Sieh an, sieh an! Brösel quetscht sich doch tatsächlich nochmal ein letztes Quäntchen nordischen Charme aus dem eigentlich längst auswringten Skelett seines zeichnerischen Schaffens. Ja, geht es für den Motorradliebhaber jetzt kommerziell etwa doch wieder nach oben? Immerhin hat die Tankstellenkette “Jet” ihn und sein Universum aus Langnasen und Backenzahnträgern für eine mittelfristige Konzeptarbeit im Bereich der Anzeigenwerbung angeheuert. Marketingleiter Nikolai Lassen erklärte: "Jet hat, um als besonders kostenbewusster Anbieter auf sich aufmerksam zu machen, nach einer revolutionären Idee für die Werbung gesucht und mit Brösel den perfekten Partner gefunden. Wir hoffen, dass die neue Kampagne den Verbrauchern so viel Spaß macht wie uns.”Womöglich erleben wir noch eine Renaissance des deutschregionalen Nischenhumors in dieser Zeit, die eigentlich so gar keinen Platz mehr für den tiefgelegten Ulk eines Brösel hat.
Doch wider Erwarten stellt sich der vierte “Werner”-Kinofilm als das beste aller Sequels heraus, lässt also den sehnig durchwachsenen “Das muss kesseln” und vor allem den unterirdischen “Volles Rooäää!!!” im Dunstkreis der hauseigenen Bölkstofffahne hinter sich.
Das soll nun kein Äquivalent für Originalität oder frischen Wind sein - so revolutionär, wie der Jet-Marketingleiter das Anwerben Brösels für die Tankstellenkette erachtet, ist das vierte Leinwandabenteuer des Pantoffelhelden Werner keinesfalls. Im Gegenteil: Der Auftakt lässt grausigsten Selbstklau vermuten, der dann tatsächlich auch über die gesamte Laufzeit nicht wirklich zu verleugnen ist. So gehörte das legendäre Fußballspiel auf dem Markt nicht nur im ersten Werner-Kinoabenteuer von 1990, sondern auch schon in den Comics zu den All-Time-Favoriten von Fans und sogar Kritik. Das Zufallsprinzip und die Zweckentfremdung der ihrem Alltag nachgehenden Menschen zum Zwecke eines imaginären Fußballspiels erfreute den Betrachter durch feinste, auf Zufallsprinzipien aufgebaute Slapstick-Comedy. Der freche Kommentar Werners (aka Klaus Büchner) machte die Sache endgültig zu einer erfrischenden, einfach urigen Angelegenheit.
Dreizehn Jahre nach der ersten animierten Umsetzung dieser schönen Idee schien man es nun für nötig befunden zu haben, diese Szene nochmals aufzuwärmen, diesmal eben auf einem Campingplatz anstatt auf einem Markt. Und so werden schöne Erinnerungen zerstört: Man nehme das alte Gebäck, tische es als frische Ware auf und reichere es mit unkreativer Alternation an. Vor allem schien man diesmal darauf bedacht, den Campingurlaub zu einer exhibitionistischen Veranstaltung zu machen, denn die Nacktheit im Rahmen des “Caught in the Act”-Schemas, die sich als Element optimal ins Getriebe der Einzelepisoden aus “Werner - Beinhart” eingeschmiert hatte, wirkt hier durch ihren überbordenden Gebrauch auf Dauer ermüdend.
Es geht so in vielerlei Hinsicht weiter und führt eine fragwürdige Tradition fort, auf die Brösel wahrlich nicht stolz sein muss. Mit der eigentlichen Kultfigur des Werner-Universums, Meister Röhrich, weiß auch das dritte Sequel in Folge nicht so recht was anzufangen. Einmal mehr haben Hayo Freitag und Michael Schaack ein Problem damit, den Publikumsliebling angemessen zu präsentieren und so in die Handlung zu integrieren, dass er am Ende mit denkwürdigen Szenen im Gedächtnis bleiben würde, von denen er im ersten Teil Dutzende hatte. Doch nein, Röhrich wird in einer mehr oder minder vernachlässigungswürdigen Nebenstory nebst seines “Notnagels” (aufgrund Werners und Eckats Abwesenheit) Hüpenbecker total verheizt. Auch hier ist Selbstklau die Devise, wird doch lediglich die legendäre Sanierungsarbeit aus der 1 wiedergekäut, die am Ende in einer Fäkalschlacht erster Güte endete. Einen billigen Lacher provoziert hier maximal der anal in den Bohrmaschinenkopf geratene Hund, von dem liebevollen Auge für’s Detail jedoch ist da von wenigen Ausnahmen abgesehen kaum eine Spur. Und Röhrich selbst gibt zu wenig von seiner Tölpelhaftigkeit preis. Zwar stellt er auch diesmal viele dumme Sachen an, aber im Gedächtnis hängen bleibt kaum was. Vielleicht ist man es inzwischen einfach gewöhnt.
