Nach dem Riesenerfolg der zweiten Mission: Impossible-Mission hätte niemand gedacht, dass Superstar Tom Cruise ausgerechnet mit dem dritten Auftritt in seiner Paraderolle einen veritablen Karriereknick erleiden würde. Die überraschend deutliche Erfüllung dieser eigentlich unmöglichen Mission hatte er einzig und allein seiner völlig verunglückten, medialen Selbstinszenierung zu verdanken, denn der Film selbst war nicht signifikant schlechter als seine beiden Vorgänger. Die öffentliche Selbstdemontage als liebestoller Clown raubte dem durch seine militanten Bekenntnisse zur umstrittenen Scientology-Kirche sympathietechnisch bereits ordentlich angezählten Superstar den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. Aber Cruise ist auch bekannt als verbissener Kämpfer, der innerhalb seiner Branche schon immer weit mehr respektiert als geschätzt wurde.
Obgleich er inzwischen seinen ramponierten Ruf durch selbst verordnete Zurückhaltung und unerwartete Rollenwahl (u.a als schmieriger, glatzköpfiger Filmproduzent und als deutscher Widerstandskämpfer von Stauffenberg) wieder einigermaßen aufpoliert hat, war ein viertes Leinwandabenteuer des amerikanischen Topagenten Ethan Hunt keineswegs ohne Risiko. Sicher keine unmögliche Mission, dennoch eine Schwierige, die, sollte sie scheitern, unweigerlich das Ende der Cruischen Starqualitäten bedeuten würde.
Sieht man den fertigen Film, so kann man zumindest eines feststellen: alle Beteiligten haben die Mission offenkundig mehr als ernst genommen und dennoch eine Menge Spaß dabei gehabt. Echte Teamarbeit eben, bei der der als Kontrollfreak verschrieene Cruise seinen Mitarbeitern diesmal ganz offensichtlich ein gehöriges Maß an kreativen Freiheiten zugestanden hat. Schienen John Woo (MI:2) und J.J. Abrams (MI 3) noch in einer von ihrem Star und Produzenten angelegten Franchise-Zwangsjacke gefangen die vor allem beim dritten Teil jegliche individuelle Handschrift im Keim erstickte, so durfte Regisseur Brad Bird diesmal seine Ideen und Vorstellungen voll einbringen.
Eine kluge Entscheidung, die klar der Schlüssel zur - vor allem in dieser Deutlichkeit - unerwarteten Klasse des Films ist. Eine kluge Entscheidung auch, weil Bird in seinen Pixar-Hits Die Unglaublichen und Ratatouille bereits ein beeindruckendes Gespür für Timing, Tempo und Choreographie von Actionsequenzen bewiesen hat. Offenbar keine schlechte Schule. Die im Vorfeld zu hörenden Bedenken ein Regisseur von Animationsfilmen könne keinen Realfim drehen, pulverisiert Bird jedenfalls bereits in den ersten zehn Minuten.
Zu den Klängen von Dean Martins „Ain´t this a kick in the head" befreien Computerexperte Benjii (Simon Pegg) und Field Agent Jane Carter (Paula Patton) IMF-Topagenten Ethan Hunt aus einem russischen Gefängnis. Hunt flieht tänzelnd durch ein Wirrwarr sich automatisch öffnender Sicherheitstüren und eine daraus resultierende Massenschlägerei zwischen Wärtern und Insassen und bleibt dabei stets im Rhythmus und Takt des aus allen Lautsprechern tönenden Martin-Songs. Eine in Schnitt, Choreographie und Timing virtuos arrangierte Szene, die den selbstironischen Ton des Films gleich zu Beginn deutlich macht. Eine längst überfällige Neuerung, drohte die Franchsie doch an ihrer angestrengten Ernsthaftigkeit, die so gar nicht zu den aberwitzigen Stunts und exaltierten Einbruchsszenarien passen wollte, zu ersticken. Im Nachhinein scheint Birds Lockerung der Stellschrauben verblüffend simpel und logisch, aber man muss erst einmal die entscheidende Schwachstelle einer an sich funktionierenden Maschinerie identifizieren und dann vor allem die nötigen Veränderungen gegen einen egomanischen Konstrukteur wie Cruise durchsetzen können.
Befreit von den inszenatorischen Fesseln die seine Vorgängerregisseure zu bloßen Auftragsarbeitern degradierten, entfesselt Bird ein Spionagefeuerwerk, das in seiner offensiven "Larger than life"-Attitüde an die besten Zeiten des englischen Superspions mit der Doppel-Null erinnert. Wie der britische Genretrendsetter jettet Hunt rund um den Erdball und steigt nur an den mondänsten und touristisch attraktivsten Orten ab. Dort liefert er sich mit seinen Widersachern die aberwitzigsten Duelle, die er mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Cleverness, Tollkühnheit und einer Reihe technischer Gimmicks für sich entscheidet. Natürlich geht es um nichts weniger, als die Rettung der Welt vor den finsteren Plänen eines wahnsinnigen Superverbrechers.
