„Die Vourdalak sind mit den materiellen Kreaturen verwachsen. Etwa wie die Noten mit dieser Musik.“
Den (mir unbekannten) Klassiker der Vampir-Literatur, Aleksey Tolstois „Die Familie des Wurdalak – Unveröffentlichtes Fragment eines Unbekannten“, hatte erstmals der italienische Meisterregisseur Mario Bava als Segment des Episodenfilms „Die drei Gesichter der Furcht“ in Kurzfilmform verfilmt. 1972 war es dann der mit Sandalenfilmen und Italo-Western, aber auch dem frühen italienischen Horrorfilm „Die Mühle der versteinerten Frauen“ in Erscheinung getretene Landsmann Giorgio Ferroni, der sich für seinen zweiten (und letzten) Horrorfilm erneut des Stoffes angenommen und ihn in Spielfilmlänge verfilmt hatte. Der Internationale Titel lautete „Night of the Devils“.
Nach einem Zusammenbruch wird der Handelsreisende Nicola (Gianni Garko, „Sartana“), der sich gerade in Jugoslawien aufhält, in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort wird er von den Ärzten an eine Maschine angeschlossen und erleidet wirre Träume und Visionen. Eine unbekannte Frau (Agostina Belli, „Ein schwarzer Tag für den Widder“) ist auf der Suche nach ihm, doch als sie endlich im Krankenhaus eintrifft, bricht er in Panik aus und muss ruhiggestellt werden. Als die Frau plötzlich wieder verschwunden ist und nur ihre leere Handtasche gefunden wird, setzen Nicolas Erinnerungen ein: In einem entlegenen Dorf in den Wäldern hatte er eine Autopanne, die ihn zur anscheinend einzigen Familie dort führte. Diese lebte in Angst vor Hexen und als Familienoberhaupt Gorca (Bill Vanders, „Nackt über Leichen“) losgezogen war, eine von ihnen zu töten, kehrte er als unmenschliches Monstrum zurück. Er wurde offenbar Opfer eines furchtbaren alten Fluchs…
Zu Beginn werden idyllische Bilder eines Wasserfalls vom hineinplatzenden verletzten und gehetzten Nicola jäh gebrochen, dessen Visionen im Krankenhaus in Form eines madenübersäten Totenschädels, einer nackten Frau und gut gelungenen, derben Splatter- und Gore-Szenen des Spezialeffektkünstlers Carlo Rambaldi visualisiert werden. Er wird im Krankenhaus behalten und noch weiß der Zuschauer nicht, wer er überhaupt ist – nur dass es sich um einen schwer traumatisierten, psychisch derangierten Mann handelt. In der Folge ist „Night of the Devils“ nur noch punktuell blutig und setzt vielmehr auf die Entfaltung seiner gruseligen, alptraumhaften Atmosphäre, wenn nach zwölf Minuten Nicolas Erinnerungen eine ausgedehnte Rückblende einleiten, die den eigentlichen Film ausmacht.
Ganz klassisch beginnt das Unheil mit einer Autopanne in einem rückständigen Gruseldorf, das hoffnungslos anachronistisch wirkt: Immerhin spielt Ferronis Film im Gegensatz zur Literaturvorlage in den 1970ern. Darauf weist abgesehen von Nicolas Gefährt und seiner Kleidung jedoch nichts hin, die Handlung könnte ebenso gut in einem vorherigen Jahrhundert spielen. Nicola wird nicht sonderlich freundlich empfangen, wie ein ungebetener Gast behandelt und mit viel Verschwiegenheit konfrontiert – noch kann er nur ahnen, dass eine große Last auf der bewusst zurückgezogen lebenden Familie liegt. Was er nach und nach erfährt, tut Stadtmensch Nicolas als gefährlichen Aberglauben ab, muss jedoch bald erkennen, dass er irrte. Angefreundet hat er sich mit der hübschen Tochter Sdenka, die er aus der Situation zu retten gedenkt, bis er selbst sie fürchten muss.
Die Szenen ab der Wiederkehr Gorcas sind meisterhaft gruselig und spannend gelungen; unruhig erwartet man als Zuschauer die Eskalation, von der man weiß, dass sie jederzeit eintreten kann. Wenn es dann soweit ist, entpuppen sich die Vampire als wesentlich dreckigere, unheilvollere Variante als die mondänen Vertreter anderer Blutsaugergeschichten, während dennoch eine morbide Poesie über allem schwebt – zu der auch Giorgio Gaslinis großartige getragene, melancholische Musik mit ihren Frauengesängen entscheidend beiträgt. Szenen wie die in der ein Vourdalak mit seinen Fingerstümpfen Blut an Nicolas Autoscheibe schmiert, setzen sich im Gedächtnis fest und besitzen neben anderen eine unangenehme Strahlkraft. Der eigentliche Showdown findet jedoch nach Ende der Rückblende statt, wenn man sich zusammen mit Nicola wieder im Krankenhaus befindet und die anfänglich unbekannte Schönheit nun als Sdenka identifiziert werden kann. Jedoch erscheint mir die abschließende Pointe etwas bemüht.
Davon aber einmal abgesehen zählt der durchgehend seriös geschauspielerte „Night of the Devils“ mühelos zu den hervorstechenden Genrevertretern des italienischen Horrorfilms der 1970er, der mit seiner Kombination aus düsterer Backwood-/Gothic-Atmosphäre trotz Ansiedlung in der Gegenwart, schmutzigen Masken und deftigen Spezialeffekten und seinem psychologischen Fundament bei mir bereits nach der Erstsichtung 7,5 von 10 Blutkonserven gutgeschrieben bekommt und seine ganze unheilige Pracht möglicherweise erst nach einer erneuten Sichtung entfaltet. Dass er eine Existenz als ewiger Geheimtipp fristet, dürfte vornehmlich mit seiner unzureichenden Auswertung zusammenhängen, so ist er z.B. leider nie deutsch synchronisiert worden. „Raro Video USA“ hat jedoch unlängst eine regionalcodefreie Blu-ray in fantastischer Qualität veröffentlicht, die u.a. deutsche Untertitel enthält, so dass hierzulande niemand zögern sollte, sich mit Ferronis Werk zu beschäftigen – es lohnt sich.