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„Gib Gas - Ich will Spaß!"

Der Fluchtfahrer ist ein Archetyp des Actionkinos. Meist ist er ein wortkarger Einzelgänger mit eigenem Moralkodex. Sein Rausch ist nicht das Risiko halsbrecherischer Geschwindigkeiten, sondern die nüchterne Kontrolle extremer Situationen. Er ist kein hibbeliger Adrenalinjunkie oder Showman, sondern ein präziser Perfektionist. Er steht unverkennbar in der Tradition klassischer Western(anti)helden, mit modernen Heroen wie Ethan Hunt, Dom Terretto oder gar den unzähligen Superhelden verbindet ihn dagegen so gut wie nichts.  

Walter Hill hatte eine frühe Duftmarke gesetzt („The Driver", 1978) und Nicolas Winding Refn hat vor kurzem das Kunststück vollbracht, aus diesem Sujet ein außergewöhnliches 80er-Jahre-Hommage-Brett zu zimmern („Drive", 2011). Der Engländer Edgar Wright ist ähnlich film- und genreverliebt wie der Däne Refn, strickt daraus aber deutlich poppigeres und zugänglicheres Material. In seiner bereits kultisch verehrten Cornetto-Trilogie nahm er sich auf höchst vergnügliche Weise die Subgenres Zombiefilm („Shaun of the Dead", 2004), Buddy-Action („Hot Fuzz", 2007) und Alien-Invasion („The World´s End", 2013) zur Brust und bewies ein traumwandlerisch sicheres Gespür für die jeweils entscheidenden roten Knöpfe. Die hat er auch wieder bei „Baby Driver" gefunden und dabei ordentlich das Gaspedal durchgedrückt.

Tempo ist bei einem Raserfilm natürlich nicht die schlechteste Idee, aber Wright wäre nicht Wright, wenn das sein einziger Trumpf gewesen wäre. Der Soundtrack zum Film besteht aus über 30 Songs, nur dass diese Ansammlung zeitloser Jazz-, Blues-, und Pophits der 60er und 70er Jahre nicht in klassischer Manier die bewegten Bilder untermalen, begleiten, unterstützen, es verhält sich genau umgekehrt. Schnitt, Handlung und Inszenierung dienen gewissermaßen der Visualisierung der Songs, was „Baby Driver" - der Name stammt vom gleichnamigen „Simon & Garfunkel"-Hit von 1970 - zu einem höchst originellen Hybriden macht, nämlich dem ersten lupenreinen Action-Heist-Musical für die Kinoleinwand.

Ohne Frage braucht ein solches Konzept irgendeine halbwegs plausible, inhaltliche Prämisse. Die besteht darin, dass der jugendliche Titelheld unter einem Tinnitus leidet, den er mit dauernder MP3-Beschallung bekämpft. Davor macht er auch bei der Arbeit nicht halt, was seine „Kollegen" einigermaßen irritiert, denn als Fluchtwagenfahrer bei riskanten Raubüberfällen ist höchste Konzentration oberstes Gebot. Aber spätestens wenn „Baby" (Ansel Elgort) mit halsbrecherischer Geschwindigkeit und eiskalter Präzision die Verfolger abschüttelt, sind die rüden Fahrgäste zumindest vom Ergebnis überzeugt. Ohnehin gibt es lediglich maulige Widerrede, denn Gangsterboss und Heist-Mastermind „Doc" (Kevin Spacey) ist felsenfest von den fahrerischen Qualitäten seines einzigen Festangestellten überzeugt und macht seine Mitwirkung zur Bedingung.

Natürlich laufen die Dinge dennoch irgendwann aus dem Ruder, schließlich prallen hier dauerhaft die Egos gesetzesuntreuer Alphatiere aufeinander. Wright hat hier ein tolles Casting-Händchen bewiesen und sein kerniges Männertrio Jon Bernthal („The Walking Dead"), Jan Hamm („Mad Men") und Jamie Foxxx dankt es ihm mit fröhlichem Psychopathen-Gerangel. „Baby" und „Doc" bleiben lange Zeit cool und abgeklärt, aber eine süße Diner-Kellnerin (Lily James) und langfristige Geschäftsinteressen vertragen sich nicht mit der anziehenden Eskaltionsschraube.
Edgar Wright dreht dann auch genüßlich an letzterer, kann er doch so mal wieder sein Faible für die etwas derbere und härtere Gangart ausleben. Denn trotz des passenderweise babygesichtigen Hauptdarstellers ist Wrights langjähriges Herzensprojekt keineswegs auf ein jugendliches Publikum zugeschnitten, geschweige denn biedert er sich bei einem solchen an. Der Mann hat eine Vision und einen bestimmten Stil, beides verfolgt er gewohnt kompromisslos. Wer solch Geradlinigkeit schätzt, sitzt definitiv im richtigen Wagen. Das etwas in die Jahre gekommene Interieur stört dabei nicht im mindesten, versprochen.

Der Plot vom jugendlichen Bankräuber wider Willen und seinem Versuch dem kriminellen Sumpf doch noch irgendwie zu entrinnen ist beinahe so alt wie das Kino selbst. Auch ansonsten dringt der B-Movie-Charme aus allen Poren, aber genau daraus zieht „Baby Driver" seinen energetischen Schwung. Wright schneidet und inszeniert selbst die Actionsezenen und Autostunts im Rhythmus und Takt der Songs und schafft damit eine eigenständige Kunstform. Eine zu komplexe, dialoglastige Handlung würde dabei nur stören und vor allem bremsen. Und gebremst wird hier nur - wenn überhaupt - in allerletzter Sekunde. In Zeiten eines enorm formelhaften und vor allem mutlosen Mainstreamkinos gleicht Wrights Film einem beherzten Punch auf den Solar Plexus. Da kann einem schon mal kurz die Luft weg bleiben, aber wenigstens wird man auch mal wieder richtig wach gerüttelt. In der filmischen Wildnis gibt es noch einiges zu entdecken, also runter vom Blockbuster-Schaukelpferd und ab mit dem Mustang.

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