Es donnert im Wasser - DC bläst zum Wirbelsturm
Es war einmal ein Wassermann, der mit sich und seiner Bestimmung rang. Als aber dann sein böser Bruder kam und finstre, böse Ränke spann, unser Held ins kalte Wasser sprang und um unser aller Schicksal schwamm. Und so ward niemand mehr bang und gram, denn wenn einer kann, dann Aqua-Mann.
Das ist so in etwa der gesamte Plot der neuesten Box-Office-Offensive der Comic-Helden-Schmiede DC. Eine aufreizend simple Heldenreise, wie sie in jedem zweiten Märchen mindestens seit den seligen Gebrüdern Grimm zu finden ist. Das muss kein Manko sein, denn solch universelle und kinderleicht dekodierbare Botschaften waren schon immer das Fundament großer Erfolge, ob nun mündlich tradiert, schriftlich festgehalten oder filmisch aufbereitet. Und nach einem großen Erfolg sieht es derzeit aus, so dass man im Hause DC zumindest schon mal vorsichtig die Sektkorken lockern kann. Endlich mal hinkt man nicht erbarmungswürdig der Konkurrenz von Marvel hinterher, die bisher noch jede Schlacht um die juvenile Zuschauergunst recht locker für sich entschieden hatte. Die bleischwere Ernsthaftigkeit der dünnen Geschichten, gepaart mit Zack Snyders obszön-pompöser Optik lies den mit farblosem Personal voll gestopften Dampfer ein ums andere Mal auf Grund laufen ("Batman vs Superman" und vor allem "Justice Leaugue"). So gesehen ist der Hechtsprung in knallbunte Infantilitätstiefen gar nicht mal so abwegig.
Und so gewagt wie er zunächst erscheinen mag, ist der Tiefseerummelplatz bei weitem nicht. Wie sehr man mit Plüsch, Trash, Kalauern und Bonbon-Look dem in seiner simplen Formelhaftigkeit längst erstarrten Superhelden-Genre einen frischen Anstrich verpassen kann, hat der Rivale bereits mehrfach bewiesen. Das hat mit „Deadpool" und „Guardians of the Galaxy" mal besser, mit deren beiden Sequels („Guadians of the Galaxy Vol. 2", „Deadpool 2") mal schlechter und mit des Donnergottes drittem Streich („Thor: Ragnarok") ganz hervorrgand funktioniert. Vor allem letzterer beitet sich zum Abpausen förmlich an, schließlich ist Aquaman eine unverhohlene Kopie des Meeresgottes Poseidon, so dass man sich auch hier ausgiebigts im mythologischen Ramschladen austoben kann. Ein Steilvolrlage, die der neueste DC-Streich ohne Rücksicht auf Verluste zu nutzen gewillt ist.
Das beginnt schon beim Heroen selbst. Der Wassermann ist ein polternd-jovialer Muskelprotz, dessen betont einfältiges Gehabe zwar bloße Fassade ist, aber einen unwiderstehlich naiven Charme versprüht, der ihn zu einem knuddeligen Sympathie-Bolzen macht. Mir seiner wallenden Mähne, der bulligen Statur und den blitzenden Augen umgibt ihn dieselbe Rockstar-Aura wie Kollege Thor. Mit diesem teilt er auch die Vorliebe für überaus mächtige und schlagkräftige Spielzeuge. Was dem einen sein Hammer, ist dem anderen sein Dreizack.
Bei solch schamloser Kopiererei ist das Casting natürlich von essentieller Bedeutung. Und auch da hat man alles richtig gemacht. Der gebürtige Hawaiianer Jason Momoa wirkt wie der exotische Zwillingsbruder des hellhäutig-blonden Nordmann-Model(l)s Chris Hemsworth (der eigentlich Australier ist). Vor allem aber teilen sie Präsenz und Charisma, was angesichts ihrer völlig überzogenen Charaktere noch dazu in einem quietschbunten Fantasy-Karusell gar nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Der dem Horrogenre nach wie vor innig verbundene James Wan hatte schon mit dem siebten Ableger der PS-Prolo-Sause „The Fast and Furious" gezeigt, dass er megabudgetierte Krawallunterhaltung kann. In „Aquaman" konnte er sich nun so richtig austoben, schließlich sind die lästigen physikalischen Gesetze nun endlich völlig schnuppe und Kollege Computer macht auch noch die absurdesten Action-Einfälle möglich. Das wird besonders bei der finalen Unterwasserschlacht evident, bei der Heerscharen von Meeresvölkern und monströs aufgeblasenem Getier (U.P. Lovecraft schimmert nicht nur an dieser Stelle durch) aufeinander einstürmen und sich gegenseitig niedermetzeln. Überhaupt ist dem Style over Substance-Ansatz schon lange nicht mehr so hemmungslos gefrönt worden wie hier. Der oben in drei Sätzen erschöpfend erzählte Simpel-Plot säuft in einer Flut detailverliebt arrangierter Bilderwelten regelrecht ab, ohne dass man sich dessen während des Schauens Gewahr werden, geschweige denn sich allzu sehr daran stören würde. Schließlich hat man auch hier wieder nur an der Spitze orientiert. Bei den phantasievoll gestalteten Unterwasserpanoramen fühlt man sich mehrfach an James Camerons Referenz-Werk „Avatar" erinnert, während das versunkene und moderne Atlantis George Lucas Sternensaga aufgreift. Der erwähnte Endkampf schließlich ist eine kaum kaschierte Unterwasser-Variante der Schlacht um Helms Klamm, da allerdings auch mit denselben Schwächen.
