"Nobody does it better" - Der Spion, den alle wieder liebten"
Carly Simons Titelsong könnte nicht treffender sein für Roger Moores dritten Auftritt als berühmtester britischer Staatsbeamter. The Spy who loved me ist nicht nur der erklärte Lieblingsfilm des Hauptdarstellers, sondern gilt auch bei vielen Bondfans als Highlight der langlebigen Franchise. Dabei waren die Vorzeichen alles andere als rosig gewesen.
Als der 10. Leinwandauftritt des Gentleman Agenten die Kinokassen stürmte, galt James Bond vielen Kritikern und Feuilletonisten als marodes Auslaufmodell. Nach dem Megaerfolg Feuerball (1965) - bis heute inflationsbereinigt der kommerziell erfolgreichste Bondfilm - stellte sich eine gewisse Übersättigung beim zahlenden Publikum ein. Zwar spülten die Nachfolgefilme immer noch ordentlich Geld in die Taschen des Produzentenduos Broccoli/Saltzman, die Welle permanenter Gewinnsteigerungen war allerdings längst abgeebbt.
Nach dem (kommerziellen) Flop Im Geheimdienst ihrer Majestät (1969) - der australische Dressman George Lazenby fiel beim Publikum als Connery Nachfolger gnadenlos durch - hatte man zwar mit Hauptdarsteller Nr. drei ein glücklicheres Händchen bewiesen, produzierte aber mit Roger Moores zweitem Bondfilm prompt den bis dato künstlerischen Tiefpunkt der Serie. Der Mann mit dem goldenen Colt war ein weitestgehend langweiliger und uninspiriert heruntergekurbelter Agentenstreifen von der inzwischen arg ramponierten 007-Stange. Erstmals gingen harsche Kritikerschelte und ein enttäuschendes Kinoeinspiel Hand in Hand. Mitte der 1970er Jahre schien die Erfolgsverwöhnte Reihe damit endgültig am Ende.
In dieser verfahrenen Situation setze der inzwischen allein verantwortliche Albert „Cubby" Broccoli - sein Partner Harry Saltzman war wegen finanzieller Probleme ausgestiegen - gemäß dem Motto seiner Filmfirma EON-Productions alles auf eine Karte. „Everything Or Nothing" hieß das Motto für Bond 10. Entgegen dem vorherrschenden (Film-)Zeitgeist wollte er kein realistisches Agentendrama, sondern ein phantastisches Spektakel mit einer gehörigen Prise Humor und beeindruckenden Schauwerten servieren. Bond sollte sich wieder auf seine alten Stärken besinnen und das Publikum mit ausladenden Sets, exotischen Locations und aufwändigen Stunts in Staunen versetzen. Broccoli warf sein gesamtes Vermögen in die Wagschale, erhöhte das Budget und - gewann: Der Spion, der mich liebte schlug weltweit ein wie eine Bombe. Er spielte nicht nur das Doppelte seines Vorgängers ein, sondern übertrumpfte auch sämtliche Bondfilme seit Feuerball.
Ohne Frage ist The Spy who loved me ein ausgezeichneter 007-Film, der sich bis heute seinen zeitlosen Charme bewahrt hat. Wie Sean Connery mit Goldfinger gelang auch Roger Moore mit seinem dritten Auftritt sein Meisterstück. Hier stimmt einfach alles. Ob Pre-Title-Sequence, Titelsong, Locations, Bondgirl, Henchman, Schurke, Gadgets oder Set Design - überall spielt Bond Nr. 10 in der Franchise Champions League.
Die Auftaktsequenz ist die bis heute berühmteste und beste der ganzen Serie. Rick Sylvesters Sprung ist zweifellos einer der gefährlichsten und spektakulärsten Stunts der Filmgeschichte. Nach einer von Willy Bogner rasant inszenierten Skiverfolgung rast Bond über eine steile Klippe und stürzt in die Tiefe. Erst nach mehreren Hundert Metern freier Fall öffnet sich ein Fallschirm. Der besondere Gag: Er hat die Farben des Union Jack. Durch diesen genialen Einfall erhält die an sich schon fantastische Szene ihren krönenden Abschluss und trifft gekonnt den selbstironischen Grundton der Bondfilme. Nach einer von Titeldesigner Maurice Binder perfekt inszenierten Überleitung ertönt Carly Simons wunderbar sanfter Titeltrack „Nobody does it better". Selten begann ein Bondfilm stimmiger.
Zwar klingt der Plot wie ein Potpourri aus dem Bondbaukasten und hat erstmals mit der Flemingschen Buchvorlage lediglich den Titel gemein (der Autor hatte sich seinerzeit vertraglich zusichern lassen, dass der seiner Ansicht nach schlechteste Bondroman nicht verfilmt wurde). Das fertige Produkt wirkt allerdings erstaunlich frisch und ungeheuer unterhaltsam.
