Teutonenthrill
Deutsches Thrillerkino geht nicht? Vielleicht. Deutsches Thrillerkino ging nie? Bestimmt nicht. In den mittleren und späten 1980er Jahren traute man sich vom piefigen Bildschirm ein ums andere Mal auf die große Leinwand und feierte damit teilweise erstaunliche Erfolge. Interessanterweise war daran immer derselbe Hauptdarsteller beteiligt, ein Mann der bereits in den 1960er Jahren zum Leinwandstar aufgestiegen war und später dann auch im deutschen Fernsehen durchstartete: Götz George (1). Auf der anderen Seite gab es aber auch eine Reihe versierter Regisseure, die sich noch trauten Genrekino zu machen und das auch finanziert bekamen. Vor allem wenn sie sich ihre Meriten in bundesdeutschen Kriminalformaten wie „Der Fahnder" oder dem „Tatort" verdient hatten, wie Dominik Graf.
Die Kombination George-Graf sprach also für langjährige und kompetente Thriller-Erfahrung (2), so dass man auf ihre erste Zusammenarbeit mehr als gespannt sein durfte. Und tatsächlich gehört das Endresultat zu den erfreulichsten Vertretern des so gerne belächelten deutschen Nachkriegsfilms. Der Heist-Thriller „Die Katze" ist ein packendes und atemloses Stück Spannungskino, stark besetzt, toll gespielt und von Graf mit feinem Gespür für die Mechanismen des Genres inszeniert. 1,3 Millionen Kinobesucher sahen das ähnlich und verwiesen dabei u.a. einen gewissen Bruce Willis in „Die hard" auf die Plätze.
Eine der großen Stärken des Films ist es, dass Graf erst gar nicht versucht die übermächtige Hollywood-Konkurrenz zu kopieren, sondern ein Szenario und Figuren erschafft, die fest im bundesdeutschen Alltag verankert sind. Weder Polizei noch Gangster entsprechen den gängigen US-Klischees vom Draufgänger mit Waffe und Schnodderschnautze. Graf setzt mehr auf psychologische Verwicklungen und Motive, dreht aber im entscheidenden Augenblick höchst effektiv an der Eskaltionsschraube, was ihn wiederum von der häufig zu betulichen und sperrigen Herangehensweise deutscher TV-Formate unterscheidet. Auch verfällt er nicht in deren häufige Unart sich in schwafeligen und gestelzten Dialogen zu verlieren, die nicht nur der Spannung, sondern auch der Realitätsnähe ordentlich im Weg stehen. Sein Stil ist also weder dem einen noch dem anderen Lager zuzuordnen, was viel zum frischen und eigenständigen Eindruck des Films beiträgt.
Dabei ist die Ausgangslage durchaus eine gängige. So beginnt der Film mit einem beinahe klassischen Banküberfall mitsamt Geiselnahme. Schnell wird allerdings klar, dass die beiden Täter Britz (Ralf Richter) und Jungheim (Heinz Hoenig) weder das Durchhaltevermögen, noch den nötigen Grips mitbringen, um die Aktion zu einem aus ihrer Sicht erfolgreichen Ende zu bringen. nach und nach wird klar, dass der polizeibekannte Schwerverbrecher Probek (Götz George) im Hintergrund die Fäden zieht und einen ausgetüftelten Plan verfolgt, in dem er nicht nur die beiden Bankräuber lediglich teilinformierte Schachfiguren sind. Eine wichtige Rolle scheint auch die Frau (Gudrun Landgrebe) des Filialleiters der betroffenen Bank zu spielen, wobei die wahren Hintergründe ihrer Beziehung zu Probek lange Zeit unklar bleiben.
Auf Seiten der Polizei hat er mit Einsatzkommandoleiter Voss einen ebenbürtigen Gegenspieler, dessen Stärken ebenfalls im Analytischen und Manipulativen liegen. Dass jener Voss für Probeks letzte Verhaftung verantwortlich war, gibt dem folgenden Katz-und-Maus-Spiel eine besondere Brisanz, aus der Graf geschickt ein paar Spannungsspitzen destilliert. Überhaupt ist sein Film trotz zahlreichen TV-Personals vor und hinter der Kamera deutlich geradliniger, fokussierter und dramaturgisch geschickter inszeniert als das Gros der Zeitnah entstandenen Tatort-, Derrick- oder Polizeiruf-Folgen. Graf hat ein spezielles Gespür für das besondere Format Kino und da vor allem für das Subgenre des Polizei- und Kriminalfilms.
Speziell betrifft das beispielsweise die Fähigkeit Action- und Spannungsmomente nicht nur geschickt zu platzieren, sondern sie auch zu einem wichtigen Teil der Erzählung zu machen. Dazu schafft er es, mehrdimensionale Figuren in wenigen Szenen zu umreißen um sie so praktisch durchgängig für die Thriller-Dramaturgie nutzen zu können. Verlassen kann er sich dabei auf einen treffend ausgewählten Cast, der auch in den Nebenrollen (v.a. Richter und König) Akzente setzt. Dazu hat er mit George und Gudrun Landgrebe zwei charismatische Protagonisten, die zu diesem Zeitpunkt bereits über zahlreiche Leinwanderfahrungen auch mit zwielichtigen Charakteren verfügten. Und schließlich steuert Graf seinen Film auf ein explosives Finale zu, dem er einen nihilistischen Nachklapp folgen lässt, der es in sich hat.
Das deutsche Genrekino hat sicher nicht den Ausstoß der Hollywood-Konkurrenz und auch nicht den Ruf europäischer Schwergewichte wie Frankreich oder England, das Beispiel von Dominik Grafs „Die Katze" zeigt aber, dass auch hierzulande handwerklich versiertes Thrillerkino möglich ist, für das sich auch noch ein Massenpublikum begeistern kann. Fraglos spielt die aufgebotene Starpower hier keine unwesentliche Rolle, was Graf wenige Jahre später mit dem ebenfalls ambitionierten Polizei-Thriller „Die Sieger" zu spüren bekam. Unabhängig davon sind aber beide Filme ein eindrucksvoller Beleg für die Existenz eines hierzulande gerne negierten Potentials an überdurchschnittlicher Genre-Expertise.
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(1) 1984: Abwärts (960,000 Besucher), 1985: Zahn um Zahn (2,7 Mio Besucher), 1987: Zabou (1,5 Mio), 1988: Die Katze (1,3 Mio);
(2) George hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 15 Mal die deutsche Kommissar-Ikone Horst Schimanski verkörpert.