Eine einfallsreich designte Homepage, Vinnie Jones („Lock, Stock and Two Smoking Barrels”, „Mean Machine”) als Bösewicht und Louis Morneau („Retroactive”, „Made Men”) als Drehbuchautor und schon bin ich Blödmann ins Netz gegangen.
„Slipstream“ ist letztlich nur ein mittelmäßiger Kommerzauftrag des findigen Produzenten David Bixler („The Hitcher II: I've Been Waiting“, „The Sandlot 2“, „Like Mike 2“), der einst den Geheimtipp „Retroactive“ des von mir sehr geschätzten Regisseurs Louis Morneau mit ins Leben rief und Morneau wie auch den damals beteiligten Autor Phillip Badger („Dangerous Attraction“) anwies, die Grundidee noch einmal zu recyceln.
Mit Regisseur David Van Eyssen, der hiermit sein eigentliches Regiedebüt gibt, allerdings auf eine breite Palette an TV-Spots und Musikvideos zurückblicken kann, beziehungsweise auch an der BMW – Kampagne „The Hire“ mitbeteiligt war, sollte nun jemand die Inszenierung übernehmen, der den Film einen möglichst optisch attraktiven, modernen Style verpasst. Das ist aber auch schon alles, was der Film zu bieten hat. Da fragt man sich schon, warum man nicht bei Morneau blieb, der, da bin ich mir sicher, den Stoff wesentlich besser umgesetzt hätte.
Ein enger Zeitplan, das begrenzte Budget und komplett gestrichene Drehbuchseiten sprechen immerhin eine deutliche Sprache...
Das mehrminütige Voiceover zu Beginn zum Thema Zeitreise führt verquast in eine 80minütige Videopremiere, die zwar ihre Licht -, aber auch ihre Schattenseiten hat und die überwiegen leider leicht. Dabei birgt das Konzept selbst durchaus Potential, nur umgesetzt werden muss es auch.
Stuart Conway (Sean Astin, „The Goonies”, „The Lord of the Rings”) ist ein hochintelligenter Wissenschaftler, der im Dienst der Regierung an einem Gerät arbeitet das Zeitreisen ermöglicht, dabei seine Erkenntnisse wie Fortschritte für sich behält und nun in der Lage ist, einen Korridor von 10 Minuten mittels eines kleinen PODs zu öffnen. Als er in einer Bank seinen Gehaltscheck mehrmals einlösen will, wird er von den beiden FBI-Beamten Sarah Tanner (Ivana Milicevic, „Vanilla Sky“, „Paycheck“) und Jake Hallman (Kevin Otto) beschattet. Als plötzlich Bankräuber Winston Briggs (Jones) in die Bank eindringt, wild um sich schießt und Stuart das handliche Gerät abnimmt, steckt er alsbald im größten Schlamassel, um sein Werkzeug wiederzubekommen.
Stil entwickelt man nicht, in dem man möglichst viele Stilmittel einsetzt. So etwas schwebte Van Eyssen bei „Slipstream“ aber wohl vor. Visuell meist dank Farb- und kräftigen Hochglanzfiltern chic ausschauend, präsentiert sich der Film zumindest optisch auf der Höhe der Zeit. Der erste Einsatz dieser Zeitmaschine in der Sparkasse zieht auch gleich das exzessive Nutzen von Slow- und Fastmotion nach sich, wobei Van Eyssen die wilde Schießerei zwischen den FBI-Agenten und den Bankräubern mehrmals in unterschiedlichen Varianten ablaufen lässt und kostengünstig ausschauende Erinnerungen an „The Matrix“ geweckt werden. Leider übertreibt er es gleich beim ersten Einsatz des Gerätes so sinnlos, dass in Folge des Films die ganzen Stilmittel (Reißschwenks etc.) irgendwann nur noch auf den Wecker gehen.
Die anfangs noch verzweifelt versuchte Auseinandersetzung mit den Risiken und Folgen der Zeitreise wird gänzlich außen vor gelassen, statt dessen jagen Sarah und Stuart nun dem flüchtigen Winston hinterher.
Trotz seiner gerade mal 80 Minuten netto bleibt nicht viel Unterhaltung hängen. Der sich völlig in seinen optischen Spielereien verbeißende Regisseur vergisst nämlich gänzlich dabei Dramatik und Spannung mit im Geschehen unterzubringen.
