Mit „The Crow“ schuf Alex Proyas eine zum Kultfilm avancierte Rächerstory, die unter Fans mittlerweile einen einzigartigen Status besitzt. Nicht zuletzt wegen des tragischen Tods, der bis heute nicht einwandfrei geklärt worden ist, Brandon Lees während der Dreharbeiten. Vier Jahre musste man auf Proyas nächsten Film warten. Das könnte einerseits für seine sorgfältige Vorbereitung (immerhin schrieb er auch hier das Script selbst), anderseits aber auch für einen fehlenden finanzkräftigen Produzenten sprechen. „Dark City“ ist nämlich alles andere als leichte Kost und musste als finanziell herber Flop verbucht werden – was nichts über die Qualität des Films aussagt.
Mit diesem Film ist Proyas „erwachsen“ geworden, präsentiert einen wesentlich intelligenteren Plot, bleibt aber seiner düsteren Optik treu. Sich stilistisch im Film Noir bewegend sind eine ganze Menge Ideen zu finden, die später in der „Matrix“ – Franchise wieder zu finden sind. Zwischen Neo und John Murdoch (Rufus Sewell) gibt es genau so viele Parallelen, wie zwischen den Plotmotiven, sowie den „Fremden“ und den Agenten der Matrix. Dies soll aber kein Vergleich der beiden für sich interessanten Film werden, obwohl fast identisch übernommene Szenen so was zulassen würden.
John Murdoch befindet sich in einer amerikanischen Großstadt, in der eine ewige Nacht vorherrscht. Kein Mensch kann sich erinnern wie er die Stadt verlassen kann, noch wann er das letzte Mal Tageslicht gesehen hat. In einer Badewanne aufwachend muss er seinen Gedächtnisverlust feststellen, wird durch einen Anruf von nahendem Unheil bewahrt und flieht schließlich vor geheimnisvollen Fremden in schwarzen Mänteln. Philosophisch angehaucht zieht er nun, auf der Suche nach seiner Identität, durch die Stadt und muss schon bald feststellen, dass die Polizei ihn für einen Serienmörder hält. Doch auch geheimnisvolle Gestalten, scheinbar mit Superkräften ausgestattet, trachten ihm nach dem Leben. Diese Wesen halten Punkt 12 jeden Tag die Zeit für ein paar Minuten an, um das menschliche „Sein“ zu analysieren. Sie wollen wissen, was den Menschen einzigartig macht und lassen sich dabei von Dr. Daniel Schreber (Kiefer Sutherland) helfen, der zwar seine Identität behalten darf, dafür allerdings seine eigene Vergangenheit gedanklich löschen musste.
So folgen wir der Odyssee Murdochs, der nach Antworten sucht. Warum wird er, zusammen mit den restlichen Bewohnern, wie in einem Versuchslabor gehalten, was hat es mit dem mysteriösen Doktor, der ihn immer wieder zur Seite steht, auf sich und welchen seiner eigenen Gedanken und bruchstückhaften Kindheitserinnerungen kann er noch trauen? Fragen nach dem „Sein“ und dem Sinn des Lebens werden genauso aufgeworfen, wie religiöse Motive zum Einsatz kommen. Obwohl der Zuschauer stets mehr als der Held, sofern man denn von einem schreiben kann, weiß, bleibt die Spannung, nicht zuletzt wegen der faszinierenden, visuellen Kraft, aufrecht. Hier ist nicht von belang was, sondern wie es passieren wird.
Über allem steht die beeindruckende Optik, der man, trotz häufigem Einsatz von CGI, sein schmales Budget nicht ansieht. Die Bildkompositionen strahlen puren Pessimismus und Hoffnungslosigkeit aus. Eine Flucht aus dieser Welt scheint aussichtslos. Schon allein deswegen, weil niemand mehr weiß, wo sie überhaupt herkommen – von der Erde.
Auch schauspielerisch gibt sich „Dark City“ keine Blöße. Rufus Sewell watet durch ein Meer von Gefühlen und entwickelt sich von einem ängstlichen, paranoiden Opferlamm zu einem ambitionierten Gegner des Systems, welches er mit deren Mitteln schlagen will. William Hurt scheint in seiner Inspektorrolle nahezu perfekt besetzt, so dass ich mir noch etwas mehr Präsenz gewünscht hätte. Kiefer Sutherland darf als Handlanger der „Fremden“ nach einem schauspielerischen Tief Mitte der 90er endlich mal wieder schauspielerische Klasse zeigen, während Jennifer Connelly keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, ihre Rolle jedoch emotionell und routiniert spielt.
Ein Manko hat „Dark City“ dennoch und das ist das Ende, dass den so intelligenten Rest des Films schon ein wenig beleidigt. Die finale Effektschlacht gegen den Anführer der „Fremden“ ist zwar optisch lecker, jedoch ohne weiteren Nährwert. Ein Bad-End oder ein philosophisches wären hier förderlicher gewesen.
Fazit:
„Dark City“ ist ein viel zu unbeachtetes Kleinod unter den intelligenten Science-Fiction-Filmen. Mit seiner dichten, surrealistischen Atmosphäre, dem unvergesslichen, sich am Film Noir orientierenden, Stil und dem überaus intelligenten Plot bleibt Proyas Vision ein Film für die intelligentere Zuschauergattung, die nicht alles häppchenweise vorgekaut haben möchte und auch gern mal selbst mitdenkt. Die wenigen CGI-Tricks fügen sich dabei in die Handlung ein und hinterlassen keinen plakativen Eindruck. Hätte man dabei den Schluss ebenfalls entsprechend umgesetzt, stünde einem Meisterwerk nicht mehr im Wege.