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  „Angriffsziel Atomkrieg "

Das Science Fiction-Kino hatte schon immer mehr als bloße Effekt-Spektakel zu bieten. Häufig generierte es sich als Seismograph gesellschaftlicher wie politischer Spannungen, thematisierte wirtschaftliche Krisen oder griff menschliche Urängste auf.  Das gilt keineswegs nur für den mit Star Wars (1977) losgetretenen - und mit Unterbrechungen bis heute anhaltenden - SF-Boom, sondern insbesondere auch für die erste Hochphase des Genres in den 1950er Jahren. Stehen bei aktuelleren Produktionen häufig drohende Umweltkatastrophen oder die Angst vor einer nicht mehr kontrollierbaren Technisierung im Fokus, waren es in den 50er Jahren Themen wie ein möglicher Atomkrieg sowie die in erster Linie US-amerikanische Kommunismus-Paranoia, welche zahlreiche SF-Filme mehr oder weniger deutlich verarbeiteten. So gab es reihenweise Endzeitphantasien und Invasionsszenarien - häufig im Verbund mit der ebenfalls omnipräsenten UFO-Hysterie - auf der Leinwand zu bestaunen. Klassiker wie Das Ding aus einer anderen Welt (1951) und Kampf der Welten (1953), aber auch das Propaganda-Machwerk Invasion USA (1952) wären hier zu nennen. Ebenfalls 1951 entstand ein Film, der auf den ersten Blick ein weiteres Paradebeispiel des eben beschriebenen Themenkreises zu sein scheint: Der Tag, an dem die Erde stillstand.

Das bereits in der Anfangsviertelstunde umrissene Bedrohungs-Szenario klingt vertraut: Ein Untertassenähnliches Flugobjekt landet unvermittelt in der Nähe des Weißen Hauses in Washington D.C. Sogleich marschiert die Armee auf. Obwohl sich der  Außerirdische „Klaatu" äußerlich nicht von den Menschen unterscheidet und zudem seine friedlichen Absichten beteuert, verliert ein Soldat die Nerven und schießt ihn nieder. Dass der ebenfalls dem Raumschiff entstiegene riesenhafte Roboter „Gort" sämtliche Waffen mit Hilfe von Laserstrahlen regelrecht verschwinden lässt ohne irgendjemand zu verletzten, entschärft die Situation nur unwesentlich. Im Krankenhaus überrascht Klaatu durch einen rasanten Heilungsprozess sowie den Wunsch sämtlichen Würdenträgern der Erde eine Botschaft zukommen zu lassen. Bei Nichterfüllung drohe dem Planeten eine Katastrophe von nie da gewesenem Ausmaß ...

Was Der Tag, an dem die Erde stillstand von seinen zeitgleich entstandenen Genrekollegen unterscheidet und letztlich positiv abhebt, ist seine damals völlig unkonventionelle Friedensbotschaft. Anders als von den Menschen (und den Kinozuschauern) zunächst vermutet, ist es Klaatu durchaus Ernst mit seinem pazifistischen Anliegen. Das vehemente Plädoyer für Frieden, Toleranz und (Völker-)Verständigung ragt wie ein Fremdkörper aus der vom Kalten Krieg beeinflussten SF-Welle der 50er Jahre. Regisseur Robert Wise (er inszenierte u.a. auch Star Trek - Der Film) geht dabei äußerst subtil vor. Geschickt spielt er zunächst mit den Erwartungshaltungen und Einstellungen seines Publikums.

So stößt Klaatu auf eine schier unüberwindbare Mauer von Misstrauen, Paranoia und ideologisch geprägten Vorurteilen. Nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus mietet er sich unter dem Namen „Carpenter" in einer Washingtoner Pension ein. Am Frühstückstisch dreht sich natürlich alles um den entflohenen Außerirdischen, in dem eine Frau sogleich einen verdeckt operierenden sowjetischen Agenten vermutet. Diese Szene ist nicht die einzige ironische Anspielung auf die Umtriebe während der McCarthy-Ära. Noch deutlicher wird die damals hochbrisante Thematik durch die Figur des Tom Stevens transportiert. Wenn der eifersüchtige Versicherungsangestellte - Klaatu hat sich mit seiner Verlobten Helen Benson und deren halbwüchsigen Sohn angefreundet - den „zwielichtigen" Fremdling gegen Ende des Films bei den Sicherheitskräften denunziert, ist der Bezug zur Hexenjagd des berüchtigten US-Senators überdeutlich.

Im Zentrum steht allerdings klar die Auseinandersetzung mit den Gefahren und Auswirkungen eines möglichen Atomkrieges. Die Menschen sollten auf das Zerstörungspotential der Atombombe verzichten, wollen sie sich nicht über kurz oder lang selbst auslöschen. Dieser humanistischen Botschaft Klaatus wird allerdings mit einem apokalyptischen Ultimatum Nachdruck verliehen. Sollte die Forderung zum Besten der Menschen nicht erfüllt werden, würde der gesamte Planet vernichtet werden. Schließlich funktioniere dieser Mechanismus auch auf Klaatus wesentlich weiter entwickelndem Heimatplaneten. Dort sichern Roboter wie Gort den Frieden, da die Bewohner aus Angst vor deren Zerstörungspotential zu einem friedlichen Miteinander gefunden haben. Kriege gibt es längst keine mehr. Da ihm auf der Erde keiner zuhören will, demonstriert Klaatu seine Macht indem er die Erde für eine halbe Stunde lahm legt. Sämtliche elektrisch betriebenen Maschinen und Gerätschaften funktionieren nicht mehr. Die Erde steht praktisch still. Die Folge ist allerdings nicht Einsicht, sondern vielmehr Panik und gewaltsame Gegenoffensive.