Ein in Zeitlupe zelebrierter Unfall, der wirklich nicht schlecht ausschaut, zieht eine vorübergehende Geiselnahme nach sich, später gelingt eine Flucht. Was sich das Skript dabei an Unglaubwürdigkeiten zusammenreimt, die in der Realität so nie passieren würden und auch weniger aufmerksame Zuschauer sofort auf die Palme bringen dürfte, ist nicht nur frech, sondern auch dreist.
Um die Protagonisten, die in blutigen Shootouts auch mehrmals sterben werden, bangt man dabei nie, weil ohnehin jemand in letzter Sekunde noch einmal die Zeitmaschine aktivieren kann, um sich 10 Minuten zurückzuversetzen. Dieses Problem der temporären Limitierung wird final übrigens reichlich unglaubwürdig fix mit einer mathematischen Gleichung in einem abstürzenden Flugzeug gelöst.
Das Tempo des Films ist relativ hoch, aber äußerst schwache Dialoge (Ich empfehle ohnehin den O-Ton, die deutsche Synchronisation ist leider nicht so prall) und das Fehlen von wirklich mal gut inszenierter Action, verhindern einen über das Mittelmaß hinausgehenden Unterhaltungswert.
Dabei ist der cholerische, sich eindeutig als Brite zu erkennen gebende Vinnie Jones einmal mehr in Bestform. Ständig unter Strom, sehr aggressiv pöbelt, droht und rastet er aus, als würde er kurz vor der Explosion stehen. Damit bleibt er auch dank seiner unorthodoxen Reaktionen als einziger im Gedächtnis hängen, denn „Der Herr der Ringe“ hin oder her, Sean Astin, der deutlich zugenommen hat, war und ist in Hollywood, genauso wie Ivana Milicevic, zurecht nur Support. Den Beweis, nämlich ihre Austauschbarkeit, treten beide beeindruckend schwach mit „Slipstream“ an.
Ab dem Überfall, der nach etwa 20 Minuten abgeschlossen ist, kann man sich als Zuschauer im Grunde nur noch an ein paar gelungenen Momenten hochziehen. Van Eyssen hat, dank seiner Vergangenheit ein Auge fürs Detail, arbeitet mit Spiegeleffekten, zoomt mit seiner Kamera durch das Zielfernrohr eines Snipers und beherrscht auch das Talent Explosionen ansprechend umzusetzen, vergisst nur dabei völlig die Gesamtsituation. Insbesondere der gewollt amüsant klingende Score passt nun so gar nicht zum Szenario.
Dabei könnte ihm allerdings schon das Drehbuch einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, weil es mit zunehmender Laufzeit immer abstrusere Entwicklungen annimmt. Allein die Tatsache, dass Sarahs Vorgesetzter sie urplötzlich vom Fall abzieht und suspendiert, weil sie mit ihrem Kollegen ein Verhältnis hatte, kann exemplarisch herangezogen werden.
Die Action glänzt, abseits des Autounfalls, nur mit Stilmitteln, ist ansonsten aber schwach umgesetzt. Besonders deutlich wird das bei der Schießerei in der Tiefgarage und final im Flugzeug. Hierfür scheint Van Eyssen schlicht noch die Erfahrung zu fehlen. Gerade deshalb hätte ich mir einen erfahrenen B-Movie-Regisseur hierbei erwünscht. Ideen, wie Nebelgranaten, sind ja durchaus vorhanden, nur wenn die Actionszenen dann so einfallslos inszeniert werden, ist Hopfen und Malz verloren.
Fazit:
Knapp unterdurchschnittliches B-Movie mit Science-Fiction-Elementen, das zwar über eine ganze Reihe optischer Lichtblicke verfügt, aber eindeutig in die Kategorie Style over Substance einsortiert werden darf. Das Ausleihen aus der Videothek ist nicht zwingend notwendig, denn so lange wird es vermutlich nicht dauern, bis er bei Pro 7 im Nachtprogramm auftaucht. Vinnie Jones selbst ist auf seine Art wieder eine Klasse für sich, muss allerdings ständig vom Drehbuch vorgeschriebene Filmklassiker zitieren, aber maue Dialoge, die schwachen Darsteller und ein mieses, schwach konstruiertes Drehbuch, das spannungsfrei umgesetzt und nur minimal mit Actionszenen versetzt wurde, verhindern eine bessere Platzierung. Vielleicht wollte Louis Morneau aber auch von vornherein sicher gehen, dass „Retroactive“ nach wie vor ein kleiner Knüller bleibt, der nicht von irgendwelchen Plagiaten überflügelt wird. ;-)