Review

„Wundertüte der (Un-)Möglichkeiten"

Bei der „Mission: Impossible"-Reihe ging es immer schon zuvorderst um Täuschung, Irreführung und falsche Fährten. Beim nunmehr fünften Teil fängt dies bereits mit dem (Unter-)Titel an. „Rogue Nation" heißt so viel wie „Schurkenstaat" und weckt damit allerlei Assoziationen hinsichtlich den einschlägigen, von der Bush-Administration - der von George W. - mit diesem Begriff gebrandmarkten, vornehmlich diktatorisch geführten und den Terrorismus unterstützenden Staaten. Dass diesmal der Feind aber ausgerechnet in den eigenen Reihen zu suchen ist, darf durchaus als süffisanter Seitenhieb auf eben jene Lesart gewertet werden.

Eine weitere Erkenntnis der bisherigen unmöglichen Missionen ist jene, dass man ganz genau hinsehen muss, um das entscheidende Detail zu erkennen und dass Gesamtbild nicht aus den Augen zu verlieren. So hat „rogue" für sich gesehen noch eine ganz andere Bedeutung, die den wahren Hintergründen von Ethan Hunts fünftem Auftrag weitaus näher kommt. So bekommt er es diesmal unter anderem mit einem schurkischen, perfiden Einzelgänger zu tun, dessen unberechenbares Gefahrenpotential kaum einschätzbar und schon gar nicht durchschaubar scheint.
Vieles erinnert dabei an Brian De Palmas Auftaktfilm, bei dem IMF-Superagent Hunt in einem mindestens doppelbödigen Agenten-Verwirrspiel völlig die Übersicht zu verlieren schien und kaum mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte. Hier wie da ermittelt er auf eigene Faust, gejagt von der eigenen Regierung und einem nicht greifbaren Gegner, der ihm immer mindestens zwei Schritte voraus ist. Das IMF aufgelöst, den knorrigen CIA-Direktor Alan Hunley (Alec Baldwin mit viel Lust am Polit-Arschloch) im Nacken und das eigene Team lahm gelegt, droht Hunt im Strudel rivalisierender Geheimdienstinteressen und einer omnipotenten Verbrecherorganisation - dem ominösen „Syndikat" - zermalmt zu werden.

Regisseur, Autor und Tom Cruise-Intimus Christopher McQuarrie hat reichlich Erfahrung mit undurchsichtigen und wendungsreichen Plots. In seinen Drehbüchern zu „Die üblichen Verdächtigen" (1995) und „Operation Walküre" (2008) jonglierte er bereits lustvoll mit geheimen Identitäten, ausgeklügelten Plänen und cleveren Schachzügen. „Mission Impossible" ist eine perfekte Spielwiese für all dies und McQuarrie erweist sich als enthusiastisches Spielkind. Höhepunkt ist dabei eine virtuos geschnittene und gefilmte Attentatssequenz während einer Puccini-Aufführung in der Wiener Staatsoper, bei der sich McQuarrie ganz nebenbei vor Suspense-Großmeister Hitchcock und dessen Agentencharade „The man who knew too much" (1956) verbeugt. Dass dabei die Wahl auf Puccinis „Turandot" fiel, bei der das nicht lösen können diverser Rätsel mit dem Tod bestraft wird, ist einer der vielen kleinen Meta-Leckerbissen, die McQuarrie für den geneigten Zuschauer bereit hält.
Am Ende ist man dann zwar fast etwas ermüdet von all der fröhlichen, fast schon ekstatischen (Aus-)Trickserei, aber es ist ein durch und durch wohliges Ermattungsgefühl. Zudem McQuarrie immer im rechten Augenblick vom Spionage-Gaspedal geht und die launige Kumpelrunde zusammen ruft. Spätestens ab „Mi:III" war Ethan Hunt ja kein Einzelkämpfer mehr, sondern Anführer eines freundschaftlich verbundenen Teams. Vor allem Computer-Freak und Klassenclown Benji Dunn ist weit mehr als nur ein Agentenkollege für Hunt - Simon Pegg und Tom Cruise sind sinnigerweise auch privat dicke Freunde - und ist sowohl emotionaler wie auch humoristischer Taktgeber und Ruhepol zwischen den zahlreichen Spannungs- und Actionhöhepunkten.