Kommen wir aber zu den Aspekten, die sich meines Erachtens in die richtige Richtung entwickelt haben. “Das muss kesseln” litt im Wesentlichen darunter, eine Geschichte erzählen zu müssen. “Volles Rooäää!!!” versuchte, der aus diesem Zwang entstandenen Richtung fast schon gen Science Fiction dadurch entgegenzusteuern, dass man wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrte und im Prinzip einfach kleine Alltagsprobleme aus einem nordischen Küstenörtchen erzählte - mit dem Resultat, dass der Humor vollends in der Versenkung verschwand. “Gekotzt wird später” bietet nun die gehaltloseste aller drei Geschichten - nämlich eigentlich überhaupt keine. Es geht darum, dass Werner, Andi und Eckat sich per “Könichsein” gen Korsika bewegen, um da Flachköpper zu mächn. Das basiert lose auf dem Comicheft “Ein Volk - ein Könich”, aus dem die Roadmovie-Elemente ebenso entlehnt sind wie die monarchische Organisation der Herumtreiber mit wechselndem Regent sowie die Brauereibesichtigung.
Der vierte “Werner” sucht sein Heil also in der Substanzlosigkeit, und das, wie ich finde, mit Erfolg. Der komplette Film ist eine einzige sinnlose Rumtreiberei mit der Struktur eines Roadmovies, und damit wird prinzipiell die erfolgreiche Episodenstruktur des ersten Teils nachgezeichnet - nur eben diesmal ohne die grenzdebilen Realszenen. So hat keines der im Film gezeigten Ereignisse irgendwelche Bedeutung für das Finale oder irgendwelchen Bezug zu anderen Sequenzen, womit sich der Humor immer auf die jeweilige Momentaufnahme konzentriert. Das Finale selbst (wenn man es so nennen will) ist daher auch nicht vielmehr als ein weiterer dieser Einzelmomente, die sich wie Perlen an einer Kette aufreihen.
Wie gut der Film ist, ist nun also abhängig von der Qualität der einzelnen Episoden, die Werner, Andi und Eckat während ihres Spontantrips erleben. Wie anfangs schon erklärt, hängt natürlich über allem der Mief des Abgenutztseins. Den wird Brösel auch nie mehr aus seinen Comics vertreiben können und sollte es noch ein weiteres Werner-Sequel geben, so kann ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass dieses aus den genannten Gründen unter keinen Umständen über den Durchschnitt hinausgehen wird.
Sieht man aber mal darüber hinweg, so wird doch deutlich, dass die Figuren, allen voran Werner selbst, wieder an Charme dazugewonnen haben. War die Titelfigur noch im dritten Teil nur ein kleines Rädchen im Gesamtbild, und zwar fast ohne humoristische Elemente, so zieht sie hier als Namensgeber wieder die volle Aufmerksamkeit auf sich, obwohl sie sich anteilmäßig die Hauptrolle mit Andi und Eckat teilen muss. Doch was seit “Beinhart” fehlte, ist nun wieder da: Dieser Werner kann mitunter doch tatsächlich wieder zum Schmunzeln anregen, und sei es nur durch richtiges Timing beim In-die-Kamera-schauen. Mit Andi und Eckat zusammen bildet sich eine lustige Gesellschaft, die zwar nicht gerade Funken sprüht vor lauter Gags, über die man sich aber prächtig amüsieren kann - zumal Eckat eigentlich nur nach Hause will. Die Idee mit der Monarchie auf Zeit gefiel mir schon im Comic sehr gut, auch weil dieses provisorische königliche Erscheinungsbild so schon pantoffelheldenhaft wirkt.
Bei aller Episodenhaftigkeit des Films stellen doch neben der peripheren Röhrich-Geschichte und dem Handlungsstrang um die trotteligen Polizisten Bruno und Helmut (der wie der Röhrich-Plot eher unpassend wirkt) noch zwei Elemente ein Grundgerüst zur Verfügung, an dem sich der Film entlang hangelt. Da wäre zum einen der übliche rockige Soundtrack, der immer mal wieder sein Stelldichein gibt und gar nicht mal so übel geworden ist. Zum anderen wurde, und das ist ein ganz dicker Pluspunkt, Otto Sander wieder verpflichtet, der schon die Realszenen des ersten Teils mit seiner gediegenen, märchenonkelhaften Stimme etwas erträglicher machte. Auch hier bildet er wieder ein angenehmes Gegengewicht zu dem schwachsinnigen Ulk, den die eigentlichen Charaktere verzapfen. Der Erzähler ist so gleichermaßen des intellektuell unterforderten Zuschauers Strohhalm zum Festhalten wie auch ein Instrument, um die blöden Aktionen von Werner & Co. auf ironische Art gleich nochmal doppelt so blöd erscheinen zu lassen. Dieser feste Halt aus dem Hintergrund hat mir in den anderen beiden Sequels doch ganz stark gefehlt.
