Zurück in die Zukunft - „Faszinierend!"
„Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr ... . Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise .... ."
Es gibt in der TV- bzw. Kinogeschichte wohl nur noch einen Prolog, der ähnlich ikonenhafte Züge angenommen hat wie die einleitenden Worte von Star Trek. Auch er stammt aus dem SF-Genre. Bei den blau leuchtenden Zeilen „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis" dürfte ebenfalls die halbe Erdbevölkerung wissen, was die Sternstunde geschlagen hat. Ob Star Trek oder Star Wars, beide "Marken" stehen inzwischen für einen regelrechten Kosmos ureigener Welten, Mythen, Zitate und Figurenkonstellationen. Der heute viel zu schnell und inflationär gebrauchte Begriff „Kult", hier hat er ausnahmsweise einmal seine volle Berechtigung.
Wie sehr diese bedingungslose Verehrung allerdings auch zum Boomerang werden kann, hat Star Wars-Schöpfer George Lucas bei der Prequel-Trilogie seiner SF-Saga erfahren müssen. Mit den heftigen Diskussionen und stürmischen Protesten in diversen Internetforen und auf zahllosen Conventions könnte man das Innenleben eines Supersternzerstörers tapezieren. Dabei gelten die Star Wars-Jünger im Vergleich zu den ungleich fanatischeren „Trekkies" als geradezu gemäßigt. So gesehen kann man J.J. Abrams Vorhaben ausgerechnet der heiligen Star Trek-Urfernsehserie neues Kinoleben einzuhauchen, nur als Himmelfahrtskommando bezeichnen. Dass sich der Schöpfer der TV-Renner Alias und Lost als bekennender Nicht-Fan outete und zudem auch noch seine Vorliebe für die Lucasche Konkurrenz-Franchise verkündete, kam dem Flug durch ein Asteriodenfeld gleich. Gleichzeitig erwartete das produzierende Studio Paramount endlich wieder einmal einen Blockbuster im Star Trek-Universum, nachdem sowohl der letzte TV-Ableger (Enterprise) wie auch die vorangegangenen Kinofilme sang- und klanglos ins schwarze Loch der Erfolglosigkeit trudelten.
Vor diesem Hintergrund sollte man Abrams schleunigst mit dem Tapferkeitsorden der Sterneflotte dekorieren. Selten hat es in der an diversen Prequels überreichen jüngsten Filmgeschichte eine gelungenere und erfrischendere Neuinterpretation liebgewonnener TV- oder Kinomythen gegeben. Star Trek meistert den schwierigen Spagat zwischen Hommage und Modernisierung auf verblüffend spielerische Art. Die neudefinierten Lebensläufe der ikonenhaften Stamm-Crew der Enterprise-Besatzung weisen eine perfekt austarierte Mischung aus Anspielungen, Reminiszenzen und pfiffigen Veränderungen auf.
Besonders augenfällig ist dies bei den beiden Hauptcharakteren James Tiberius Kirk und der Franchise-Ikone Mr. Spock. Vor allem Zachary Qintos Darstellung des spitzohrigen Halbvulkaniers gibt der angestaubten Serie die längst überfällige Adrenalinspritze. Das durchaus enorme Wagnis die Figur zwischen Logik und Emotion hin und her pendeln zu lassen, verschafft dem Film eine Reihe dramatischer und spannender Momente, die weder in der TV-Serie noch in den folgenden Kinofilmen so möglich gewesen wären. Neben Spock ist auch der jugendliche Kirk ideal gecastet. Ähnlich Qinto im Bezug auf Leonard Nimoy, hat offensichtlich auch Chris Pine ganz genau Körpersprache und Manierismen William Shatners studiert und perfekt mit der Unbekümmertheit und dem Draufgängertum eines jugendlichen Rebellen kombiniert. Pine verbindet Dean, Brando und Shatner zu einer runderneuerten Kirk-Figur, die sinnbildhaft für das gelungene Reboot-Konzept steht. Entscheidend dabei: Wie bei den Vorbildern stimmt auch bei der Neubesetzung die Chemie zwischen den beiden Protagonisten. Damals wie heute das ausschlaggebende Moment für Erfolg oder Misserfolg.
Auch bei der übrigen Ur-Besatzung hat man sich viel Mühe gegeben. Carl Urban ist perfekt als mürrischer Schiffsarzt Dr. „Pille" McCoy und wirkt tatsächlich wie die jugendliche Ausgabe DeForest Kelleys. Genau wie die Piloten Mr. Sulu (John Cho), Mr. Chekov (Anton Yelchin) sowie Kommunikations- und Linguistikspezialistin Nyota Uhura (Zoe Saldana) und Cefingenieur Montgomery „Scotty" Scott (Simon Pegg) bekommt McCoy seine eigene spritzig-witzige Einführung. Obwohl einige Figuren eine teilweise kräftige Runderneuerung verpasst bekommen, sind sie durch typische Eigenschaften ihrer Vorbilder sofort identifizierbar und wirken dadurch vertraut.
Die eigentliche Geschichte rückt bei dem Schwerpunkt auf Figurenzeichnung und Beziehungsgeflechte etwas in den Hintergrund. Auch dies allerdings ein Markenzeichen der TV-Serie aus den 1960er Jahren. Die Bedrohung der Föderation durch Abtrünnige - in diesem Fall die Romulaner - ist ein beliebtes Motiv der Franchise. Die Story hat hier vor allem die Funktion die Charaktere zusammenzuführen und ihre sanft modernisierten Eigenschaften plausibel zu erklären. Beides gelingt zwar, lässt den Film aber stellenweise etwas überkonstruiert und holprig wirken. Hier ist bei einer möglichen Fortsetzung durchaus noch Spielraum nach oben, zumal man auch den für Star Trek elementaren moralischen und gesellschaftskritischen Ansatz weitestgehend außen vor gelassen hat.
Insgesamt macht der Film aber ungemein Spaß. Das liegt neben den toll gecasteten Darstellern, der erfrischenden charakterlichen Neujustierung der Ur-Besatzung und dem spritzig-witzigem Grundton vor allem auch an den zahlreichen liebevollen Details. Obwohl natürlich alles modern und tricktechnisch auf der Höhe der Zeit ist, hat man sich sowohl bei der Kleidung der Star Fleet-Besatzungen wie auch bei der Innenausstattung der Raumschiffe eindeutig am Vorbild orientiert. Die neudesignten Uniformen erinnern nach wie vor an knallbunte Niki-Pullover und auch die Brücke der Enterprise sowie die schnittigen Phaserwaffen oder die „Beam-Station" lassen den Geist der Fernsehserie wieder aufleben. Mission geglückt, Mr. Abrams. Den gefährlichen Spagat zwischen restaurativen Elementen und revolutionären Ideen beeindruckend gemeistert. Der Warp-Antrieb des neuen Star Trek-Flagschiffs funktioniert jedenfalls tadellos. Der Weltraum und seine unendlichen Weiten können kommen.
(8 Punkte)