„Hooked on a (Retro-)Feeling"
Hat J.J. Adams jetzt ein Problem? Wenn man all den Lobpreisungen die seit Wochen auf den neuesten Streich der Superheldenschmiede Marvel niederprasseln Glauben schenken will, dann ganz sicher ja. Denn der neue, lang ersehnte „Star Wars"-Film mit all den wunderbaren, magischen Zutaten die George Lucas in seiner unseligen Prequel-Trilogie so schnöde ignoriert hatte, kommt über ein Jahr früher als angekündigt. „Guardians of the Galaxy" heißt er und könnte genauso gut als „Episode VII" durchgehen. Echt jetzt? Na ja, zumindest teilweise auf jeden Fall.
Tatsächlich gelingt es dem bisher nur mit schrägen B-Komödien („Slither", „Super") aufgefallenen James Gunn eine gehörige Portion des naiv-kindlichen Abenteuercharmes zu entfachen, der die ersten drei „Star Wars"-Filme auszeichnete. Im Marvel-Universum ist man davon bisher bestenfalls gestriffen worden. Gunn legt es aber auch ganz bewusst darauf an und verbeugt sich gleich mehrfach auf verschiedenen Ebenen vor Lucas´ Sternen-Saga.
Das beginnt bereits bei den Protagonisten. So wirkt Guardians-Held Peter Quill in jeder Hinsicht wie eine Reinkarnation Han Solos. Ein draufgängerischer Söldner mit großem Herzen und noch größerer Klappe. Nie um einen flapsigen Spruch, oder einen unorthodoxen Lösungsweg verlegen und auf sympathische Weise von sich eingenommen, versprüht er denselben hemdsärmeligen Charme wie der berühmte Weltraumpirat. Auch er verfügt über ein schrottig wirkendes Raumschiff, das sich in Gefahrenmomenten erstaunlich überzeugend bewährt. Auch er hat sein Dasein vornehmlich dem schnöden Mammon verschrieben und auch er wirft diese Maxime im großen Finale über den Haufen, um seinen neuen Freunden beizustehen und mit einer heroischen Tat das Gute zu retten. Der bis dato eher weniger bekannte Chris Pratt kann wie der junge Harrison Ford mit einer natürlichen Coolness und unaufgesetzten Schnoddrigkeit aufwarten, die ihm bei intelligenter Rollenwahl eine goldnen Zukunft auf der großen Leinwand bescheren könnte.
Für das Quill unterstützende Söldnerduo Rocket und Groot gilt das nur sehr eingeschränkt, sind die beiden doch voll animierte Wesen in Gestalt eines schießwütigen, zynischen Waschbärs und eines wortkargen Baumwesen. Auch hier lässt „Star Wars" deutlich grüßen, diesmal in Form einer Mischung der beiden ikonischen Paarungen R2D2/C3PO sowie Han Solo/Chewbacca. Der eine (Rocket) klein, der andere (Groot) groß, der eine schnell mit Waffe und Mundwerk, der andere sprachlich limitiert, aber mit außerordentlichen Kräften ausgestattet, die er immer im rechten Moment einsetzt. Beide kabbeln sich unentwegt, was ihrer tiefen Freundschaft aber keinerlei Abbruch tut.
Wie schon bei Quill, gelingt es Gunn auch bei diesen beiden Antihelden mit ein paar Pinselstrichen facettenreiche und zutiefst sympathische Charaktere zu erschaffen, die einem schon nach wenigen Minuten wie alte Freunde vorkommen. Genauso wie der Rest des zunächst unfreiwillig zusammen gewürfelten Guardians-Quintetts, der tätowierte Muskelprotz Drax und die grünhäutige Kampfamazone Gamora (Zoe Saldana).
Das wohlige Retro-Feeling des Films wird aber nicht nur durch die liebevoll entwickelten Charaktere erzeugt, sondern ist vor allem ein Verdienst des audiovisuellen Konzepts. Bis ins kleinste Detail sind Interieurs, Outfits, Bauten und Fortbewegungsmittel ausgestattet und animiert. Vieles hat einen abgewetzten, gebrauchten Look, was den effektgeladenen Film immer wieder erdet und auch wohltuend von vielen steril wirkenden Hochglanzspektakeln der Konkurrent, aber auch aus dem eigenen Stall abhebt. In den zahlreichen Kampfszenen sind immer wieder auch schweißtreibende Handarbeit sowie originelle Choreographien erkennbar. Die oft ausschließlich am Rechner entstandenen - und dementsprechend künstlich wirkenden-, „Tom und Jerry"artigen „K(r)ämpfe" diverser Superhelden mit ihren ebenfalls von den Gesetzen der Physik völlig unbehinderten Gegnern, bleiben einem hier glücklicherweise erspart. CGI kommt vor allem bei den Raumschiffschlachten und der lichtdurchflutenden Design-Architektur des Planeten Xander zum Einsatz, die dann auch am ehesten an modernes Blockbusterkino erinnern, zumal man sich hier in sattsam bekannten Konventionen bewegt. Zwar ist auch hier wieder ein deutlicher Hauch von „Star Wars" zu spüren, doch diesmal entstammt er eher dem Umfeld der aseptischen Prequel-Trilogie, die ebenfalls so gut wie vollständig auf reale Naturkulissen wie Wüste, Schnee oder Wälder verzichtete.