Was dann tatsächlich in den einzelnen Episoden zum Tragen kommt, geht selbstverständlich auch nicht sehr weit über niveaulose Dummbratzigkeit hinaus, nur das soll es ja auch gar nicht. Das meiste dreht sich eben entweder um die Auswahl des neuen Regenten oder um dessen gerade entschiedenen neuen Unsinns-Befehle. Ersteres führt letztendlich meist in Wettbewerbssituationen, vom gebräuchlichen “Schnick Schnack Schnuck” (goldig umgesetzt mit dem Schattenspiel von Tyrannosaurus Rex bis zum ultimativen Joker, den ich jetzt nicht spoilern will, und herrlich getragen von der wieder mal gelungenen Synchronisation, die auch in Nebenrollen einige dialektstarke Urgesteine wie Heinz Schenk zu bieten hat) bis zum Flaschbier-Deckel-Schnalz-Spiel, das ganz offensichtlich dem privaten Erfahrungsschatz aus Saufgelagen von Brösel selbst entstammt. Die Befehle führen dann zu kühnen Vorhaben (“Besorge Er mir dieses Auto”; “Öffne Er mir die Brauerei”). Ein in jeder Hinsicht spektakulärer Höhepunkt des Films sind die beiden Laster, die jeweils Würfel geladen haben, als einer der Laster umkippt und die Würfel allesamt 6en aufweisen, so dass der andere Laster sich freiwillig (!) ebenfalls seitwärts legt, um den Pasch zu toppen. Ein Klimax der Sinnfreiheit ist es, der hier erreicht wird.
Optisch ist diese Szene ebenfalls das Schmankerl des Films, und damit wären wir bei der Animation, die hier deswegen einer besonderen Erwähnung bedarf, weil sie gegenüber dem diesbezüglich mehr als schwachen Vorgänger deutlich schicker aussieht. Viele Elemente (vor allem sämtliche Autos) wurden zwar sichtbar digitalisiert, doch wirkt sich das nicht störend aus; im Gegenteil, in Kombination mit dem eigenwilligen Werner-Stil ergibt sich fast schon eine Art Cel-Shading-Optik, die einfach gut zum Gezeigten passt. Aber auch die Figuren scheinen liebevoller animiert zu sein, und die Hintergründe wirken klar lebhafter und weniger “vorgemalt” als im dritten Teil. Auch das im Gegensatz zur tristen Nordseeküste sonnigere Ambiente spielt dem entgegen.
Erwähnenswert erscheint zudem der Umstand, dass die Animation oft betont comichaft-unrealistisch geworden ist, um so bestimmte Gags zu unterstützen. So erscheinen Andi und Eckat in einer Szene als Skelette, um das Warten auf die Entscheidung ihres Könichs zu verdeutlichen; in einer Szene nabelt sich Eckats obere Gesichtshälfte vom Rest des Körpers ab wie bei den Kanadiern in “South Park” und aus reiner Gewohnheit betätigt Eckat zudem nach der ersten Nacht auf freiem Feld nicht vorhandene Wohnungsutensilien wie Toilette, Zahnbürste oder Türen, untermalt mit den jeweiligen Geräuschen. Derartige Ausflüge ins konstruktionell-Zeichnerische wirken angesichts des ansonsten (gerade in Sachen technische Gerätschaften) penibel realistischen Stils erfrischend abwechslungsreich.
Ein Fakt kann “Gekotzt wird später” nicht verbergen: “Werner” ist schon lange kalter Kaffee und nicht einmal im mindesten mehr zeitgemäß. Wer wirklich noch beinharter Fan von Werner und seiner Bölkstoffgemeinde ist, der muss schon auf dem Frühneunziger-Retro-Trip sein oder der hat die letzten 15 Jahre verpennt. Davon aber mal abgesehen hat diese dritte Kinofortsetzung endlich mal von den teilweise fatalen Missgriffen der Vorgänger gelernt und vieles richtig gemacht, was bis dahin noch zu bemängeln war. Es wurde endlich ein Weg gefunden, die zu “Werner” einzig passende Episodenstruktur wiederzubeleben und doch zu 100 Prozent Zeichentrick zu bieten: Einfach mal die Story weglassen. So einfach ist des. Und zack, schon leben die Figuren ein wenig auf und machen die ganze Angelegenheit zumindest ganz ansehnlich. Jetzt noch Röhrich ein wenig besser in den Plot integrieren, noch ein paar etwas originellere Witze, und dann sind wir fast wieder auf dem Stand von 1990 angelangt.