervor brachte, „Raumschiff Enterprise" mauserte sich im Laufe der Zeit und dank häufiger TV-Wiederholungen zum globalen Kultphänomen, das in puncto Langlebigkeit und Bekanntheitsgrad bestenfalls noch von „James Bond" und „Star Wars" übertroffen wird.
Dennoch dauerte es eine ganze Weile bis Paramount merkte, welchen Goldesel man im Stall stehen hatte. 10 Jahre nach Einstellung der Serie, unzählige „Star Trek"-Conventions und beispiellose Merchandising-Einnahmen später, war es dann endlich soweit: „Star Trek" sollte auf der großen Leinwand durchstarten. Und dafür war das Beste gerade gut genug. So engagierte man für die Regie den Genre-erfahrenen Robert Wise („Der Tag, an dem die Erde still stand" 1951, Andromeda" 1971) und für die Filmmusik den bereits damals zur hollywoodschen Komponistenelite zählenden Jerry Goldsmith. Sämtliche Darsteller der Kern-Crew waren an Bord, wenn auch der widerspenstige Leonard Nimoy (Mr. Spock) erst mit einem fürstlichen Gehaltscheck motiviert werden musste.
Dass das ursprünglich angedachte Budget von moderaten 15 Millionen Dollar letztlich auf fast das dreifache anschwoll, hatte allerdings andere Gründe. Angesichts der spektakulären Erfolge der Trickspektakel „Star Wars" und „Unheimliche Begegnung der dritten Art" (beide 1977) sollten die Effekte den Pappmache-Look der TV-Serie vergessen machen und mit den Vorbildern gleich ziehen. Leider brachte die Trickfirma Robert Abel & Associates in mehreren Wochen nicht eine brauchbare Sequenz zustande, so dass ein neues Team (1) praktisch wieder bei null beginnen musste, was entsprechend teuer wurde. Dazu kam, dass „Star Trek"-Erfinder Gene Roddenberry „sein" Raumschiff mit aller Macht zum Star des Films machen wollte. Das führte dann nicht nur dazu, dass man die Enterprise permanent durchs All düsen sah, sondern auch zu der beinahe schon grotesk in die Länge gezogenen Dock-Sequenz, in der Kirk und Scotty das runderneuerte Schiff mit einer Fähre umkreisen und dabei jeden Winkel aus jeder nur erdenklichen Perspektive ehrfürchtig begutachten. Fairerweise muss man sagen, dass die Tricksequenzen phänomenal aussahen und Maßstäbe setzten. Vor allem der Flug durch eine mysteriöse Energiewolke kann auch noch im heutigen CGI-Zeitalter beeindrucken. (2)
Das Problem war nur, dass man bei all dem Fokus auf die Spezialeffekte offenbar vergessen hatte, ein vernünftiges Drehbuch zu verfassen. Denn in der ebenfalls epischen Laufzeit von 132 Minuten passiert so gut wie nichts, jedenfalls nichts von Relevanz, Substanz, oder gar Spannung generierender Dramatik. Die Handlung, sofern es je eine gegeben hatte, scheint von der gefräßigen Energiewolke gleich mit verschluckt worden zu sein. William Shatner brachte es in seiner Autobiographie auf seine unnachahmliche Art auf den Punkt: „Es passierte nichts, und der Film brauchte etwa zwei Stunden dafür, nichts zu erzählen." (3) Zweifellos hätte der Auftrag, eine auf die Erde zutreibende Energiewolke aufzuhalten, auch problemlos in einer 40-minütigen TV-Folge abgehandelt werden können. Hinzu kommt, dass Auflösung - die unbekannte Lebensform V´Ger entpuppt sich als die NASA-Sonde „Voyager", die von außerirdischen Maschinenwesen umfunktioniert wurde und nun auf der Suche nach ihrem Schöpfer unterwegs ist - und vor allem der Weg dahin wenig spannend inszeniert sind. Bis zum Kontakt der Enterprise mit der Wolke plätschert der Film fast 90 Minuten gemächlich vor sich hin.
Auch dafür hat Shatner eine schlüssige Erklärung parat: „Robert Wise war ein fantastischer Regisseur - aber nicht in diesem Film. Er war kein Fan der Serie, daher hatte er nie ihre Anziehungskraft verstanden." (4) Eine Analyse, die durchaus ihre Berechtigung hat. Auffallend ist definitiv, dass Wise mit den zentralen Figuren so gar nichts anzufangen weiß. Von der frotzelnden, humorvollen, aber auch sich aus tiefen gegenseitigen Sympathien speisenden Chemie zwischen dem Quartett Kirk, Spock, McCoy und Scott ist so gut wie gar nichts zu spüren. Als der inzwischen zum Admiral aufgestiegene Kirk nach jahrelanger Abwesenheit wieder der Kern seiner alten Crew trifft, wird das in wenigen Sätzen abgehandelt und das Gefühl vermittelt, er sei lediglich übers Wochenende mal weg gefahren. An Bord der Enterprise herrscht eine auffallend ernste Atmosphäre, die in krassem Gegensatz zum oft flapsigen und mit allerlei Wortgefechten durchsetzen Ton der TV-Serie steht (da der bevorstehende Auftrag aber nicht über Trek-Stangenware hinaus kommt, fällt diese Diskrepanz umso stärker auf). Dass Wise vorher noch nie eine Star Trek-Folge gesehen hatte und damit die spezifischen Erfolgsmechanismen nicht kannte, wird besonders im Finale deutlich. Nachdem der Auftrag erledigt und die Gefahr überstanden ist, wartet man vergeblich auf den obligatorischen Kalauer - meist von Kirk oder McCoy - der die Spannung löst und den Fokus wieder auf die zwischenmenschlichen Beziehungen legt. Statt dessen werden ein paar nichtssagende Floskeln ausgetauscht und man geht wieder zur Tagesordnung über. (5) Da passt es dann gut ins Bild, dass Wise die beliebten Besatzungsmitglieder aus der zweiten Reihe (Commander Sulu, Commander Uhura und Lieutenant Chekov) zu bloßer Staffage degradiert und ihnen nicht mehr als ein paar Worthülsen gönnt.
