Review

Grenzgänger

Dass jeder halbwegs erfolgreiche Film heute mindestens ein Sequel beschert bekommt, wird niemanden mehr so recht überraschen. „Sicario 2" ist eine Ausnahme. Denis Villeneuves kluger und abgründiger Kartellthriller aus dem Jahr ("Sicario", 2015) schrie nicht unbedingt nach einer Fortsetzung. Das Einspiel war für einen solch sperrigen Stoff ganz ordentlich, aber sicher nicht spektakulär. An klassischen Symapthieträgern oder gar Heldenfiguren zeigte sich Villeneuve nicht im Ansatz interessiert. Als Actioninferno konnte man „Sicario" ebenfalls kaum missverstehen, was also sprach für einen zweiten Teil?

Zunächst einmal bieten das Umfeld der Kartelle sowie ihr Operieren im mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet reichlich Stoff für weitere Geschichten und Blickwinkel. Dazu hatte man mit dem geheimnisvollen Auftragskiller Alejandro und vor allem seinem Darsteller Benicio Del Toro einen faszinierenden Charakter an der Hand, den man in diesem Szenario durchaus noch etwas länger zusehen konnte. „Sicario 2" setzt genau auf diese Trümpfe, wirft mit dem Menschenhandel ein brandaktuelles Eisen ins Feuer und rückt den Titelantihelden nun endgültig ins Zentrum des Geschehens. Die von Emily Blunt verkörperte FBI-Agentin musste dafür weichen, nicht aber Josh Brolin, der seine Rolle als kaltschnäuziger Zyniker wieder aufnimmt.

Das Gespann Brolin / Del Toro ist dann auch einer der großen Trümpfe des Sequels. Die beiden Charismatiker machen die auf dem Papier eher klischeehaften Figuren zu faszinierenden Grenzgängern im Minengebiet zwischen Moral, Opportunimus, Brutalität und einem Ehrenkodex, der sich kaum mit geltendem Recht und Gesetz vereinbaren lässt. Beide sind längst jenseits von Gut und Böse, ihr Raster ist ein gänzlich anderes und das wissen sie auch. Ihre zweifellos vorhandene Freundschaft grenzt in dieser Konstellation an ein Wunder und folgt ebenfalls nicht gängigen Normen.

Mit dem Italiener Stefano Sollima hat man zudem den idealen Regisseur für solch infernalischen Stoffe gefunden. In der TV-Serie "Gomorrha" und dem Kinofilm "Suburra" hat er die mafiösen Strukturen im heutigen Italien ein bildgewaltiges Sittengemäde des moralischen Verfalls geschaffen, das dämonischer kaum sein könnte. „Sicario 2" wirkt dagegen beinahe schon konventionell, folgt er doch einer klareren Struktur und bietet zumindest Hoffnungstupfer.
Ein Feelgood Movie ist natürlich auch Teil 2 mitnichten, schließlich geht es um einen brutalen Schlag der US-Administration gegen ein mexikanisches Drogenkartell sowie den erwähnten Menschenschmuggel. Autor Taylor Sheridan, der auch bereits das Skript zum Orginal verfasst hatte, entwirft dazu zwei parallel laufende Handlungsstränge, die unaufhaltsam aufeinander zusteuern und im Finale schließlich kollidieren. Sowohl Alejandro wie auch Graver geraten dabei zwischen die Fronten und müssen Entscheidungen treffen, deren Tragweite und Folgen zu völlig neuen Konstellationen führen (können).

Wie im ersten Film liegt eine permanente düstere Anspannung über Geschehen und Figuren, in die man förmlich hinein gesogen wird. Ridley Scotts Hauskameramann Darius Wolski hat daran einen nicht unerheblichen Anteil, indem er den finsteren Plot mit stilisierten Panoramen flirrender Einöden und scharfkantiger urbaner Strukturen treffend verbildlicht. Dazu kommt noch der treibende und grummelnde Score der Isländerin Hildur Guðnadóttir, die mehrfach für akustische Spannungsspitzen sorgt.
Ein Actionfeuerwerk zündet auch das Sequel nicht, aber wenn es zur Sache geht, dann dreht Sollima gewaltig auf. Die Schusswechsel erinnern dabei in ihrer präzisen Wucht und Härte an Michael Mann, der sicherlich am gesamteen Film Gefallen finden dürfte. Die in einer ausweglosen, beinahe schicksalhaften Situation gefangenen Antihelden bevölkern auch das Gros seiner Filme. Das nicht gerade glückliche, wenn auch auf gewisse Weise offene Ende, passt da ebenfalls gut ins Bild. Es lässt zudem Raum für ein weiteres Sequel, eine Vorstellung, die nach dem in sich absolut stimmigen „Sicario 2" nicht nur nicht abwegig scheint, sondern für die es viele gute Gründe gäbe.

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