Und davon gibt es wieder reichlich zu bestaunen. Neben dem obligatorischen Einbruch in einen scheinbar schier unüberwindbaren Sicherheitsbereich, darf Hunt einmal mehr vor allem seine fahrerischen Ausnahmequalitäten auf vier und zwei Rädern voll ausleben. Wie in allen seinen Filmen, lies es sich der inzwischen immerhin auch schon 53-jährige Cruise erneut nicht nehmen, den Großteil seiner Stunts selbst zu übernehmen und damit seinem Ruf als Adrenalinjunkie endgültig in Marmor zu meißeln. Eine halsbrecherische, minutenlange Highspeed-Motorradverfolgung gehört da fast schon zum erwartbaren Standartprogramm. Doch Cruise wäre nicht Cruise, wenn er nicht in jedem neuen M:i-Ableger einen Harakiri-Stunt hinlegen würde, bei dem man sich ob der Risikobereitschaft des Stars nur verwundert die Augen reiben kann. Sich an ein startendes Flugzeug zu hängen dürfte jedenfalls auch dem ein oder anderen Stuntman den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Aber das kennt man ja bereits aus früheren Missionen.
Überhaupt ist „Mission: Impossible - Rogue Nation" ein gekonnt arrangiertes Destillat der ersten vier Abenteuer des gewieften Agenten-Akrobaten. Regisseur Christopher McQuarrie verquickt undurchsichtiges, Twist-orientiertes Spionage-Verwirrspiel (Brian De Palmas „Mission: Impossible"), kinetisches Körperkino und ballettartige High-Spped-Sequenzen (John Woos „M:i-2") sowie effiziente Teamwork, bei der jedes Mitglied einen entscheidenden Anteil am Gesamterfolg hat (J.J. Abrams „M:i:III") und serviert das Ganze mit einer charmant-leichtfüßigen Inszenierung und einem ordentlichen Klecks Selbstironie (Brad Birds „Mission Impossible - Phantom Protocol").

Alles wie gehabt also? Nicht ganz. Einen signifikanten Qualitätsunterschied zu den ersten vier Missionen gibt es dann doch noch zu vermelden und der kommt aus Schweden. Anders als ihre Vorgängerinnen Emanuelle Beart, Thandie Newton, Michelle Monaghan und Paula Patton ist Rebecca Ferguson nicht nur hübsches Beiwerk ohne große Handlungsrelevanz, sondern Dreh- und Angelpunkt des fintenreichen Katz- und Maus-Spiels. Und im Gegensatz zum Gros der genreübergreifend inzwischen inflationär herumturnenden Action-Amazonen, nimmt man ihr auch die Nahkampf-Expertin ab, zumal sie keine physischen Wunderdinge vollbringt. Ferguson tariert ihre Figur geschickt zwischen Körperlichkeit, Sex-Appeal und Köpfchen aus, ohne eine Facette besonders heraus zu stellen. So bleibt Ilsa Faust zu gleichen Teilen glaubwürdig, vielschichtig und geheimnisvoll, ein im Blockbusterkino nicht nur des Jahres 2015 eher seltenes Phänomen.    

Bleibt als finale Erkenntnis: bei Ethan Huts unmöglichen Missionen ist eben alles möglich. Diese lustvolle Wundertüten-Verpackung macht die Reihe so einzigartig und ist neben dem fast schon überbordenden Engagement des Hauptdarstellers sicherlich das entscheidende Kriterium für ihre Langlebigkeit. Hier, auf dem Minenfeld der Publikumsorientierung, gibt es keine Täuschung, Irreführung oder gar Mogelpackung. Hier wird auch beim fünften Run puristisch und punktgenau exakt das geliefert, was der begeisterte Fan erwartet und erhofft. Mission fully accomplished. Once again.

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