„Jubiläumsfahrt und Abschiedstour - die Enterprise auf Legendenkurs"
Abschied nehmen hieß es ja in der Star Trek-Familie schon öfters. Nach Einstellung der TV-Serie 1969 rechnete niemand mit einem Wiedersehen. Als 10 Jahre später die Enterprise die große Leinwand eroberte („Star Trek - Der Film" 1979), sollte dies ein einmaliges Abenteuer bleiben. Mit dem Tod des Fanlieblings Mr. Spock im dem dann doch realisierten Sequel („Star Trek II - Der Zorn des Kahn", 1982), schien ebenfalls ein passender, noch dazu hoch emotionaler Abschluss gefunden. Aber auch diesmal ging es weiter. Spock wurde wieder belebt („Star Trek III - Auf der Suche nach Mr. Spock", 1984), die beiden Stars Leonard Nimoy („Star Trek III" und "Star Trek IV", 1986) und William Shatner („Star Trek V - Am Rande des Universums", 1989) durften jeweils das Regiezepter schwingen und ehe man sich versah, steuerte man auf ein 25-jähriges Jubiläum zu.
Diesmal aber sollte nun wirklich und unwiderruflich Schluss sein. Der Zeitpunkt war ideal. Viele Stammcrew-Mitglieder visierten ihr sechstes Lebensjahrzehnt an, oder waren schon deutlich drüber (DeForest Kelley, James Doohan). Mit der im TV höchst erfolgreichen „Next Generation" stand eine beliebte und deutlich jüngere Mannschaft in den Startlöchern. Eine Staffelübergabe drängte sich also geradezu auf. Dazu galt es noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren. Nichts weniger als ein runder und würdiger Abgang sollte es werden für Kirk, Spock und Co., schließlich war der fünfte Teil bei Fans und Kritikern nicht sonderlich gut weg gekommen.
Es ist daher nur konsequent, dass man sich für das große Finale in vielerlei Hinsicht deutlich an „Star Trek II" orientierte, dem bis dato sowohl in „Trekkie"- wie auch in Kritikerkreisen meist geschätzten Star Trek-Film. Neben der Rückkehr von Regisseur Nicholas Meyer, wird dies insbesondere beim Handlungsgerüst und dessen Inszenierung deutlich. Der Humoranteil wird zugunsten einer auf Thrill und Spannung setzenden Atmosphäre zurück gefahren. Der Plot bedient sich auffällig bei anderen Genres (Polit- und Detektiv-Thriller bzw. Whodunit) und würde ohne weiteres auch außerhalb eines Science-Fiction-Szenarios funktionieren. Insgesamt also eine unverkennbar bodenständigere und realistischere Ausrichtung, die auf abstrakte oder gar phantastische Elemente gänzlich verzichtet. Die dem eigentlichen Genre zuzuschreibenden Komponenten beschränken sich dann auch lediglich auf die gängigen Raumschiff- und Weltraumszenen sowie außerirdische Spezies, die aber im Kern ein humanoides Aussehen haben (Klingonen, Romulaner) und vor allem ein typisch menschliches Verhalten an den Tag legen.
Worum geht es? Das klingonische Reich und damit dessen Macht scheint am Ende, als mit dem Mond Praxis ihre zentrale Energiequelle explodiert. Die angestrebten Friedensverhandlungen mit den Erzfeinden der Föderation sind daher weniger das Resultat eines durch neue Erkenntnisse entstandenen Mentalitätswandels, als vielmehr eine notwendige Überlebensstrategie. Auf Initiative Spocks, der den möglichen geschichtlichen Wendepunkt erkennt, wird die Enterprise unter Führung des wenig begeisterten Kirk als Geleitschutz für den klingonischen Kanzler auserkoren. Nach ersten gesellschaftlich-diplomatischen Annäherungen wird das klingonische Schiff plötzlich torpediert und durch zwei maskierte Attentäter gestürmt. Alles deutet darauf hin, dass die Attacke von der Enterprise ausging. Um Zeit zu gewinnen und die Klingonen zu besänftigen ergeben sich Captain Kirk und Dr. McCoy dem Gegner. In einem Schauprozess werden sie zu lebenslanger Haft verbannt und die Friedensverhandlungen drohen zu scheitern. Nun ist es an Spock und der Enterprise die wahren Hintergründe des offenbaren Komplotts aufzudecken, um Freunde und Frieden doch noch zu retten ...
