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"The Emperor Waltz", einer von Billy Wilders unbekanntesten Filmen, wenig geschätzt vom eigenen Regisseur, wenig geschätzt von Kritik und Publikum, mit dem Etikett 'schmaltzy' belegt, in seinen filmischen Mitteln schon zum Entstehungszeitpunkt etwas altbacken, ist letztlich doch ein wenig besser als sein Ruf - und auch etwas bösartiger, als der nicht unberechtigte 'schmaltzy'-Hinweis wohl vermuten lässt...
Gegenüber dem ebenfalls 1948 veröffentlichten "A Foreign Affair" - zweifelsohne der bessere Wilder - musste "The Emperor Waltz" jedenfalls den Kürzeren ziehen. "A Foreign Affair" war Wilders Umsetzung der Eindrücke, die er 1945 als Offizier in Berlin gesammelt hatte, das er 12 Jahre zuvor als Jude noch verlassen musste; eine durchaus zynische Satire, bei der die deutschen Zuschauer angesichts des Stichworts 'Gas' schon mal zusammenzucken mussten.
Der wenige Monate zuvor in die Kinos gelangte "The Emperor Waltz" widmet sich hingegen dem Wien unter Franz Joseph I., der in dem Jahr, als Wilder mit seiner Familie nach Wien zog, bereits verstarb. Aus eigenen Erfahrungen schöpft Wilder hier eher weniger, die hierarchische Autorität des Kaisers dürfte Wilder aber auch 1916 und später noch mitbekommen haben, von einem im Wien des frühen 20. Jahrhunderts brodelnden Antisemitismus mal ganz zu schweigen. Beides schlägt sich - unterschiedlich gewichtet - in  "The Emperor Waltz" nieder, dabei den typischen Wilder-Touch versprühend...

Bing Crosby reist [Achtung: Spoiler!] als bodenständiger Handelsvertreter Virgil Smith nach Wien, wo er seine Grammophon-Apparate zu verkaufen gedenkt, und versucht zu diesem Zweck bei Kaiser Franz Joseph eine Audienz gewährt zu bekommen. Am selben Tage sind auch die verwitwete Gräfin Johanna von Stolzenberg-Stolzenberg (Joan Fontaine) und ihr mehr oder weniger in schlechten Ruf geratener Vater Baron Holenia unter den Geladenen: Doch nicht um diesen zu tadeln ließ man sie kommen, wie die Gräfin zunächst befürchtet, sondern um eine Hochzeit zwischen ihrer Pudeldame und dem kaiserlich-königlichen Köter seiner Majestät zu arrangieren, damit ein paar hübsch reinrassige Nachfolger gesichert sind. (Dass Holenia zunächst annimmt, seiner Tochter werden ein Heiratsangebot gemacht und nicht ihrer Pudeldame, sorgt als Missverständnis dabei für eine heitere Note.) Derweil verhält sich Smith - der auf den ungewohnt gebohnerten Fussböden schonmal ins Rutschen gerät - derartig ungezwungen, dass er sehr schnell hinausgeworfen wird.
Als von Stolzenberg-Stolzenberg und Baron Holenia den Kaiser verlassen, kreuzen sich ihre Wege mit Virgil Smith, dessen Hund - den er gerne schonmal vor sein Grammophon stellt, um das His Master's Voice Logo nachzustellen - von der Pudeldame gebissen wird, was für Smith Grund genug ist, der Gräfin nachzustellen, sie bei ihr daheim aufzusuchen und zumindest eine Entschuldigung, wenn nicht gar ein Gesundheitsattest der Hündin einzufordern. Prompt weißt die Dame des Hauses in seine Schranken: sein Straßenköter habe sich zu nah an die Pudeldame mit bestem Stammbaum herangewagt, da habe er es schon selbst darauf angelegt, gebissen zu werden - blaues Blut und rotes Blut, so das Fazit, seien schließlich zweierlei. Dass sich diese Beziehung zwischen den Hunden auf der Ebene des Menschlichen wiederholt, ist dabei nicht zu übersehen: spätestens wenn Smith sich während des Klassenunterschieds-Monologs der Gräfin an diese heranwagt und ihr einen intensiven Kuss verpasst, wird diese parallele Geschichte zwischen Hunden und Menschen überdeutlich markiert.
Bis hierhin ist der Film eine Rückblende: Zwei adelige Damen der feinen Gesellschaft berichten sich am kaiserlichen Hofe von diesen unerhörten Vorfällen, als Smith kurz zuvor unter den Gästen aufgetaucht ist und die Gräfin geküsst hat. Eine zweite Anekdote folgt sogleich und sorgt für die zweite - größere - Rückblende: Smith wandert samt Hund durchs Gebirge, als er erneut auf Gräfin, Baron und Pudeldame trifft: erneut fetzen sich die Hunde, erneut empört sich die Gräfin, erneut zeigt sich Smith sehr unbeeindruckt und auf ganz eigene Weise empört und erneut macht er der Gräfin Avancen - und erklärt ihr ganz nebenbei, dass er dem Kaiser bei einem Ausflug durchs Gebirge sein Grammophon vorzuführen gedenke.
Da die Pudeldame nach diesem Treffen plötzlich Verhaltensstörungen an den Tag legt und der Tierarzt der Gräfin empfiehlt, den Hund erneut mit der Ursache seiner Angst zu konfrontieren, suchen Gräfin und Hund Smith in seiner Unterkunft auf: Smith verkuppelt die Hunde - nicht zuletzt mittels schmalziger Liebeslieder - und verführt nebenbei auch gleich die von Stolzenberg-Stolzenberg.
Tage später, als der Kaiser der Jagd frönt und tatsächlich Smiths Grammophon im Wald ertönt und einen stattlichen Hirsch verjagt, kann sich - als alles ausschwärmt um die störende Blaskapelle dingfest zu machen - Smith mit der Hilfe der Gräfin gerade noch aus der Affäre ziehen, indem er sein Grammophon als Konfitüre-Maschine ausgibt. Dabei kommt es erneut zum großen Flirt und fortan ist die Gräfin - wie auch die Pudeldame - hin- und hergerissen zwischen den antrainierten Regeln der Etikette und dem aufbrausenden Gefühlsleben.
Dann schließlich will die Gräfin Smith heiraten und Smith will sie heiraten: Doch bei einer erneuten Audienz beim Kaiser, bei der Smith tatsächlich bis zu ihm vorstößt, überredet dieser - im Privatleben höchst ungezwungen und kumpelhaft auftretend, von den Regeln und Gepflogenheiten seines Standes reichlich genervt und von Smiths ungezwungener Art recht beeindruckt - ihn dazu, auf die Gräfin zu verzichten. Denn immer wenn eine Adelige aus Liebe unter ihrem Stand geheiratet habe und sich damit jede Rückkehr in ihr bisheriges Lebens ruiniert habe, sei ihr Schicksal stets ein Tragisches gewesen - Smith und von Stolzenberg-Stolzenberg hätten nur eine Chance von eins zu einer Million, glücklich zu werden. Smith kapituliert, kann das Grammophon gewinnbringend verkaufen und tritt gegenüber der Gräfin als gefühlskalter Geschäftsmann auf, der sie ausgenutzt habe um das große Geld zu machen - in der Hoffnung, ihr seinen Rückzug dadurch langfristig zu erleichtern.

