Uwe Boll, dem ich die Fähigkeit Filme zu drehen schon vor Jahren absprach, mausert sich allmählich zu einem Ressigeur, der mir ans Herz wächst. Nach der Sichtung von "Siegburg" und "Rampage" bin ich auch von "Dafur - Der vergessene Krieg" sehr angetan - auch wenn hier noch mehr Luft nach oben gewesen wäre...
Boll schickt ein Journalisten-Team (u.a. Billy Zane, Kristanna Loken, Edward Furlong) in den Sudan, um den Völkermord an der schwarzafrikanischen Bevölkerung durch arabische Milizen in Interviews und Fotos festzuhalten. Sie besuchen ein bisher unzerstörtes Dorf auf. Als sich herausstellt, dass die Janjaweed (nein, keine neue Grassorte, sondern die arabischen Milizen) auf dem Weg zum Dorf sind, stellen sie sich wohl alle die schwierigste Entscheidung ihres Lebens: Wegfahren mit der Gewissheit, dass das ganze Dorf ausgelöscht wird oder dazubleiben, den Schwanz nicht einzurollen und ihre "westliche" Präsenz zeigen, in der Hoffnung, dass dieses eine mal dieses Dorf verschont wird.
Schon vorab: Während die ganze Menschheit sich den Kopf über den Irak-/ oder Afganisthan-Krieg zerbricht, darf man Uwe Boll die Hand schütteln, dass er ein bis heute andauerndes, viel größeres Verbrechen verfilmt hat, dass kaum Beachtung findet - weder in der Presse oder bei den Weltmachten. Zugegeben, ich wusste vor dem Anschauen nichts über Darfur, bzw. in was für einem Land es überhaupt liegt (Schande über mich). Aber nach dem Anschauen, bzw. nachdem ich das Gesehene erstmal verdaut habe, habe ich mich mal über diesen Darfur-Konflikt schlau gemacht. Und nicht mehr oder weniger wollte Boll erreichen: Dass sich so Waldgaukler und Fallensteller wie ich sich mit diesem Thema auseinandersetzen, dass die "schlimmste, humanitäre Katastrophe der Welt" seit 2003 über 400.000 Menschen das Leben gekostet hat (darunter auch viele Vergewaltigungen und Kindermorde, absichtliches Anstecken mit der Krankheit Aids), und 2,5 Mio Menschen auf der Flucht sind.
Dabei fängt alles so ruhig an. Fast dokumentarisch folgt man dem Journalisten-Team ins Dorf, bei dem die Bevölkerung Ihrem täglichen Leben nachgeht. Dies wirkt erst einmal total langatmig, zudem kommt die Tatsache, dass der GANZE Film mit Handkamera gedreht wurde, um möglichst authentisch zu bleiben. OK, das ist Boll´s Stil-Mittel, aber es strengt die Augen wirklich an nicht zu hyperventilieren. Dafür bekommen die Ohren die richtigen Schmachtfetzen ab: Der Soundtrack bietet eine runde Palette über Afrika, 50-Mann-Orchester und "König-der-Löwen"-Hymnen, dass es akkustisch eine wahre Pracht ist, dem Teil einfach nur zuzuhören.
Nachdem die Fronten geklärt sind, (und das wissen wir nach der Anfangs-Sequenz), wird diese Nerven strapazierende "Wackel-Kamera" unser bester Freund: Frauen werden vergewaltigt, Kinder erschossen, Babies verbrannt etc., und nicht alles im Off - aber auch alles nicht zum reinen Selbstzweck. Man kann behaupten, dass Boll den schmalen Grad gefunden hat, auch wenn es vielleicht eine Vergewaltigung weniger auch getan hätte.
"Darfur" ist radikal, aufwühlend und brutal, dass man nach dem Abspann sich ganz alleine auf der Welt fühlt, natürlich mit dem passenden Schlag mitten ins Fressbrett.
Der einzige Kritikpunkt (neben der nicht auszuhaltenden Hand-Kamera) ist der Verlauf am Schluss. Denn auch, wenn ich mir einen Mann wie John Rambo herbeiwünschte (und es ist kein Witz: Nach "Darfur" hab ich mir direkt "John Rambo" angeschaut), sind Journalisten eben keine ausgebildeten Soldaten, die mit Pistolen dutzende mit Kalaschnikow-bewaffnete Araber über den Haufen schießen.
"Darfur" kann man ohne zu Übertreiben auf dem selben Level wie "Der Pianist" oder "Hotel Ruanda" erwähnen, auch wenn diese Filme andere Ziele verfolgen.
9/10