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Back to the Roots! Hitchcock kehrte 1972 pompös zu seinen Ursprüngen zurück - sowohl filmisch als auch persönlich gesehen. 22 Jahre lang hatte er in den USA verweilt, und dort einige der größten Filme aller Zeiten gedreht. Schon längst drehte Hitchcock nicht mehr so fix wie früher. Man sah ihm und seiner Frau das fortgeschrittene Alter deutlich an. Und auch seine letzten beiden Filme, "Topaz" und "Der zerrissene Vorhang" waren nicht gerade die Lieblinge der Kritik. Da wandte sich Hitchcock von Hollywood ab - und ging zurück nach London.

Ron Goodwins "Frenzy Main Theme" erschallt jubilierend, als der Film mit seinen ersten Bildern - eine Helikopterfahrt über die Themse - beginnt. "Frenzy" ist der beste Film aus Hitchcocks Spätwerk, das letzte typisch-Hitchcock'sche Triumphieren. Ironisch, brutal, schwarzhumorig, clever, die Grenzen des Kinos auslotend. Zu einer Zeit, in der Hitchcock bereits über 50 Filmprojekte abgeschlossen hatte, war der Meister der Suspense noch bereit, Risiken und neue Wagnisse einzugehen. Zwar geht es in der Inszenierung von "Frenzy" auch darum, den Zuschauer emotional und inhaltlich so stark wie möglich zu manipulieren, jedoch nutzt Hitchcock hier meisterlich die eigene Imagination des Zuschauers aus, um noch mehr Schrecken auf die Leinwand zu projizieren.

Im Mittelpunkt "Frenzy"s steht der Barkeeper Richard Blaney (Jon Finch), dessen Leben bisher nach dem eines Losers ausschaut. Blaney ist geschieden, hat nie Geld und hat zu aller Überfluss auch gerade seinen Job verloren. Nur seine Freundin und Kollegin Babs (Anna Massey) ist auf seiner Seite, als er die Quittierung seiner Anstellung in der Bar knirschend hinnehmen muss. Gute Ratschläge und eine Option auf eine Unterkunft bekommt Blaney auch von dem befreundeten Obsthändler Bob Rusk (Barry Foster). Dennoch flüchtet sich Blaney erst einmal zu seiner Ex-Frau Brenda (Barbara Leigh-Hunt), die ihm ein Abendessen im Restaurant spendiert. Blaney, völlig pleite, muss am Abend in der schäbigen Herberge der Heilsarmee unterkommen. Am nächsten Nachmittag ist Brenda tot, erwürgt von dem in London umhergehenden Krawattenmörder, der seine weiblichen Opfer zunächst bis aufs Brutalste vergewaltigt, und schließlich stranguliert - und Blaney ist nicht nur mit einer vollen Brieftasche und Babs auf dem Weg in ein kostspieliges Hotel, sondern er wurde auch zur Tatzeit in der Nähe von Brendas Büro gesehen.

Doch Hitchcock hätte nie einen "Whodunit" inszeniert, er zeigt uns, wer der Mörder Brendas ist. Blaneys vermeintlicher Freund Rusk hat das furchtbare Verbrechen begangen. Und so haben wir es schon einmal mit einer interessanten Charakterkonstellation zu tun: Blaney, der Loser, der ungehobelte Choleriker, der schlecht gekleidete Prolet ist zwar Held des Films, und ohne Frage unschuldig, ist uns aber nicht unbedingt sympathisch, während der sympathisch-verschmitzte, ironische, gebildete Rusk eindeutig seine Sympathisanten hat. Natürlich ist die Polizei sehr schnell hinter Blaney her - die Indizien sprechen ja gegen ihn. Ein Hauptteil der Handlung besteht darin, wie Blaney versucht vor der Polizei zu fliehen, und jeglichen Verdächtigungen aus dem Weg zu gehen - jedoch verstrickt er sich immer mehr in der Falle - und wird schließlich sogar geschnappt...

Bei dem Mord an Barbara Leigh-Hunt montiert Hitchcock wieder einmal eine schnelle, mit vielen Schnitten versehene Schocksequenz zusammen, die in ihrer drastischen Deutlichkeit und offenen Brutalität sehr dem ersten Mord unter der Dusche in "Psycho" gleicht. Hitchcock inszenierte diese erste Mordsequenz deshalb so grausam, um sich bei der zweiten Schandtat Rusks eines neuen, viel cleveren Tricks zu bedienen. Hier beobachten wir aus einer hohen, unwirklichen Position im Treppenhaus, wie Rusk und sein zukünftiges Opfer die Treppen zu seiner Wohnung gehen. Rusk öffnet seine Tür, gesteht, dass die eintretende Dame "genau sein Typ sei", und schließt wieder hinter sich ab. Da der Zuschauer genau weiss, welch schreckliche Tat nun folgt, geht Hitchcock gar nicht erst auf die unerfreulichen Details ein, sondern lässt die Kamera sich aus dem Treppenhaus langsam entfernen, hinaus aus auf dem Marktplatz mit direktem Blick auf das Haus - dem Tatort des Grauens. Während dieser durchgängigen Fahrt (der kleine Schnitt ist nur mit einem geübten Auge wahrnehmbar) spielt sich der zweite Mord in der Imagination des Zuschauers ab. Und viel abscheulicher als das, was in unseren Hirnen abläuft, könnte ein von Hitchcock inszenierter Mord gar nicht sein.

Solche Tricks benutzt Hitchcock hier andauernd. Man denke an die völlig bewegungslose und inhaltslose Kameraeinstellung auf den Hauseingang von Brendas Büro, nachdem ihre Sekretärin gerade eingetreten ist. Die Kamera harrt sekundenlang auf den Eigang, ohne das etwas passiert. Doch der Zuschauer weiss genau, was gleich geschehen wird, und genau dies macht diese Konstellation zu reizvoll. Es ist der typische Hitchcock-Trick, der den Zuschauer zum Komplizen des Verbrechers macht, mit ins Vertrauen zieht, denn: Wir wissen in diesem Moment, dass die Sekräterin oben angekommen die erwürgte Leiche ihrer Chefin vorfinden wird. Daher warten wir nur auf den lauten Schrei, der bis auf die Straße hin zu hören sein wird.

Der ganze Film ist ein letztes Austoben Hitchcocks. Manche Szenen lässt er durch seine Darsteller improvisieren, manche realisiert er mit seiner typischen Storyboardkontrolle. Er beeinflusst unsere Gedanken und unsere inneren Sympathien für die einzelnen Figuren, die auftauchen. Er verknüpft äußerst brutale Szenen mit komischem Slapstickhumor (die berühmte Szene, in der Rusk auf dem Kartoffellader nach einer Stecknadel bei einer Leiche sucht), legt falsche Fährten und kitzelt dann das Höchstmaß an Spannung in dem tollen Finale heraus. "Frenzy" ist der letzte, wirklich gute, wirklich große Film des Meisters. "Frenzy" wird sein britisches Vermächtnis an die Filmwelt sein. God saves Hitchcock!

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