„Ohne Fleiß kein Preis"
Wenn sich ein erfolgsverwöhnter Blockbuster-Regisseur entschließ ein niedrig budgetiertes, für ihn untypisches Herzensprojekt zu verwirklichen, geht er ein doppeltes Risiko ein. Während das ihn verachtende Feuilleton schon die Messer wetzt, um auch seine künstlerischen Ambitionen genüßlich durch den Dreck zu ziehen und damit hofft, ihn endlich ins bis dato renitente Mark zu treffen, droht auch die Abstrafung durch die ihn ansonsten feiernden Zuschauermassen.
Roland Emmerich kann ein Lied davon singen. Sein spannender und stark gespielter Shakespeare-Thriller „Anonymus" konnte weder Kritik noch Publikum überzeugen. Obgleich dramaturgisch, narrativ und inszenatorisch sein ambitioniertester, wenn nicht bester Film, konnte er die vergleichsweise schmalen Produktionskosten von 30 Millionen Dollar nur etwa zur Hälfte wieder einspielen. Krawall-Kollege Michael Bay dürfte also gewarnt gewesen sein, als er sich nach 10 Jahren endlich entschloss sein Wunschprojekt „Pain & Gain" zu realisieren. Schließlich ist der „Transformers"-Macher bei der intellektuelleren Kritikerzunft ein noch ungleich größeres Haßobjekt als der immigrierte Schwabe Emmerich.
Auf den ersten Blick scheint er daher auch deutlich mehr auf Nummer sicher zu gehen. Trailer und Filmposter suggerieren eine launige Actionkomödie im Stil von Bays erstem Hit „Bad Boys". Wozu sonst sollte er die beiden muskelbepackten Testosteron-Alphatiere Mark Wahlberg und Dwayne „The Rock" Johnson in den Hauptrollen besetzen. Sogar in der ersten halben Stunde kann man diesem Irrtum bei oberflächlicher Betrachtung noch unterliegen. Danach aber offenbart sich immer mehr der rabenschwarze Anstrich der vermeintlich flockigen Actionsause.
Denn Wahlberg und Johnson mimen zwei grenzdebile Bodybuilder, die es endgültig Leid sind den Schönen und Reichen beim exklusiven Zelebrieren des „American Dream" zuzusehen und lediglich deren verschwitzte Handtücher entsorgen zu dürfen. Vor allem der sich in der Fitnessbranche mühsam hochackernde Daniel Lugo (Wahlberg) fühlt sich zu Höherem berufen und entwickelt daraufhin den absurden Plan einen seiner steinreichen Klienten - den Selfmade-Unternehmer Victor Kershaw (Tony „Monk" Shalhoub) - zu entführen und ihn dann dazu zu zwingen, sein komplettes Vermögen auf ihn zu überschreiben.
Als Komplizen rekrutiert er seinen unterbelichteten Trainingspartner Adrian Doorbal (Anthony Mackie), dessen elementare Sorge Daniels größere Muskelmasse ist. Das amateurhafte Verbrechertrio wird schließlich durch den soeben aus dem Knast entlassenen Paul Doyle (Johnson) komplettiert. Ähnlich wie Adrian kapituliert der ehemalige Alkohol- und Drogenjunkie irgendwann vor den maschinengewehrartig abgefeuerten Motivations-Phrasen Daniels und fordert auch sein Stück vom Wohlstandskuchen. Trotz mehrerer Pannen und Fehlschläge geht das schlampig geplante und dilettantisch durchgeführte Vorhaben zunächst auf, aber Dummheit und Gier sind eine fatale Kombination für sich möglichst unauffällig verhalten wollende Verbrecher ...
Das klingt nach absurder Komik und anfangs ist es auch genau das. Mit zunehmender Dauer häufen sich aber die makabren und düsteren Zwischentöne und machen einem menschenverachtenden Zynismus Platz, der die zunächst noch teilweise sympathisch gezeichneten Loser immer abstoßender erscheinen lässt. Wer jetzt reflexartig „typisch Bay!" schreit und sich an die ein oder andere geschmackliche Entgleisung v.a. in „Bad Boys II" erinnert fühlt, den wird der Umstand überraschen, dass das Ganze auf einer wahren Geschichte basiert, bei der insbesondere die unappetitlichen Details und grotesken Entgleisungen in der Realität teilweise sogar noch schlimmer ausgefallen waren.