Hier endet die zweite Rückblende: wir sind wieder bei den lästernden Adelsdamen und Wilder lässt Smith und Gräfin folgen, die fernab vom Trubel der Feierlichkeiten miteinander streiten. Smith will seinen an Liebeskummer leidenden Hund nochmals mit der Pudeldame konfrontieren: Doch diese wird jeden Augenblick entbinden. Smith samt Hund verfolgen das große Ereignis unbemerkt durch die Fenster, der Kaiser wartet ausserhalb und nur die Gräfin, Baron Holenia und Tierarzt Dr. Zwieback samt Assistenz wohnen der Geburt der Welpen bei - und ganz offenbar ist Smiths Straßenköter der Vater der Kinder, weshalb der Baron dem Kaiser die Nachricht einer dreifachen Totgeburt überbringt. Die Welpen sollen auf seinen Befehl hin im Waschbecken ersäuft werden, was Smith in letzter Sekunde verhindern kann.
Empört sprengt er daraufhin die Feierlichkeiten und konfrontiert den Kaiser vor versammelter feiner Gesellschaft mit den Welpen und die Gräfin mit dem Hinweis, der sie nur auf den Rat des Kaiser verlassen habe. Der Baron bekommt sein Donnerwetter zu hören, Smith und die Gräfin bekommen ihren Segen vom Kaiser, dieser bekommt zu seiner vollsten Zufriedenheit die Welpen (zugleich quasi das lebende Argument für eine dauerhafte Beziehung zwischen Smith und von Stolzenberg-Stolzenberg), die Gräfin verzeiht Smith sein Verhalten, Smith verzeiht dem Kaiser, dass er einen großen Knall habe und alles tanzt und singt sich in den Abspann.

