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Kann ein Film gut gehen, der im Intro darauf verweist, daß er sich für die nicht gehörten Stimmen Behinderter aussprechen will, deren Vergewaltiger oft nicht bestraft würden? Das ist ganz dünnes Eis, auf das sich Billy Tang wagt, dessen zynische Art den Freunden des Cat III Films zuvor schon in DR. LAMB und RUN AND KILL aufgefallen ist. Nun, mit RED TO KILL geht er noch reduzierter vor, entspricht somit den gewöhnlichen Maßstäben dieser Abseite im Hongkong-Kino, die aufgrund geringerer Einspielmöglichkeiten ganz natürlich mit einem geringeren Budget auskommen muß und sich so oft auf plakative Sexploitation deutlich mehr stützt als ausufernde Action- oder effektlastige Schockmomente.

Dennoch fällt RED TO KILL mit seinen bläulich ausgeleuchteten Motiven auch in das Subgenre des Hongkong-Noir, zeigt uns eine Vorurteilsgeprägte Collage aus einer Vergewaltigung und eines wohlwollend mit Fritz Langs BLINDE WUT vergleichbaren, aufgebrachten Mobs, der die Ursache für diese Fälle in der unmittelbaren Nachbarschaft zu einem Behindertenheim sieht. Nebenbei bemerkt, ich versuche hier einerseits gewollt politisch korrekte Umschreibungen zu umschiffen, in dem ich nicht von Menschen mit irgendwelchen Besonderheiten spreche. Wenn ich aber "behindert" sage, dann denke ich dabei, daß diese Menschen von der Normwelt behindert werden, in dem man sie nicht zugänglich für ihre Bedürfnisse macht. Und oftmals geschieht dies gar nicht mutwillig, denn, wer jeden Tag eine Treppe emporsprintet, wird kaum daran denken, welche Hürde diese z.B. für einen Rollstuhlfahrer darstellt.

Exploitationtypisch soll also diese Exposition nun den Zuschauer zunächst über einige ruppige Szenen ansaugen, ein selbstzweckhafter Fenstersturz lässt mich dabei grübeln, ob Tang sich da bei sich selber Inspiration geholt hat, denn soweit ich mich erinnere, zelebrierte er das doch schon in RUN AND KILL einmal. Vielleicht kann man es als konstant auffassen.
Jedenfalls lernen wir darüber eine Sozialarbeiterin (Money Lo) kennen, die nun eine unserer Hauptfiguren, die eigentlich nur geistig etwas in ihrer eigenen Welt verweilende Ming (Lily Chung) über den Tod deren Vaters informieren muß. Mangels anderer Möglichkeiten wird die nun in das Heim für geistig behinderte überführt.

Billy Tang geht dabei schon höchstgradig manipulativ vor, indem er uns diese doch relativ normale, vor allem etwas naiv und unbeholfene Figur ans Herz legt, welche so gern tanzt. Wer soll so einer hübschen, jungen Frau schon wünschen, in dieses Heim zu müssen, wo junge Erwachsene Leben, die nicht nur mit deutlich markanteren Eigenheiten vorgestellt werden, sondern die auch niedere Arbeiten verrichten müssen und sollten sie mal ausflippen in eine enge Box gepfercht quasi am Pranger stehen, bis sie sich wieder beruhigt haben.
Dennoch findet Ming in dieser Atmosphäre herzlichen Zugang zu den Bewohnern, was sie als unschuldige Figur natürlich noch mehr strahlen lässt.

Weniger überraschend sollte also sein, daß Ming zum zentralen Vergewaltigungsopfer von RED TO KILL wird. Vermutlich verschmelzen da vorherige Ideen zu einer neuen, denn abgesehen von einer deliriösen Dame in DR. LAMB hat uns z.B. in 3 DAYS OF A BLIND GIRL bereits ein Sadist schockiert, in dem er eine auf ihre Art hilflose Person folterte und vor allem scheint RED TO KILL eine Evolutionsstufe von RAPED BY AN ANGEL zu sein, wo Frauen eine Vergewaltigung sühnen, die vor Gericht nicht ernst genug genommen wurde. Auch dort, zumindest in der Taiwan-Fassung, wird übrigens schon ein geistig behinderter Jüngling in die Handlungen einbezogen.

