Das Team Powell/Pressburger ist Cineasten ein Begriff fast schon Synonym mit dem legendären Farbverfahren "Technicolor", dessen Betonung des Primären für die Idee "Kino" so nachhaltig war, daß sich Dario Argento noch Ende der Siebziger dazu hinreißen ließ, der von Herbert Kalmus entwickelten Technik mit "Suspiria" ein nachdrückliches Denkmal zu setzen.
In "Black Narcissus" sind die starken Farben zwar nicht so ausgespielt, unterstützen aber eine Story, die einerseits so märchenhaft simpel und mitreißend ist und andererseits so hintergründig brodelnd, daß man hier vielleicht sogar vom Meisterwerk dieses Regieteams sprechen darf, natürlich ohne "The Red Shoes" zu vergessen (und Powell allein schrieb danach mit "Peeping Tom" überhaupt Filmgeschichte). Das dänische Filminstitut meinte, "die Schwarze Narzisse erblüht wie eine Art Mischung aus Heftroman und Freudscher Abhandlung über sexuelle Hysterie bei Frauen" und das hat was.
Deborah Kerr spielt eine Nonne, die von ihrem Orden dazu abkommndiert wird, am A**** des Himalaya ein Kloster einzurichten, in einem windigen Palast (in jeder Hinsicht), der früher einmal als Serail für den Obermotz der Region gedient hat, wie deutliche Wandmalereien bestätigen. Dafür werden von der "Ehrwürdigen Mutter" eine Handvoll Schwestern ausgewählt, die weder zusammenpassen noch
untereinander sonderlich grün sind. Doch wie es bei Organisationen dieser Art so ist, sind oft genau diese Kriterien der Unterschiedlichkeit der Grund für die Wahl...und für die letztendliche Katastrophe. Die Frauen werfen sich jedoch mit der Verve der viktorianischen (rein zeitlich eher edwardianischen) Britin in ihre Aufgaben, mehr oder weniger unterstützt von einem skurrilen Faktotum weiblichen Geschlechts, daß sich zu den Zeiten zurücksehnt, als die Frauen hier noch nicht ganz so bekleidet waren, in innerer wie äußerer Hinsicht, und dem zynischen Ortsaufseher der englischen Regierung, der im Ort am Fuß des nunmehrigen Klosters lebt und meist in unbeschreiblichen Zuständen der Entkleidung herumtanzt (trotz nahezu dauerndem Wind, der auch wesentlich zur ungemütlichen Atmosphäre des Klosters beiträgt, zumal es keine Fenster zu geben scheint). Das Kloster selbst ist übrigens eine gelungene Studiozimmermannsarbeit und der anfängliche Schwenk aus der "Luft" präsentiert ein reizendes Beispiel von Nachkriegsmodelltechnik, ist aber wirklich charmant. Die Kulissen wirken bisweilen übrigens wie Märchenillustrationen in einer Buchausgabe des frühen 19. Jahrhunderts.
Um zum Film zurückzukommen: mit der Zeit wird merkbar, wie jede der Schwestern in dieser Einöde mit der klaren, stürmischen Luft auf sich selbst zurückgeworfen und von ihren Dämonen heimgesucht wird. Auch Schwester Clodagh (Kerr), die "Mutter Oberin", wird schmerzhaft mit ihrer alten Liebesgeschichte konfrontiert, schafft es aber als einzige, ihre Fassung zu bewahren.
Dazu kommt die Anwesenheit von Mr. Dean, dem Engländer, der natürlich diese reine Frauengesellschaft ein bißchen in Wallung bringt und zuguterletzt der Auslöser für die finale Katastrophe herhalten muß. Eine der Schwestern, die gebildete Schwester Ruth (wunderbar exaltiert von der bezaubernden Kathleen Byron verkörpert), wurde nämlich erwählt, weil sie "krank" sei und außerdem nicht einfach im Umgang - sozusagen als ein Korrektiv für Clodagh. Die Art der Krankheit wird nicht angesprochen, man nimmt eine physische solche an, doch im Laufe der Geschehnisse erhärtet sich der Verdacht, es wäre zumindest auch ein psychisches Leiden, das aus den fiebrigen, fanatischen Augen Ruths spricht.