Natürlich gibt es wieder einen größenwahnsinnigen Superverbrecher mit Allmachtsphantasien. Dieser wird allerdings von Curd Jürgens mit einer gelassenen Bösartigkeit dargestellt, die einige seiner illustren Vorgänger (und Nachfolger) mühelos in den Schatten stellt. Trotz seiner insgesamt relativ geringen Screentime gehört der wahnsinnige Reeder Carl Stromberg zusammen mit Auric Goldfinger, Emilio Largo und Max Zorin m.E. zu den eindrucksvollsten und interessantesten Bondschurken. Dazu trägt nicht zuletzt der wahnwitzige Plan bei, die Erde durch einen provozierten Atomkrieg zu zerstören, um eine neue Zivilisation in den Tiefen der Ozeane zu erschaffen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Strombergs Supertanker Liparus, der ganze U-Boote verschlucken kann.
Was ein echter Bonschurke ist, der beschäftigt für diverse Alltagsprobleme natürlich bevorzugt ausgewiesene Spezialisten. Bereits 1977 hatte die Bondserie eine eindrucksvolle Ahnenreihe illustrer Handlanger des Bösen produziert. Neben dem schwulen Killerpärchen Mr. Wint und Mr. Kidd (Diamantenfieber) hatte es vor allem der koreanische Hutmörder und Golfball-Zerquetscher „Oddjob" (Goldfinger) zu Kultstar-Ehren gebracht. Auch hier setzte der 10. Bondfilm neue Maßstäbe. Broccoli engagierte den 2,18-Meter-Hühnen Richard Kiel als Strombergs Mann fürs Grobe. Ganz in der Tradition seiner Vorgänger hatte er viel Spass bei der Arbeit, die er natürlich auf möglichst unkonventionelle Art erledigte. Gleich seinem berühmten Namensvetter „Jaws" (Der weiße Hai) tötete er bevorzugt mit dem blanken Gebiss. Dieser geniale Wortspiel-Gag ging bei dem deutschen Namen „Beißer" allerdings leider verloren. Ob „Beißer" oder „Jaws", das Publikum war jedenfalls so begeistert von dem Mann mit dem Stahlgebiss, dass er auch im Folgefilm Moonraker (1979) sein Unwesen treiben durfte.
Selbstverständlich kann Bond bei seiner erneuten Weltenrettung auch wieder auf diverse Wunderwaffen aus Qs Werkstatt vertrauen. Für die Jubiläumsmission musste allerdings schon etwas mehr her als die üblichen multifunktionalen Armbanduhren. Nach dem silbergrauen Aston Martin DB5 hat The Spy who loved me sicherlich das berühmteste Gadget der Bondgeschichte vorzuweisen: einen weißen Lotus Esprit. Der schnittige Sportwagen behält aber nicht nur die üblichen Raffinessen für die alltägliche Autoverfolgungsjagd bereit, sondern lässt sich darüber hinaus mit ein paar Knopfdrücken in ein voll funktionsfähiges U-Boot verwandeln. Natürlich mitsamt Torpedos und Unterwasserbomben. Der enorme Erfolg dieses „Dienstwagens" bescherte vor allem der Spielzeugindustrie traumhafte Absätze. 1977 gab es kaum einen Weihnachtsbaum unter dem kein Lotus lag.
Überhaupt war „Eyecatching" das Erfolgsrezept für Bonds 10. Mission. Der Film bietet mit Schnee, Wüste und Wasser so viel Natur-Kontraste wie keiner seiner Vorgänger. Besonders beeindruckend sind die Aufnahmen von Ägypten. So „besucht" Bond bei der Aufdeckung von Strombergs Machenschaften u.a. die weltberühmten Pyramiden von Giseh, den Tempel von Ramses II. in Luxor sowie die Ruinen von Karnak. Natürlich dürfen auch ein Abstecher nach Kairo und eine Kahnfahrt auf dem Nil nicht fehlen. Dagegen wirken die Szenen auf der wunderschönen Mittelmeerinsel Sardinien fast schon gewöhnlich.
Neben diesen touristischen Highlights hat der Film vor allem beim Setdesign neue Maßstäbe gesetzt. Ken Adams Kulissen und Entwürfe gehören zu den besten seiner Karriere. Vor allem mit dem Design von Strombergs Unterwasserfestung „Atlantis" hat sich der mehrfache Oscarpreisträger selbst übertroffen. Im Unterschied zu früheren Bondfilmen arbeitete er sowohl für die futuristische Außenkonstruktion, wie auch für das mondäne Interieur ausschließlich mir runden Formen und fließenden Linien. Form und Inhalt (bei Stromberg dreht sich alles um Wasser) gehen hier eine perfekte Symbiose ein.
