Vielleicht im Windschatten des größeren und ebenfalls mit Anthony Wong als Psychopath und Danny Lee als Cop besetzten THE UNTOLD STORY untergegangen, machen es unterschiedlich stark zensierte Fassungen mit schwer zu entziffernden Hardsubs nicht leicht, LOVE TO KILL greifbar zu machen und das durchaus interessante Werk zu ergründen, welches in dem Film steckt. Ich muß gestehen, daß ich den Film im ersten Durchgang auch noch als durchschnittlichen CAT III Thriller abwinken wollte, bis mich eine zweite Sichtung eines besseren belehrte. Verantwortlich dafür sind ein etwas zerfaserter Mittelteil und die bei unzureichender Aufmerksamkeit dann schwer als solche zu deutenden Rückblenden im ansonsten furiosen Finale.
LOVE TO KILL gehört zu diesen speziellen CAT III Werken, die zunächst durch ihren, obschon noch verhältnismäsig moderaten, Gewaltanteil recht einfach in die Exploitationecke zu schieben sind und sich so den Stempel der sozial-ethischen Fragwürdigkeit aufdrücken lassen. Am Ende obliegt diese Rezeption aber auch dem Willen des Betrachters, sich der grausamen Handlung zu öffnen und auch hinter die Fassade zu schauen, welche durchaus auch aus einer feministischen Perspektive wahrzunehmen ist.
Anstoß hierfür gibt das Setting innerhalb der häuslichen Gewalt, die bestimmt ist von Machophantasien eines besitzergreifenden Ehemannes, was durchaus immer noch eine präsente maskuline Wunschvorstellung in der britischen Enklave, dessen Kino andererseits schon früh starke Frauenrollen hervorbrachte, gewesen sein dürfte.
Anthony Wong darf ganz nach der ihm lange anhaftenden Figurenzeichnung auftrumpfen. Es beginnt mit Eifersucht auf einen wahrscheinlich völlig unbeteiligten Fremden, an dem flugs stichelnd Rache geübt wird. Nicht einer gewissen Komik entbehrend gibt dann eine Fernsehübertragung mit Arnold Schwarzenegger den finalen Anlaß für Wongs Figur, über seine Angetraute herzufallen und sich ihrer zu bemächtigen.
Gut, denkt man, es wird zum Glück nicht allzu graphisch ausgemalt, doch die Autoren Wing-Kin Lau (THE UNTOLD STORY, TAXI HUNTER) und Kam-Fai Law (DR. LAMB, THE UNTOLD STORY) bzw. die Regisseure Siu-Hung Chung und Kirk Wong wagen den Tanz auf der Klinge, indem sie die Szene deutlicher ins Unangenehme kulminieren lassen.
Da scheint Wong ganz nach teutonischem Sprachduktus zu einem Hilfsmittel zu greifen, welches ihn symbolisch als Flasche dastehen lässt. Für LOVE TO KILL darf er seine Holde zudem des Atems berauben und auf die offene Straße prügeln, wo es zu einer Begegnung mit dem hier nicht in führender Position eingesetzten Cop aka Danny Lee kommt. Dieser wird die von Elisabeth Lee dargestellte Ehefrau und ihren Sohn später privat aufnehmen, nachdem sie zunächst das Heil im familiären Alltag sucht, einem Tötungsversuch an ihrer kranken Mutter folgend jedoch psychisch in einem deutlich angegriffenen Zustand befindlich ist.
In den Situationen auf dem Polizeirevier schwingt leise ein Unverständnis, mindestens aber mangelnde Empathie mancher Cops für ihre Situation mit, was Erinnerungen an das kaum erhörte Frauenleid in RAPED BY AN ANGEL wachrüttelt. In LOVE TO KILL wird der Ehemann seine Frau später noch unter Druck setzen, um seine Phantasien bis Wahnvorstellungen auf sie zu projizieren, was auf verschrobene Art durchaus psychologische Aspekte häuslicher Gewalt umschreibt.