Auch wenn ein Flashback - es ist fast schon nebenbei bemerkenswert, daß dieser Hongkong-Thriller im Wesentlichen sonst linear erzählt wird, denn Trend war es, auch durch Billy Tangs DR. LAMB inspiriert, zu dieser Zeit durchaus, sich rückblickend an die Geschichten zu wagen - den Psycho schon deutsam entlarvt, ist es doch eine überraschendere Wandlung als den auf solche Figuren abonnierten Anthony Wong bei seinem Werk zu beobachten. RED TO KILL wartet mit einem Psycho auf, der unter der Fassade des unscheinbar wirkenden Mannes aus der Mitte steckt und der so mit seiner fallenden Maske schauspielerisch glänzen kann. Das ist schon ein echter Maniac, von einer trockenen Muskelmasse, die an einen durch Testosteron und Trenbolon befeuerten Trieb glauben lässt, der sich da entpuppt, als er über Ming herfällt und seine ritualisierten Handlungen an ihr ausübt.

STOP! Sick wird es deshalb, weil Billy Tang quasi dokumentarisch drauf hält. Vergleichbar ist es vielleicht mit dem Gefühl bei der Vergewaltigungsszene aus IRREVERSIBLE. Es tut weh. Man hat genug Information. Aber es hört nicht auf. Der Psycho wirft dazu noch mit den so typischen Schuldabweisungen um sich. Sie hätte es provoziert. Hätte sie nicht das rote Kleid getragen... (RED TO KILL, verstanden?). Dieses Verhalten erinnert, ähnlich einer angedeuteten Ursache in der Kindheit, dabei durchaus dem der Täterr aus DR. LAMB oder LOVE TO KILL.
Wir müssen ertragen, wie das Geschehene noch weiter an Ming nagt, wie sie versucht die Schande abzuwaschen und gar mit einem Rasiermesser abzuschaben. So wenig Empathie müsste ein Mensch erstmal haben, um da nicht mitzuleiden. Eher würde ich verstehen, wenn die Gemüter so zart sind, daß man besser die Finger von solcher Kost lässt.

Wie zuvor durch den Vergleich mit RAPED BY AN ANGEL angedeutet, muß Ming sich den Erlebnissen noch auf unangenehmste Weise vor Gericht stellen. Kaum zu Wort kommend wird ihr die Schuld entgegen geschrien, so daß ihr Peiniger am Ende freien Fußes den Saal verlässt und, noch schlimmer, ihr später wieder begegnen wird. Meine Haltung dabei ist durchaus ambivalent. Ich würde gern glauben, daß Billy Tang mit RED TO KILL ein ernsthaftes, frauen- und behindertenrechtliches Interesse vorschwebt, mit der er uns die erniedrigenden Gefühle des Opfers verdeutlichen will. Jetzt hat er es sich mit der Figurenzeichnung nicht nur sehr leicht gemacht, einen Bezug zu ermöglichen, er nutzt diese Umstände eben auch als Legitimation für eine blutige Rache, die man oberflächlich vielleicht eher als Selbstverteidigung denn Selbstjustiz erkennen möchte.

Natürlich fungieren diese Verstümmelungen als gefällige Katharsis und angesichts der vorherigen Greueltaten ist es leicht, so einer Spekulation auf den Weißleim zu gehen. Billy Tang konfrontiert uns in seinem RED TO KILL durchaus mit einem sozial-ethischen Dilemma, indem er uns emotional ausrichtet, bevor er uns mit einigen blutigen Szenen eine Gerechtigkeit vorgaukelt, die in einem demokratischen, rechtsstaatlichen Gefüge keinen Bestand haben dürfte. So sehr das Eis knirscht, auf dem er da steppt, subversiv vorgehend hat er jedoch den Rechtsapperat eben auch ausgehebelt, um den Zuschauer, gebeutelt von den starken Bildern, hinterfragen zu lassen, inwiefern das Rechtssystem solchen Umständen gerecht wird. Ein sensibler, wenn nicht vor dem Hintergrund der 1994 im Wanken befindlichen Enklave Hongkong brandgefährlicher Zündstoff.

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