Review

"Frischer (Karriereherbst-)Wind"

Steter Tropfen höhlt den Stein. Ist der Stein etwas voluminöser, kann das auch mal eine ganze Weile dauern. Im Falle von Actionstar Steven Seagal sprechen wir dabei sogar von Jahren. Eine gefühlte Ewigkeit mussten seine Fans darben, bis sich der einst als legitimer Thronfolger der 80er-Heroen Stallone und Schwarzenegger gefeierte Aikidomeister aus dem Sumpf belangloser und unmotiviert hingeschluderter DTV-Produktionen befreite und ihrem Flehen nach guter alter Actionkost endlich doch noch Gehör schenkte.

Noch vor Jahresfrist musste man sich als Teil dieser ebenso treuen wie leidgeplagten Anhängerschaft wohl oder übel mit folgendem Szenario abfinden: Die seinerzeit lediglich als solide B-Produktionen wahrgenommenen Frühwerke ihres Idols stellen eindeutig dessen Karrierehöhepunkt da. Streifen wie Nico, Hard to Kill oder Deadly Revenge genießen inzwischen nicht nur unter Seagal-Jüngern Kultstatus und erinnern wehmütig an eine Zeit, als das Actionkino noch launig, geradlinig, kompromisslos und unterhaltsam daherkam. Nach einem letzten Aufbäumen mit Exit Wounds verschwand der da schon angenockte Kampfsportvirtuose von der Kinoleinwand und belieferte fortan die Videotheken mit vornehmlich in Osteuropa produziertem Action-Fast Food. Die Qualität dieser Fließbandware sank dabei direkt proportional zum stetig anwachsenden Körperumfang der einstigen Genreikone.

Vor diesem düsteren Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass viele Actionjunkies den properen Steven längst abgeschrieben hatten. Das war möglicherweise allerdings etwas vorschnell, scheint sich der so schnöde Verschmähte im zarten Alter von knapp 60 Jahren ganz überraschend doch noch seiner Wurzeln zu besinnen und damit - ganz nach dem Vorbild von Haudrauf-Kollege Stallone - sich und seinem Publikum einen versöhnlichen Karriereabend bescheren zu wollen.
Jedenfalls liefert er uns mit A dangerous man nach Driven to kill und The Keeper bereits den dritten mehr als brauchbaren Knaller in Folge. Eine solch qualitative Konstanz gab es im Seagal-Universum seit den frühen 90ern nicht mehr. Qualität bedeutet hier, dass Steven wieder erfreulich häufig selbst Hand bzw. Faust anlegt und seinen unnachahmlichen Kampfstil nicht von irgendeinem Bodydouble oder nervigen Lichtgeschwindigkeitsschnitten versauen lässt. Er wirkt dabei zudem erheblich motivierter, fitter und spielfreudiger als in der DTV-Vergangenheit. Auch ein moderater Rückgang seiner Leibesfülle scheint beobachtbar. Qualität bedeutet auch, dass zahlreiche gepfefferte Shootouts die simple Handlung ordentlich aufpeppen. Explosionen wurden nicht mehr digital hineinkopiert und auch das unsägliche Stock Footage ist glücklicherweise offenbar Geschichte. Und Qualität bedeutet schließlich auch die Abkehr vom tristen Ostblockcharme. Man dreht wieder auf amerikanischen Boden, was Setting und Schauwerte erheblich aufwertet.

Will man rummäkeln, bietet sich eigentlich nur die Story an, welche diesmal unnötig verworren daherkommt. So gerät unser Steven in ein reichlich unübersichtliches Figurenknäuel aus rivalisierenden chinesischen Gangstern, russischen Mafiosi und korrupten Polizisten. Warum sich der zu Unrecht verurteilte ehemalige Special Forces Agent nach 6 Jahren Haft zuliebe einer zufällig im Kofferraum vorgefundenen Asiaschönheit mit diesem ganzen Gesindel anlegt, dürfte eines der großen Geheimnisse des Drehbuchs bleiben. Auch die obligatorische Sexszene mit einer bestenfalls halb so alten dafür aber ganz nackten Gespielin wirkt reichlich deplaziert.
Sei's drum. Wenn unser Held dermaßen beherzt zur überaus rabiaten Sache geht, sollte man sich nicht mit solchen Nebensächlichkeiten wie mangelnder Glaubwürdigkeit oder Nachvollziehbarkeit belasten. Regisseur Waxman inszenierte jedenfalls schnörkellos und adrenalinhaltig genug, um die genannten Scriptschwächen recht mühelos kaschieren zu können. Wie schon bei ihrer ersten Kooperation (The Keeper) überzeugen Waxman und Seagal als perfekt aufeinander abgestimmtes Team. Der Regisseur weiß, wie er seinen Star in Szene setzen muss und der lange lustlos agierende Moppelklopper dankt es ihm mit beherzten Reminiszenzen an seine frühen Galaauftritte als menschliche Waffe.

Bleibt zu hoffen, dass Stevens später Frühling kein laues Lüftchen bleibt, sondern sich zu einer ordentlichen Brise auswächst. Im kommenden Robert Rodriguez-Spektakel Machete hat er sich sogar einen Leinwandauftritt erprügelt. Vielleicht dürfen wir ihn ja doch noch mal in einer Kinohauptrolle bewundern. Seiner eingeschworenen Fangemeinde wäre es zu wünschen. Schließlich haben sie den vor sich hindümpelnden Actionstar auf seine alten Tage doch noch weichgeklopft und zu nicht mehr erwarteten Höchstleistungen angespornt.

(6/10 Punkten für „normale" B-Action-Freunde; 8/10 Punkten für Seagalisten)

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