Bis dahin darf sich die Dame jedoch noch in Sicherheit wiegen; eine Entspannung, die sich auf im Hongkong-Kino im Kontrast zu Rigorositäten gewöhnlichen humoresken Situationen erstreckt und damit die Fallhöhe zum finalen Abgrund mit einem gewissen Zynismus steigert.
Zeitgleich entpuppt sich Danny Lees Figur jedoch auch als nicht fehlerfrei. Seine über den Besuch zunächst nicht erfreute Lebensabschnittsgefährtin ist eine ehemalige Stripperin, die er zwar mit Geschenken bedenkt, sie zu ehelichen jedoch nicht in Erwägung zieht. Dafür fallen ihm durchaus die körperlichen Attribute seines weiblichen Schützlings auf, deren Mann ihm schließlich ein berufliches Bein stellen kann, was zu seiner Suspendierung führt.
Im Gegensatz zum Gesetzeshüter fällt es dem eingeschnappten Ehemann deutlich schwerer, die Finger von der Frau des anderen zu lassen. Dies leitet eine spezielle Geburtstagsfeier für den Sohnemann ein, zu der die Familie wieder beisammen ist, was letztlich für Anthony Wongs Figur jedoch ins Auge geht, worauf er nach feinster Manier des italienischen Genrekinos zu tief ins Glas schaut.
Nach ein wenig Munkelei unter den Polizisten kann LOVE TO KILL mit einer wohlwollenden Auslegung des durchdringlichen Debakels den anfänglichen Eindruck von der Exekutive etwas abmildern. Viel wichtiger jedoch wird eine völlig neu eröffnete Fragestellung durch eine angedeutete Ursache in der Kindheit des Familienvaters, was auch als Motiv in Billy Tangs Filmen DR. LAMB und RED TO KILL herangezogen wird.
Was so beiläufig abgehandelt wird, den Vater ambivalent auch neben der Frau in eine Art Opferposition drängt, wird sich nun möglicherweise auch auf ihren Sohn übertragen, der ganz der Papa ein von sexueller Gewalt befeuertes Massaker mit ansehen musste. Hier schliesst sich der Kreis tatsächlich zu einer gewissen Logik, welche sich nicht darauf beschränkt, daß der Vater sich ohne sein Trauma und mit der nötigen Zuwendung nicht zu diesem Monster entwickelt hätte. Wird sein Sohn nun unter diesen Vorraussetzungen das Erbe antreten und selbst zum Gewalttäter werden? Gibt es Möglichkeiten diesen Zirkel des Zorns zu durchbrechen?
In diesem Sinne muß man die gezeigten Eskalationen in LOVE TO KILL mitnichten als selbstzweckhaft erachten. Zweifellos sind sie geeignet, den Zuschauer an einen sehr unbequemen Ort zu zerren, dessen Gestaltung aber wenig zu einer Triebbefriedigung geeignet ist, da die Bilder zumindest in der mir vorliegenden Fassung die Situationen kaum voyeuristisch auszukosten scheinen. LOVE TO KILL ist avantgardistischer Thriller wie Drama, welches an ein mit anderen Sehgewohnheiten ausgestattetes, asiatisches Publikum adressiert zu den starken Bildern eines Horrorfilms transzendiert.
Fraglos stößt der Film auch in den gestalterischen Freiraum vor, welchen die kommerziell seinerzeit, auch dank der niedrigen Budgets, erfolgsversprechenden CAT III Streifen bieten. Dies schliesst jedoch ein subversives Potential passend zu der ohnehin aufgewühlten Stimmung ob des nahenden Jahres 1997 kaum aus.
Es fällt schwer, LOVE TO KILL als einen tollen Film zu bezeichnen, aber für die Mutigen unter den Filmfreunden kann es doch eine Meditation über Grenzbereiche sein, deren abschreckende Beispiele man aus der sicheren Entfernung durchlebt, um sie im wahren Leben noch intensiver vermeiden zu wollen. Dieser Funktion wird das Werk tatsächlich eher gerecht, als andere Vertreter dieser Zunft.