Die einzig gut geschriebene und auch (halbwegs) interessant inszenierte Figurenkonstellation ist die Rivalität zwischen Admiral/Captain Kirk und den durch seine Rückkehr ausgebooteten Captain/Commander Decker (Stephen Collins). So ist Decker natürlich wenig erbaut, in letzter Sekunde sein Kommando an den eigentlich aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Kirk zu verlieren, zumal die generalüberholte und umgebaute Enterprise faktisch ein neues Schiff ist, das mit dem alten nur wenig gemein hat. Kirk wiederum sieht seine Autorität bedroht und trifft eigenmächtig Entscheidungen ohne Decker zu konsultieren. Das führt zu Fehlern, die mitunter die gesamte Mannschaft gefährden. Aber gerade als der Machtkampf auf dem Siedepunkt scheint und man gespannt wartet, wie sich der „Held" Kirk aus diesem Dilemma befreit, lässt Wise die bis dato geschickt aufgebaute Spannung links liegen und nimmt Decker aus dem Spiel. Denn V´Ger hat ausgerechnet Deckers frühere Geliebte - die Deltanerin Lieutenant Ilia - in eine Maschine umfunktioniert, die fortan mit der Enterprise kommuniziert. Decker ist daraufhin nur noch als Übermittler gefragt und scheint seine Machtansprüche völlig vergessen zu haben. So sehr diese Wendung endlich ein wenig Spannung in die Grundhandlung bringt, so sehr nimmt sie jegliche Brisanz aus der Decker-Kirk-Konstellation, die völlig fallen gelassen wird. Eine insgesamt dramaturgisch eher unglückliche Entscheidung.
Das Skript schwach, die Inszenierung hinsichtlich Figuren und Dramaturgie nicht minder, das Budget überzogen und die Effekte aus Zeitmangel mit heißer Nadel getrickst, der Flop schien unausweichlich. Und dennoch wurde „Star Trek: The Motion Picture" ein Kassenschlager, der in den USA hinsichtlich Ticketverkäufe erst (und nur) vom elften Film - dem 2009er Reboot „Star Trek" - geschlagen werden konnte. Trotz auch seinerzeit schon sehr mäßiger Kritiken rannte das Publikum in die Lichtspielhäuser, ein untrüglicher Beweis für die enorme Popularität der „Marke", die in den 10 Jahren nach Einstellung der Serie eine ebenso fanatische wie vielköpfige Anhängerschaft hervor gebracht hatte. Da reichte wohl schon die Begeisterung, das geliebte Raumschiff endlich über die große Leinwand fliegen zu sehen und gut sah sie ja nun wirklich aus, die gute alte Enterprise. Wenn man ehrlich ist, so gut wie nie zuvor. Begleitet und gepusht von Jerry Goldsmiths majestätischem Score wird Roddenberrys Wunsch - „Der Star ist das Schiff" - geradezu gehuldigt. Ob gleiten durch den Raum, oder rasen mit Warp-Geschwindigkeit, ob Außenansicht, oder Sequenzen im Inneren, alles wird in schwelgerischen, pompösen Bildern ausgekostet.
Der Film bekommt so einen elegischen Anstrich, der ein wenig an Kubricks „2001" erinnert. Das sieht zwar toll aus, passt aber nicht zu Star Trek. Zumal die Parallelen zum Kubrick-Klassiker nicht auf die Optik beschränkt bleiben. Denn auch die verquaste und nicht sonderlich fokussierte Handlung, das auffallende Desinteresse an den Figuren sowie der beinahe völlige Verzicht auf Actionelemente sind Gemeinsamkeiten, die im „Star Trek"-Kontext so gar nicht funktionieren. Dass man dies trotz des finanziellen Erfolgs auch bei Paramount so sah, zeigt der in jeder Hinsicht anders angelegte zweite Kinofilm. Letztlich zählen aber zuvorderst die „Treckies", von denen vielen „Star Trek II - Der Zorn des Khan" bis heute als erklärter Favorit der Filmserie gilt. Eine Ehre, die dem Erstling wohl nicht mehr zu Teil werden wird - und das nicht zu Unrecht.
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(1) Paramount verpflichtete keine Geringeren als Douglas Trumbull und Richard Yuricich, die für die bahnbrechenden Effekte das Kubrick-Klassikers „2001" verantwortlich waren.
(2) Dennoch war Regisseur Wise mit den unter enormen Termindruck gefertigten Effekten nicht zufrieden. Der 2002 erschienene Dirctor´s Cut behob dieses „Manko" und beinhaltete neue digitale Effekte bzw. einige Verbesserungen.
(3) Shatner, William (mit David Fisher), Durch das Universum bis hierher, Berlin 2009, S. 229.
(4) Shatner, Universum, S. 230.
(5) Shatner und Nimoy, die laut Shatner den ungeliebten Film retten wollten, hatten sich für die Schlussszene sogar ein paar witzige Textzeilen einfallen lassen, die Wise ablehnte: „"Ich bin der Meinung, dass der Humor an dieser Stelle unpassend ist." Das aber (so Shatner in seinem wenig schmeichelhaften Fazit) war das Problem des Drehbuchs. Es war einfach zu ernst, es war fast schon auf absurde Weise ernst." (Shatner, Universum, S. 231)