Der Tag, an dem die Erde stillstand
zeichnet eine trotz der zentralen Friedensbotschaft recht düstere Zukunftsvision. Sowohl die Pattsituation des Kalten Krieges wie auch die menschliche Natur erfährt eine eher pessimistische Kommentierung. Der Film ist somit nicht nur Friedensplädoyer, sondern durchaus auch moralische Anklage. Neben dem Mangel an völkerübergreifender Verständigung wird vor allem die eskalationsfördernde Vorgehensweise des Militärs angeprangert. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die US-Armee nach Durchsicht des Drehbuchs eine Mitarbeit rundheraus ablehnte. Die Anti-Atomkriegs-Message stieß hier natürlich auf besonders wenig Gegenliebe. Die im Film verwendeten  Jeeps und Panzer bekam man schließlich von der Nationalgarde, die offenbar weniger „Berührungsängste" zeigte.

Bei Themen wie friedliche Koexistenz und Völkerverständigung ist der Weg zu christlichen Lehren und Grundsätzen nicht mehr weit. Hinzu kommt, dass Klaatu bereits damals von vielen als Christusfigur gesehen wurde. Tatsächlich sind die Parallelen verblüffend: Der Außerirdische ist geheimnisvoll, schlank, asketisch und von einer unerschütterlichen Ruhe. Als menschlichen „Decknamen" wählt er Mr. Carpenter (Tischler). Obwohl er nur Gutes im Sinn hat, wird er von fast allen Seiten angefeindet. Er wurde auf die Erde gesandt, um Frieden zu predigen, erntet aber vornehmlich Misstrauen und Ablehnung. Am Ende wird er gar verraten und niedergeschossen. Allerdings gelingt es Gort seinen Schützling ins Leben zurück zu rufen, so dass er doch noch seinen moralischen Appell an die wichtigsten Vertreter der Menschheit richten kann. Dann entschwindet er wieder in den Weiten des Weltraums.
Die religiösen Implikationen sind augenfällig. Sendung, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt kulminieren sämtlich in der Figur Klaatus. Interessanterweise stritt Regisseur Wise das bewusste Wecken biblischer Reminiszenzen stets ab. Die Symbolik sei im Nachhinein einfach hineininterpretiert worden. Sehr glaubwürdig klingt das allerdings nicht. Zu deutlich sind die Hinweise auf Eckpfeiler des christlichen Glaubens sowie Lebensweg und Persönlichkeit Jesu Christi. Denkt man an das stark religiös gefärbte Ethos der Nachkriegszeit - das sich filmisch insbesondere in Monumentalfilmen wie Quo Vadis (1951), Das Gewand (1953) oder Ben Hur (1959) manifestierte - machen die biblischen Untertöne erst recht Sinn.

Für die Rolle des Klaatu waren zunächst Stars wie Claude Rains oder Spencer Tracy vorgesehen. Da Rains verhindert war, entschied sich Wise für den bis dato völlig unbekannten Bühnenschauspieler Michael Rennie. Im Nachhinein einer der größten Glücksgriffe des Films, da sehr viel von der Glaubwürdigkeit des Hauptdarstellers abhängt. Es war ein entscheidender Vorteil, dass Rennies Gesicht noch nicht „leinwandverseucht" war und er somit dem Außerirdischen erheblich leichter mit einer fremdartigen und mysteriösen Aura versehen konnte, als dies einem bekannten Star möglich gewesen wäre. Man kann sich als Zuschauer ganz auf den Charakter konzentrieren, den Rennie sehr würdevoll und ernst interpretiert.
Neben dem intensiven aber zurückhaltenden Spiel Rennies ist es vor allem der bewusst realistische und unaufgeregte Inszenierungsstil, der dem Film trotz seiner phantastischen SF-Elemente Tiefe und Glaubwürdigkeit verleiht. Abgesehen von den Raumschiffszenen wirken die Bilder auffallend schlicht und simpel. Es gibt weder ungewöhnliche Kameraperspektiven noch irgendwelche anderen visuellen Tricks. Nichts lenkt von der geradlinig und stringent erzählten Geschichte ab. Die Bedrohung wirkt damit beunruhigend real und verleiht auch der Antikriegs-Botschaft die nötige Ernsthaftigkeit.

Der Tag, an dem die Erde stillstand
hat auch nach über 50 Jahren nichts von seiner Faszination und Suggestivkraft verloren. Die Anti-Atomkriegs-Botschaft war im wahrsten Wortsinne zukunftsweisend und ist auch heute noch durchaus aktuell. Einen solchen Film mitten im Kalten Krieg - in einem politisch aufgeheizten Klima geprägt von Wettrüsten und ideologischen Hetzjagden - zu produzieren, war in den 1950er Jahren ein durchaus unkalkulierbares Risiko. Folglich ragt der Film auch einsam und verlassen aus einer Flut kriegsbejahender Endzeit- und Invasionsszenarien. Am Ende sollte sich der (gewagte) humanistische Ansatz als Volltreffer erweisen. Von Publikum wie Kritikern gleichermaßen gefeiert, avancierte der Film zum Genreklassiker und bescherte dem SF-Kino seine erste Boomphase.

(9/10 Punkten)

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