Was deren Dämonen auch sein mögen, wir erfahren es nicht, doch müssen sie wahrlich bösartige sein, denn Ruth projiziert eine verschlingende Liebe auf den widerspenstigen Mr. Dean, der sich seinerseits mehr zu Clodagh hingezogen fühlt, zwischendurch aber, als Ruth aus dem Kloster flüchtet, um ihm ihre Liebe zu gestehen, mit zerfallender Coiffure meint, er liebe niemanden (was auch nicht so ganz stimmt, denn er hat sich offenbar selbst vergessen). Ruth ist diese Zuneigung zu ihrer erkorenen Rivalin natürlich nicht entgangen und nun verfällt sie in einer wunderbaren Szene - die Kamera nimmt ihre Perspektive ein, das Bild verschwimmt Technicolor-rot und sie geifert im Voiceover "Sissster Ccclodagh, Sissster Ccclodagh!!!" - in eine Eifersuchtspsychose und will Clodagh umbringen. Dies gelingt ihr hingegen nicht, sie selbst stürzt in die himalayische Tiefe, die sie für ihre vermeintliche Feindin ausersehen hat.
Dies gibt den Ausschlag für die anderen, dieser Gegend - entehrt und auch rangmäßig degradiert - den Rücken zu kehren und somit Mr. Deans Prophezeiung zu erfüllen, er gäbe ihnen "until the rains start", nach der Erfahrung einer Bruderschaft, die zuvor vermeinte dort ein Mönchskloster einzurichten, aber ebenfalls an der Landschaft und ihrer Eigenheit, die Menschen zu ihren innersten Tiefen zu führen, scheiterten.
Ein bißchen "Dornenvögel" ist schon da drin und es ist, wie man so schön sagt, "größer als das Leben". Doch das ist es ja genau, was gutes Kino ausmacht: die Farben müssen grell sein, die Emotionen mit Händen zu greifen. Meist ist jedoch das Problem, daß nicht mehr dahinter ist, doch Powell und Preßburger bzw. auch die Autorin der Romanvorlage, Rumer Godden, schaffen es vorzüglich, Tiefgang in ihrer Liebes- und Haßgeschichte zu bewahren. Schwester Clodagh ist die einzige, die die Enttäuschungen ihres vorklösterlichen Lebens ansprechen kann und somit auch den Versuchungen ihrer Wünsche widerstehen.
Widerstanden haben die Autoren auch, aus dem Sujet eine lächerliche Liebesgeschichte eben à la Dornenvögel zu machen, denn es bleibt realistischerweise jeder in seiner Welt gefangen. Mr. Dean als zynischer weißer Massa, Schwester Clodagh als büßende Nonne.
"Black Narcissus" ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Form und Inhalt ideal ergänzen, wie Emotionen förmlich dargestellt werden können. Kurz lodern die Begehrlichkeiten auf, so enthoben vom Alltag, von der Welt, wie sich das Leben dort gestaltet, doch letztendlich kann die harte Hülle der jeweiligen seelischen Schutzschicht der Protagonisten nicht durchbrochen werden. Zum Glück, denn in dem einen Fall, wo es tatsächlich geschieht, sind Wahnsinn und Haß die Folge. Ein trauriges Stück, mitreißend und bewegend, über dessen Manierismen man mehr als einmal lachen kann, ohne daß daran der Film insgesamt Schaden nimmt. Powell und Pressburger haben großes Kino gemacht und es ist Schade, daß dieses Werk nur sehr selten zur Aufführung kommt, obwohl es sich vom Format her sogar sehr gut für das Fernsehen eignen würde, da der Film im Academy Format gedreht wurde und mit dem Bildformat 1,37:1 noch gut auf die nach wie vor dominanten 4:3 Bildschirme passen würde.
Warum er nicht häufiger ausgestrahlt wird? Die Antwort trägt wie so oft der Wind fort...