Man mag es dem Film letztlich als vorsichtig-feige Nachlässigkeit ankreiden, dass er den vergötterten, erhabenen Kaiser zwar schon seicht und leicht aufs Korn nimmt, ihn dabei aber bloß als durch und durch sympathischen Menschenfreund präsentiert, als kauzigen Alten, der dem einfachen Mann insgeheim viel näher steht als seinesgleichen: etwas antiautoritärer geraten, wäre der Film insgesamt sicher etwas konsequenter gewesen.
Dennoch nimmt die Verurteilung überheblichen Klassendenkens, welches von Wilder oft und gern der Lächerlichkeit preisgegeben wird, großen Raum ein, wenn auch immer recht simpel und naiv gestrickt. Doch dadurch, dass das Beziehungsdrama auf die Hunde übertragen wird, welche hier für Herrchen und Frauchen stehen - weshalb die Mischlinge, an denen sich der Kaiser dennoch erfreuen kann, am Ende auch dazu führen, dass er der Eheschließung seinen Segen gibt -, gesellt sich zur Klassenfrage auch die Rassenfrage: und wenn Smith Baron Holenia anfährt, dieser würde Leben auslöschen weil es nicht seinem hohen Ideal von Reinrassigkeit entspräche, dann mag das schon die eine oder andere Assoziation erwecken. Dass es hier bloß um Hundeleben geht, dass bloß der Adel der k.u.k. Monarchie die Täter verkörpert, sorgt für eine Distanz, die diese Assoziationen wieder etwas mildert - und tatsächlich hat man den Film in erster Linie nicht als bösartig, sondern als 'schmaltzy' wahrgenommen. Dennoch greift Wilder hier nicht ausschließlich hierarchisch-autoritäre Ordnungen, sondern auch gleich eine antisemitische Stimmung auf, die im Wien um 1900 anzutreffen war und die er selbst ab 1916 in Wien beobachten konnte und im Berlin des Jahres 1933 in gesteigerter Form erlebte, bevor er in die USA flüchtete. [Es scheint fast so, als habe Wilder hier eine gerade Linie vom Wiener Antisemitismus um 1900 bis zum Holocaust gezogen, wenn er das Ersäufen von Welpen aus Gründen mangelnder Reinrassigkeit ins Spiel bringt - auch wenn Antisemitismus an keiner Stelle ein Thema des Films ist. Charakteristisch ist es sicherlich auch, dass der Amerikaner die edelste Figur des Films sein dürfte, obwohl oder weil er zugleich die ungehobelteste ist: Hier rechnet Wilder, der um seine Existenz bangen und in die USA fliehen musste, mit der ehemaligen Heimat bzw. den ehemaligen Heimaten ab.]
Diese durchaus etwas schmalzige Liebesgeschichte in relativ opulenter Ausstattung, deren Handlungsverlauf schon einige Elemente von Wilders späteren Meisterwerken "The Apartment" (1960) oder "Irma la Douce" (1963) enthält, weist also in Ansätzen durchaus schon den bösen, manchmal geradezu zynischen Witz von Wilders besten Komödien auf.

Die Inszenierung bleibt dagegen allerdings reichlich belanglos: eine oftmals ausgesprochen statische Kameraarbeit, eine unauffällige - in diesem Punkt auch gelungene - Montage rücken voll und ganz die Ausstattung und die Darsteller in den Mittelpunkt des Interesses: letztere bekommen alle ihre kleinen großen Szenen - selbst der Chauffeur bekommt seine kurze Tanznummer -, Ausstattung und Drehorte sorgen nahezu ständig für die oft attestierte Schmalzigkeit. Sattgrüne Wälder unter hellblauem Himmel vor schneeweißen Bergspitzen während der Ausflugsszenen, in orange Farben getauchte Innenräume in eisigen, dunkelblauen Winternächten während der Rahmenhandlung, schöne Gewänder und schmucke Uniformen - all das macht einen hübsch kitschigen Eindruck, der durch Musik und Tanz und schmachtende Blicke noch unterstützt wird.
Musik und Tanzeinlagen dieses in der Nähe des Musicals angesiedelten Films stehen dabei weitestgehend im Dienst der Handlung und sind durch diese nahezu immer motiviert: Wilder, der gerade diesen Filmen später nicht mehr schätzte und sich auch vom Filmmusical generell distanzierte, weil sich da die Gesangsnummern unmotiviert ereignen würden, hat diesen Nummern durchaus schon eine Motivation verpasst: Der Amerikaner singt beim Wandern in den Alpen um den Echo-Effekt zu testen, der seinen Gesang begleitet, er singt um angeblich die Hunde einander näher zu bringen, tatsächlich jedoch auch die Gräfin zu verführen, er singt als er sich bei einer Jagd nach den entrissenen Hunden quasi aus der Not heraus als Gondoliere betätigen muss... und es jodeln die Alpenbewohner nahezu ausnahmslos, Wilder treibt hier ein Stereotyp ironisch auf die Spitze. Tanz findet im Rahmen der Feierlichkeiten statt ohne ausgereizt zu werden... und einzig die Tanznummer des Chauffeurs und einer Wirtin - eine Reaktion auf den Gesang Smiths - wirkt tatsächlich vollkommen motivationslos, ist aber so stark komödiantisch überzogen, dass man schon von einer Parodie auf Strukturen des US-Musicals der Zeit sprechen kann. Wilders Aversion gegenüber dieser Gattung schlägt sich hier durchaus schon nieder.
Das alles trägt zu einem durchaus soliden Eindruck bei, ist aber 1948 keineswegs innovativ: Man braucht nur Welles "Macbeth", Powell und Pressburgers "The Red Shoes" oder Ophüls "Letter from an Unknown Woman" desselben Jahres dagegenzuhalten, um zu erkennen, wie konventionell und uninspiriert die Inszenierung doch wirkt.

So bleibt eine nette Liebeskomödie mit vorhandenen inhaltlichen Ambitionen, die formal ziemlich bieder bleibt. Ganz sicher keiner von Wilders besten Filmen, aber auch kein peinlicher Ausrutscher. 6,5/10.

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