Diesmal geht es um den skrupellosen, schwedischen Nuklearexperten Kurt Hendricks (Michael Nyquist), der es irgendwie schafft, Steuerungscodes für russische Atomraketen aus dem Kreml zu stehlen und dabei auch noch das bereits auf ihn angesetzte IMF-Team unter der Leitung Ethan Hunts (Tom Cruise) ausmanövriert, so dass dieses von der eigenen Regierung verleumdet und sich selbst überlassen wird. Inoffiziell rüstet der ehemalige IMF-Chef allerdings seinen besten Mann und dessen Team - Analyst Brandt (Jeremy Renner), Field Agent Carter (Paula Patton) und Computerexperte Benji (Simon Pegg) - mit allerlei High-Tech-Schnickschnack und Informationen über Hendricks vermutlich nächsten Schritte aus. Die Spur führt nach Dubai und dort ins höchste Gebäude der Welt. Nur gut, dass Hunt keinerlei Höhenangst hat, erfordert die Mission unter anderem mal wieder akrobatische Einlagen der besonders luftigen Art ...
Trotz dieses nicht gerade komplexen Plots und eines motivisch wie charakterlich nur reißbrettartig angelegen Antagonisten, macht der Film unerhört Spass und lässt die drei Vorgänger reichlich dröge aussehen. Mission: Impossible - Ghost Protocol leidet weder unter dem undurchsichtigen Handlungswirrwar des ersten Teils, noch unter dem teilweise pubertären Poser-Gehabe der Fortsetzung, oder der bemühten Vermenschlichung Hunts im zweiten Sequel. Bird wirft all diesen Ballast beherzt über Bord und besinnt sich auf die Stärken der Serie. So konzentriert sich der vierte Film ganz auf die verblüffenden Heist-Aktionen, die stets unter enormen Zeitdruck und kaum überwindbar scheinenden, technischen Hindernissen ablaufen und damit enormes Spannungspotential besitzen. Das Script wartet hier mit einer Vielzahl pfiffiger Ideen auf, die selbst den in dieser Hinsicht Maßstäbe setzenden Originalfilm noch toppen.
Auch eine kluge Rückbesinnung auf den ersten IMF-Einsatz ist die Stärkung des Teamgedanken. Hunts Mitstreiter sind keine gesichtslosen Erfüllungsgehilfen, oder blassen Stichwortgeber die lediglich dazu dienen ihren Chef in noch hellerem Heldenlicht erstrahlen zu lassen. Diesmal hat jeder eine entscheidende Aufgabe für das Gelingen der Mission und Hunt ist sich dessen auch voll bewusst. Natürlich hilft es auch, dass so gestandene Mimen wie Jeremy Renner und Simon Pegg ihre Stärken voll ausspielen können. So ist Brandt eine undurchsichtige, vor sich hin brodelnde Aggressivitätszeitbombe und Benjii ein nervöser, hibbeliger Computernerd der immer einen flapsigen Spruch auf den Lippen hat und damit ein ums andere Mal die Anspannung seiner Teamkollegen löst.
Aber nicht nur Pegg sorgt für eine wohltuende humoristische Neuausrichtung, auch Brad Birds leichtfüßige Inszenierung der gewohnt spektakulären Actionszenen und der durchgängig selbstironische Blick auf die teilweise irrsinnigen Aktionen des Agententrupps machen Hunts vierte Mission zum charmanten Vergnügungstrip in das etwas ins Stottern geratene Popcorn- Adrenalinkino. Ihrer Majestät langjährigster Spion hat endlich mal wieder Konkurrenz vom großen Bruder aus Übersee bekommen.
Schon bei seiner augenzwinkernden Hommage an das Superheldengenre (Die Unglaublichen) war Birds Sympathie für die Bondfilme deutlich erkennbar. Da lag es nahe, das thematisch ohnehin wesentlich enger verwandte Mission: Impossible-Universum mit den Stärken der 007-Reihe aufzupeppen. Die angestrengte Verbissenheit Hunts ist einer souveränen Lässigkeit gewichen, die den Protagonisten deutlich sympathischer und seine Mission entschieden unterhaltsamer macht.
Der geneigte Zuschauer zählt schon jetzt zu den Siegern. Ob daraus eine „Win-Win-Situatiuon" entsteht, soll heißen Tom Cruises angeknackster Superstarstutus die erhoffte Aufpolierung erhält, bleibt abzuwarten. Die gezeigten Leistungen lassen jedenfalls hoffen. Für den Erfolg bedarf es allerdings Schützenhilfe von außen. Unmöglich? Nein! Mission definitely possible.