„Star Trek VI" greift damit wie Teil II und IV zeitaktuelle gesellschafts-politische Themen auf und/oder bedient sich bei Sujet-fremden Genres, was die „geraden" Filme ebenso zu einer inhaltlichen Einheit macht wie die „ungeraden" I, III und V (die jeweils auf das Phantastische fokussieren und sich damit deutlicher der klassischen Science Fiction verpflichten). Der Zusammenbruch der Sowjetunion, der Fall der Berliner Mauer und das damit verbundene Ende des Kalten Krieges werden auf die Klingonen und ihre jahrzehntelange Auseinandersetzung mit der Föderation übertragen. Hier wie dort hinterlässt der sich anbahnende Frieden ein Vakuum bzw. eine Prioritätenverlagerung mit der keineswegs jeder - und zwar auf beiden Seiten - sich so einfach abzugeben bereit ist. In „Das unentdeckte Land" formiert sich daher eine Kontrahenten-übergreifende Fraktion an Unzufriedenen, die mittels einer groß angelegten und clever eingefädelten politischen Intrige den Friedensschluss zu sabotieren versuchen.
Nicholas Meyer versteht es geschickt, Elemente des Verschwörungs-Thrillers sowie des Täterhatz-Krimis mit aktuellen Geschehnissen zu verknüpfen und das alles stimmig in den Ensemble-fokussierten Star Trek-Kosmos einzubetten. Obwohl Captain Kirk erneut im Zentrum steht, vergisst Meyer nie den Teamgedanken und verschafft auch den übrigen Crew-Mitgliedern (v.a. Spock und McCoy) entscheidenden Anteil am Gelingen ihrer letzten gemeinsamen Mission. Die Darsteller danken es ihm mit einer äußerst spielfreudigen Teamleistung, die auch davon profitiert, dass sich alle sechs seit über 20 Jahren kennen und ihre Charaktere sowie deren Beziehungen untereinander durch und durch verinnerlicht haben. Ob das launige Dreiecksverhältnis zwischen dem impulsiven Charmeur Kirk, dem mürrisch-sarkastischen Nörgler McCoy und dem gelassen - zunehmend menschelnd - über den Dingen stehenden Logiker Spock, oder die mit wenigen treffenden Pinselstrichen herausgestellten Eigenheiten der übrigen vier (Scotty, Uhura, Chekov und Sulu), sämtlich spürt man tiefe Sympathie und Wertschätzung für die Figuren und das sowohl seitens der Schauspieler wie auch der Regie.
Natürlich gibt es auch eine Gegenseite, die den Helden ihre letzte Schlacht-Suppe versalzen will. Christopher Plummer (Klingonen-General Chang) und der spätere „Sex and the City"-Star Kim Cattrall (Lt. Valeris) zeigen sich dieser Herausforderung durchaus gewachsen. Trotz der mimisch einschränkenden Klingonenmaske und weniger Auftritte schafft es der gewohnt spielfreudige Plummer, General Chang eine herrlich süffisant-fiese Note zu verpassen und nach Khan den schillerndsten Bad Guy der Filmreihe zu erschaffen. Und wer, wenn nicht der theatererprobte Plummer könnte die zahlreichen Shakespeare Zitate Changs wie lässige Bonmots verkaufen. Cattrall meistert die undurchschaubare Vulkanierin in Diensten der Sternenflotte nicht minder nachhaltig, so dass Captain Kirk und seine Mannen sich endlich wieder mal mit sehr ernst zu nehmenden Gegnern herum schlagen müssen.
Trotz aller Ernsthaftigkeit bleibt aber immer noch Platz für den ein oder anderen humoristischen Schlenker. Vor allem die bereits von Regisseur Shatner im Vorgängerfilm noch einmal intensiver ausgebaute Dreiecksbeziehung zwischen Kirk, Spock und McCoy sorgt wiederholt für trockenen und treffenden Wortwitz und lockert die politisch motivierte Thrillerhandlung an den richtigen Stellen auf.
Ein Plus ist ganz sicher auch die Rückkehr der Effektschmiede ILM, die zwar aufgrund eines erneut relativ schmalen Budgets von $ 27 Millionen nicht mit der Science Fiction-Konkurrenz wie "Star Wars" oder "Aliens" mithalten kann, aber dennoch den in dieser Hinsicht recht schwachen Eindruck von „Star Trek V" spielend wieder revidiert.
Die Krönung, mindestens aber das Sahnehäubchen dieses in wirklich jeder Hinsicht gelungenen Trek-Abenteuers kommt dann wie es sich gehört zum Finale. In einem stimmungsvollen Schlussbild kommen die sechs Star Trek-Ikonen Kirk, Spock, McCoy, Uhura und Chekov (Sulu wird via Bildschirm als Captain der Excelsior zugeschaltet) auf der Brücke der Enterprise zusammen und setzen sich keck über den Einmottungsbefehl der Sternenflotte hinweg. Kirks letzter Befehl als Captain lautet: „Second star to the right and straight on till morning!" Ein direktes Zitat aus Peter Pan, das diesem den Weg ins Reich ewiger Kindheit weist. Einen passenderen und schöneren Abschied kann man sich für diese sieben Helden unzähliger Kinder und Jugendlicher nun wirklich nicht wünschen. Man ist versucht der entschwindenden Enterprise wehmütig hinterher zu winken und sie auf einer nie enden wollenden Reise zu begleiten. Ein magischer Kinomoment und das würdige Ende einer 25-jährigen Liebesbeziehung.