Wenn Menschen heutzutage zu Zombies mutieren, ist entweder eine nukleare Verseuchung, ein Kontakt mit außeriridischer Materie oder eine Virus-Pandemie schuld. In "White Zombie" von 1932, der geheimhin als der erste Zombie-Film überhaupt gilt, sind die schlurfenden Untoten allerdings noch das, was sie ursprünglich auch waren: Willenlose Sklaven, die durch einen (Voodoo-)Zauber gefügig gemacht wurden.
Und so verschlägt uns die Geschichte an den Ort, an dem der Zombie-Mythos seinen Ursprung fand - in den karibischen Inselstaat Haiti. Von 1915 bis 1934 hielten die USA das Land besetzt, es ist also kein Zufall, dass die Filmemacher den Zombie gerade in den Dreißiger Jahren für sich entdeckten. Aber zurück zur Ausganglage: Madeleine und Neil bereisen die Insel schließlich nicht, um sich vom Voodoo-Kult inspirieren zu lassen, sondern um sich ihren Traum von einer Südsee-Hochzeit zu erfüllen. Dabei besuchen sie ihren Freund Beaumont, der eine Plantage auf Haiti betreibt, auf dessen Grund und Boden die Trauung letztendlich auch vollzogen werden soll. Das Problem: Beaumont ist selbst in Madeleine verschossen. Der zwielichtige Murder Lengendre (Bela Lugosi) hat allerdings ein Patentrezept gegen zurückgewiesene Liebschaften. Mit einem Gift, das Beaumont Madeleine kurz vor dem Traualtar verabreicht, wird das Objekt der Begierde in den Scheintod versetzt, damit Legendre nachts darauf ihr Grabmal plündern und Madeleine in ein willenloses Geschöpf verwandeln kann.
Doch die Freude über den perfiden Plan hält bei Beaumont nicht lange an: Schnell muss er feststellen, dass ihm die seelenlose Madeleine nicht behagt. Von ihren leeren, starren Augen in die Verzweifelung getrieben, fleht er Legendre an, die Bann zu brechen. Doch der hat selbst seinen (nekrophilen?) Gefallen an Madeleine gefunden...
Victor Halperins "White Zombie" gilt heute als Meilenstein des Horror-Genres; dabei erzählt der Film in erster Linie eine Liebesgeschichte, in der Madge Bellamy alias Madeleine gleich von zwei Männern und einem fiesen Unhold begehrt wird. Wenn Beaumont bewusst wird, wie sehnsüchtig er das Funkeln in Madeleines Augen vermisst oder Neil sich in einer Bar nach dem vermeintlichen Ableben seiner Beinahe-Braut betrinkt und nach einigen Halluzinationen verzweifelt zusammenbricht, spielt der Streifen seine Stärken aus. Doch während die Tragik der Geschichte weitestgehend in das neue Jahrtausend hinübergerettet wurde, ist der Horror - aufgrund veränderter Sehgewohnheiten - etwas auf der Strecke geblieben. Was nicht heißt, dass "White Zombie" nicht seine gruseligen Momente hätte. Wenn die Kutsche von Neil und Madeleine durch die fast schon transsilvanisch anmutetende Insellandschaft braust und von Bela Lugosis eindringlich schauenden Augen verfolgt wird, ist das ein Gänsehautmoment. Einer, der so nachhaltig in dem kollektiven Filmgedächtnis verankert geblieben ist, dass er von Francis Ford Coppola in seiner 1992er Version von "Bram Stoker's Dracula" rezitiert wurde.
Aus heutiger Sicht jedoch ist "White Zombie" kein Film mehr, der für uringetränkte Hosen sorgt. Lugosis aufdringliche Performance hat einen gewissen Charme, bei der es bei einigen Zeitgenossen nach dem xten Close-Up auf seinen caligariesken Hypnose-Blick allerdings nur noch für ein müdes Lächeln reichen dürfte. Zumal seine Figur des Legendre durch die deutsche Synchronisation unnötig ins unfreiwillig Komische gerrückt wird: Während Legendre in der englischen Fassung einen frenmdartigen, aber stattlichen Eindruck hinterlässt, hat er in der deutschen Version eine krächzende Stimme verpasst bekommen, die eher nach Kehlkopfkrebs oder Mr. Krabbs aus Spongebob's Krossen Krabbe klingt. Lugosis synchrone Misshandlung ist zwar kein Einzelschicksal - auch die anderen Charaktere sind im deutschen Ton kaum zu ertragen - wiegt aber besonders schwer.
Nicht nur deshalb sei die englische Fassung ans Herz gelegt: Ständig dudeln sich irgendwelche Klänge aus dem Off in das Geschehen hinein, ein paar besonders penetrante Bongotrommeln versuchen kläglich, einen Grusel zu suggerieren, der partout nicht vorhanden ist. Die musikalische Untermalung aus dem Originalton trifft zwar auch nicht immer ins Schwarze - sie klingt vor allem in den Schlssszenen etwas arg fröhlich - hat aber einen entscheidenden Vorteil: Im Zweifelsfall wird die Musik einfach mal weglassen. Wie zum Beispiel in der Szene, in der Beaumont Legendre in seiner Zuckermühle, die von arbeitswilligen Zombies betrieben wird, aufsucht: Während die mitleiderregenden Diener durch das Halbdunkeln schlurfen, ist nur das Quietschen des Mühlrades zu hören, sonst nichts. Eine Szene, in der der Schrecken, den die Menschen damals verspürt haben, auch heute noch greifbar ist - die in der deutschen Fassung aber überhaupt nicht funktioniert.
Optisch hinterlässt "White Zombie" einen ambivalenten Eindruck. Einerseits merkt man dem Streifen die kurze Drehzeit von nur zwei Wochen an. Besonders das abrupte Ende des Showdowns wirkt etwas hilflos heruntergekurbelt. Gut möglich, dass hier aber auch die eine oder andere Szene fehlt. Die Best Entertainment-Fassung gibt eine Laufzeit von 67 Minuten an, andere Quellen berichten hingegen von sagenhaften 73 Umdrehungen. Andererseits hat "White Zombie" einige Stilmittel zu bieten, die man in einem Machwerk von 1932 wohl nicht erwartet hätte. Splitscreen- und Wischeffekte, raffinierte Schattenspiele und erste Point-Of-View-Shots haben dafür gesorgt, dass "White Zomibe" nicht nur aufgrund seines Inhalts eine filmhistorische Erwähnung verdient bekommen hat. Gerade im Zusammenspiel moderner und alter Techniken - der Film pflegt noch eine deutliche Nähe zum gerade erst abgelösten Stummfilm - erzielt "White Zombie" eine surreale Sogwirkung.
Fazit: "White Zombie" gehört zum Kanon des Horror-FIlms. Wer sich für Filmgeschichte interessiert, sollte einen Blick riskieren. Zumal der mittlerweile ohne Unkosten möglich ist - in den USA hat der Streifen mittlerweile Public-Domain-Status erlangt und ist frei im Netz verfügbar. Wer jedoch eine durchgehend fesselnde Geschichte sucht, darf sich woanders umschauen. Denn trotz seiner überschaubaren Dauer von nur etwas über einer Stunde, hat der Film aus heutiger Sicht definitiv seine Längen. Ein weiteres, schwierwiegendes Manko ist der atmosphärische Abfall gegen Ende. Was bleibt, ist eine Empfehlung mit Einschränkungen. (6,5/10)