Bei der Gestaltung des Innenlebens der Liparus stieß Adam erstmals an Grenzen. Weltweit gab es kein Filmstudio und keine Halle, die den Bauch des U-Boot- fressenden Tankers hätten doubeln können. Getreu seiner Maxime „Alles oder Nichts" ließ Broccoli auf dem englischen Pinewood Gelände kurzerhand eine neue Halle nach Adams Vorstellungen bauen. Die über 1 Million Dollar teure „007-Stage" war 103 Meter lang, 43 Meter breit, 12 Meter hoch und konnte zusätzlich geflutet werden (Fassungsvermögen: 300.000 Liter). Die schiere Größe brachte allerdings wieder neue Probleme. Kameramann Claude Renoir (Enkel des berühmten Malers) könnte die Halle nicht ausleuchten. Zudem hatte Adam riesige glänzend Chromflächen verwendet, die zu ungewünschten Spiegeleffekten führten. In dieser Notlage ließ Adam heimlich seinen Freund Stanley Kubrick ans Set kommen. Der Meisterregisseur war ein ausgewiesener Experte für die Ausleuchtung schwieriger Sets. Kubrick verbrachte einen vollen Tag in der „007-Stage" und löste das Problem mit Hilfe von Flutlichtanlagen.
Ähnlich schwierig gestaltete sich die Besetzung der weiblichen Hauptrolle. Erst nach 6 Monaten war mit dem amerikanischen Model Barbara Bach Bondgirl Nr. 10 gefunden. Die Ehefrau des Beatles Ringo Starr brachte die für die sowjetische Agentin Anja Amasova nötige Mischung aus Exotik und Unnahbarkeit mit. Die attraktive Bach ist dabei keineswegs bloßes Anhängsel des Helden, sondern läutete eine neue Ära der Bond-Gespielinnen ein. Major Amasova ist intelligent, gewitzt, schlagfertig, absolut selbständig und trotz ihrer unverkennbaren weiblichen Reize keinesfalls auf diese beschränkt um zum Ziel zu kommen. Selbst erfolgreiche Geheimagentin, ist sie Bond durchaus ebenbürtig, wenn auch mit der Einschränkung, dass sie am Ende dann doch wieder von ihm gerettet werden muss.
Marvin Hamlish (Oscarpreisträger für Der Clou) schrieb einen phantastischen Soundtrack (mitsamt Carly Simons Titelhit), der der von Hauskomponisten John Barry geprägten Bondmusik einen neuen, frischeren Anstrich verpasste. So gab es des öfteren elektronische Klänge zu hören und auch das berühmte James Bond-Thema kam als „Bond 77" zu wummernden E-Gitarren-Ehren.
Selbstredend ging die „ernsthafte" Kritik vor allem in Europa wieder einmal hart mit Bond ins Gericht. Trotz oder gerade wegen des phänomenalen Kassenerfolgs hagelte es hämische und verächtliche Bemerkungen. Von Kaperletheater, über Zynismus bis zum Comicstrip wurde das Füllhorn des Spotts über dem Film ausgegossen. Natürlich wurde auch die bis heute gespielte Platte des nicht mehr zeitgemäßen Helden aufgelegt. Das alles schien Broccoli nicht sonderlich zu interessieren, schließlich war auch Goldfinger von den Feuilletonisten verrissen worden. Geärgert hat er sich nur über den - nicht ganz unberechtigten - Vorwurf, The Spy who loved me sei lediglich ein wenig originelles Remake von You only live twice (1967). Das mag stimmen, doch in diesem Fall ist der „Aufguss" um Längen besser als das langatmige und uninspirierte Original.
Fazit:
Der 10. Bondfilm The Spy who loved me ist einer der besten der langlebigen Franchise und markiert ohne Zweifel den Höhepunkt von Roger Moores 007-Karriere. Wie Sean Connery gelang ihm mit seinem dritten Auftritt das Meisterstück. Ähnlich Goldfinger ist auch Der Spion der mich liebte ein Film wie aus einem Guss, Unterhaltungskino par excellence. Hier passt einfach alles. Angefangen mit der bis heute spektakulärsten Pre-Title-Sequence der ganzen Serie, über einen phantastischen Titelsong bis hin zu traumhaften Locations und Kulissen. Oscarpreisträger und Bondveteran Ken Adam lieferte hier seine formschönsten und beeindruckendsten Entwürfe und Bauten. Der unterwassertaugliche Lotus Esprit und der „Stahl-Gebissige" Jaws haben Filmgeschichte geschrieben. Curd Jürgens gibt einen wunderbar boshaften wie größenwahnsinnigen Superverbrecher und Roger Moore hatte endlich seinen - humorvoll-ironischen - Bond-Ton gefunden.
Der erstmals allein produzierende Cubby Broccoli hatte alles auf eine Karte gesetzt und gewonnen. Der riesige globale Erfolg rettete die seit den späten 1960er Jahren schwächelnde Bondreihe vor dem Aus und etablierte 007 erneut als Genreprimus. Oder um mit Carly Simons Worten zu schließen: „Nobody does it better - makes us feel sad for the rest."
(10/10 Punkten für den 10. Bondfilm)