Die Finals teurer Fatasy-Spektakel sind in ihrer selbst verschuldeten Spiral-Falle gefangen, aus der die größer-lauter-brachialer-Taktik keinen Ausweg bietet. Die computergenerierten Riesenarmeen wirken in ihrem künstlichen Bombast stets seelenlos und funktionieren nur mehr als erwartbare Klimax, die es duchzustehen gilt. Hier gibt es kein Mitfiebern, keine Spannung und keine Dynamik. Die gesichtslosen Massen sind dem Zuschauer völlig egal, ebenso wie der Ausgang, der ohnehin fest steht. Den umkaputtbaren Helden kann nichts passieren, egal wie viele Monster, Schergen oder Superwaffen der Gegner auffährt. „Aquaman" ist dafür leider ein leuchtendes Beispiel. Wenn er am Ende auf einem monströsen Seeungeheuer reitend eine Armee von Unterwasseraliens gegen den machthungrigen Bruder ins Feld führt, bleibt ob der unfreiwilligen Komik kein Auge trocken. Dass dies in einem durchgängig haarscharf an der Trash-Grenze entlang schrammenden Spektakel dennoch störend auffällt, zeugt von mangelndem Gespür für die Tonalität des Ganzen. Und das betrifft nicht nur die Action-Ausrichtung.
Da werden frotzelige Screwball-Einlagen zwischen Aquaman und seiner Gefährtin Mera abrupt von pathetischem Geschwafel um Bestimmung, Schicksal und Heldentum abgelöst. Da gibt es betont ruppig und druckvoll inszenierte Kämpfe Mann gegen Mann, aber eben auch völlig überdrehte Monsterkloppereien, die jedem Godzilla-Fan jubilieren lassen dürften. Und die wenigen Liebesszenen sind entweder schwülstig oder seicht, soll heißen Soap Opera meets Rosamunde Pilcher. Der Film findet so nie zu einem einheitlichen Ton, hat keine dramaturgische Struktur oder Linie. Wan pflügt ähnlich rumpelnd wie sein Protagonist durch das Vergnügungspark-Ambiente und wirft dabei mit Dollarscheinen nur so um sich. Das hat zweifellos Pep, Schwung, Vevre, neudeutsch auch „Drive" genannt. Nach überstandener Achterbahnfahrt stellt sich allerdings ein seltsames Gefühl der Leere ein und die Erkenntnis, dass hier sehr viel Geld für sehr wenig Substanz verpulvert wurde. Anders ausgedrückt, man kannt mit dem Aquaman eine dufte Zeit verbringen, aber schon am Folgetag kaum mehr Details der albernen Sause erinnern.
Diese „Augen zu und durch"-Haltung dürfte auch das Gros des illustren Cast motiviert haben. Wie sonst könnten sich Nicole Kidman als atlantische Leuchturmwärter-Muse und Heroen-Mutter Atlanna oder Willem Dafoe als Consiliere („Vulko!") eines Unterwasser-Diktators mit dem lächerlichen Titel „Ocean Master" (Patrick Wilson kann auch deutlich gehaltvoller) in einen solch exaltierten Mummpitz verirren? Amber Heard (Mera) dürfte da weniger Probleme gehabt haben, schließlich durfte sie schon an der Seite von Danny Trejo („Machete KIlls") und Nic Cage („Drive Angry") fundierte Trash-Erfahrungen sammeln. Selbiges gilt für unseren Lieblingshünen und Rocky-Nemesis Dolph Lundgren, der sich als ihr königlicher Vater Nereus hier wunderbar einfügt und mit roter Haarpracht stolz Solidarität mit Tochter und allgemeinem Bonbon-Look beweist. Fairerweise muss man einräumen, dass die Mitwirkung in mindestens einem Comichelden-Abenteuer inzwischen schon fast zum guten Ton gehört und neben der monetären Versüßung auch dem Bekanntheitsgrad nicht unbedingt abträglich ist.
Für die ramponierte Reputation DCs scheint „Aquaman" trotz aller Schwächen aber genau die richtige Medizin zum rechten Zeitpunkt. Wenn das Rezept auch optisch (Farbenschlacht), plottechnisch (Bruderzwist), im flapsigen Grundton und der lärmigen Helden-Persona offensichtlichst beim rächenden Donnergott der Konkurrenz abgekupfert ist, so wird die beinahe schon chronische Malaise dennoch äußerst wirkungsvoll attakiert. Wan ist sicher kein Filigrantechniker und wirft mit (digitalen) Farbeimern und Genre-Versatzstücken nur so um sich. Neben seiner Vorliebe für Horror darf es auch ein ordenticher Kleks Abenteuer- und Indiana Jones-Flair sein, nicht zu vergessen ein paar dufte Star Wars und Herr der Ringe-Gemälde zur krönenden Abrundung. Das Ganze gleicht einem überladenen Buffet, das sich zwar kulinarisch an einigen Stellen beißt, aber immerhin mit viel Eifer und Engagement angerichtet wurde. Bei DC ist also endlich mal wieder Leben in der Bude, auch wenn der teilweise wüsten Plantscherei ein etwas abgeklärterer Bademeister nicht geschadet hätte. Im Märchenteich des Aquaman geht es eben ein wenig chaotischer zu, andererseits andere kochen auch nur mit Wasser. Da kann ordentlich Dampf unter dem Kessel nicht schaden.