Dass sich ein solcher Eindruck gar nicht festsetzen kann, liegt ganz entscheidend an der Musik. James Gunn garniert sein Sci-Fi-Abenteuer durchgängig und laut dröhnend mit Pop-Songs aus den 1970er und 80er Jahren. So werden viele Szenen, die ins pathetische, oder allzu ernsthafte rutschen könnten ironisch gebrochen bzw. durch Handlung und Optik kreierte Stimmungen mit dem für Gunn so typischen Anarcho-Humor unterlaufen.
Aber die wiederholte Oldie-Beschallung ist nicht einfach nur ein spleeniger Witz des Regisseurs, sondern hat auch einen handlungsrelevanten Hintergrund. Denn Peter Quill wurde anno 1988 quasi vom Sterbebett seiner Mutter weg von dem Weltraumcowboy Yondu (Michael Rooker) entführt. Die einzige Erinnerung an seine irdische Herkunft ist eine Musikkassette mit den Lieblingshits seiner Mutter, das von ihm wie der heilige Gral gehütete „Awesome Mix Vol. 1".
Die Popkultur der späten und 70er und frühen 80er Jahre zieht sich also wie ein roter Faden durch Gunns Film. Vor allem filmhistorisch gibt es neben den zahllosen Star Wars-Referenzen noch einiges zu entdecken.So zitiert Gunn u.a. ausgiebig aus „E.T.", „Jäger des verlorenen Schatzes" und „Footloose". All diese Szenen wirken aber nie selbstzweckhaft platziert, sondern sind ausnahmslos geschickt in den Handlungsverlauf integriert und treiben den Plot voran.
Hier gilt es aber dann aber auch den ein oder anderen Wermutstropfen zu schlucken. Denn selbst der sprichwörtliche Bierdeckel böte reichlich Platz für die kaum vorhandene Story. In „Star Wars" ging es immerhin um die Rebellion einiger aufrechter Widerständler gegen ein galaktisches Unrechts- und Unterdrückungsregime, gepaart mit einer sich langsam entfaltenden Familientragödie. In „Guardians" jagen unsere 5 Helden einem ominösen Zauberstein nach, den der finstere Thanos und sei Handlanger Ronan (Lee Pace) zur Vernichtung des Planten Xander benötigen. Das ist so dämlich wie simpel, so dass sich die in der „Krieg der Sterne"-Trilogie durchaus vorhandenen Elemente Spannung und Epik zu keinem Zeitpunkt einstellen.
Das liegt aber auch an der Marvel-typischen Krankheit keine starken Antagonisten zu erschaffen. Der blauhäutige Muskelprotz Ronan ist ein lediglich finster dreinblickender, ansonsten aber ziemlich tumb wirkender Pappkamerad, der keinerlei Raffinesse oder gar Bedrohlichkeit ausstrahlt und damit nie zur beunruhigenden Gefahr für das Helden-Quintett taugt. Schon der zarte Vergleich mit einem, wenn nicht dem ikonographischten Schurken der Filmgeschichte ist eine saftige Beleidigung für den schwarzen Lord der Sith. Da liegen ganze Galaxien an Aura, Präsenz und Perfidie dazwischen.
Den Spaß an „Guardins of the Galaxy" können diese Einschränkungen aber letztlich nicht entscheidend trüben. Zu frech, zu witzig, zu liebevoll, zu temporeich und zu bunt ist James Gunns unkonventionelle Superhelden-Sause, als dass man sich lange oder intensiv an der dürftigen Handlung und dem wieder einmal schwachbrüstigen Gegenspieler stören würde. Mit einem unglaublichen Gespür für komisches Timing, grundsympathische Figuren und das augenzwinkernde Unterlaufen gängiger Erwartungen, bringt Gunn erstmals richtig frischen Wind in die inzwischen doch etwas festgefahrenen Strukturen des Marvel-Universums.
Ein spürbar enthusiastisch zelebriertes Retro-Vergnügen, das an die großen Erfolge der Wunderkinder Lucas und Spielberg erinnert, als das Blockbusterkino noch über Charme und Emotionen verfügte. Der bereits mitten in den Dreharbeiten für den nächsten „Star Wars"-Film stehende J.J. Abrams sollte ruhig etwas genauer hinsehen. Denn so und nicht anders wollen wir unsere Sternenkrieger endlich wiedersehen. Dann aber gerne auch mit einer etwas vielschichtigeren Handlung, einem Schuß Epik und v.a. einem knackigen Bad Guy. Auch gegen ein paar reale Naturschauplätze hätten wir gar nichts einzuwenden. Bis dahin aber lassen wir die Galaxis ruhig noch von Marvels neuem Helden-Quintett bewachen. Die packen das. „Hooked on a groovy Retro-Feeling".