Das gilt nicht nur für den mehrfach gescheiterten Versuch ihr nicht mehr benötigtes Entführungsopfer Victor mittels eines fingierten Autounfalls zu ermorden, sondern auch für das bewusste Aufbewahren silikonartiger Brustimplantate nach der Zerstückelung und Entsorgung „versehentlich" getöteter, weiterer potentieller Erpressungsopfer. Schließlich, so Adrian, könne man für medizinische Produkte auf dem Schwarzmarkt eine Menge Kohle bekommen.
„Pain & Gain" ist also eine bitterböse Farce auf die Verheißungen und Verlockungen des Amerikanischen Traums. Bays typische Hochglanzoptik und sein greller Inszenierungsstil passen hier wie die Faust aufs Auge. Er spielt damit zudem durchaus selbstironisch mit seiner Werbefilmer-Vergangenheit, bei der ja gerade der schöne Schein und die möglichst plakative und auf Überwältigung ausgerichtete Optik zu den unumstößlichen Zielvorgaben gehörten.
Äußerst gelungen ist auch die keineswegs irreale Darstellung des typisch amerikanischen Phänomens der Selbsthifegurus und Motivationstrainer. „Hangover"-Widerling Johnny Woo darf hier als Motivations-Papst Ken Jeong alle Schmierigkeits-Register ziehen und Daniel Lugo alias Mark Wahlberg in einem der satirischen Höhepunkte des Films zu einem ekstatischen und schreiend komischen „I´m a doer!"-Ausbruch vor versammelter Jüngerschar anstacheln.
Der überwiegend gallige Witz ist für Bay erstaunlich beißend und treffsicher und legt das egomanische Gefahrenpotential der kompromisslosen Selbstverwirklichung so deutlich wie schonungslos offen. Auch der in Amerika weit verbreitete Körperkult sowie der Primat von Äußerlichkeiten wird ordentlich torpediert. Leider rutschen ihm dabei immer wieder mal ein paar zotige und deutlich unter der Gürtellinie angesiedelte Kalauer durch, die hier wie humoristische Störfeuer wirken.
Was die satirische Wirkung gelegentlich ausbremst, ist zum einen das Problem, dass auch das Opfer Victor (Tony Shalhoub glänzt als arrogantes Unternehmer-Arschloch) äußerst unsympathisch gezeichnet ist und zum anderen, dass man bei der Bebilderung von Glitzer und Glamour die kritische Distanz gut auch übersehen bzw. fehldeuten kann. Man kennt dieses Phänomen aus primär anklagenden Kriegsfilmen, die sich aber dennoch häufig der schaurigen Faszination von Explosionen und Kampfgetümmel nicht vollends entziehen können.
Fazit:
Mit „Pain & Gain" liefert Hochglanz-Blockbuster-Regisseur Michael Bay eine erstaunlich bissige Breitseite auf die vermeintlichen Glückseligkeiten des „American Dream". Die vom Feuilleton berechenbar und pflichtschuldig abgelieferten Verrisse kann man getrost ignorieren, bietet der reflexartig Geschmähte hier doch deutlich abwechslungsreichere und vielschichtigere Kost als in seinen Brachial-Krachern. So ist die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte gespickt mit derben und makabren Episoden und schlägt einen erfreulich galligen Ton an. Mark Wahlberg und Dwayne Johnson glänzen dabei als debile Bodybuilder mit krimineller Energie und beweisen zum wiederholten Mal ihr Talent für das Komische.
Die eigentliche Überraschung ist aber der Wahrheitsgehalt dieser absurd-grotesken Krimi-Farce. Im Verbund mit den damit einhergehenden Brutalitäten bleibt einem das Lachen daher nicht selten im Halse stecken. Der nicht durchgängig stimmige Humor-Level sowie eine insgesamt zu undistanzierte Bebilderung der angeprangerten Verheißungen und Mechanismen trüben allerdings etwas den satirischen Spaß. Dennoch sehenswert, da teilweise erfrischend selbstironisch. Von Michael Bay war das so nicht unbedingt zu erwarten gewesen.