Ein Mann auf seinem Weg nach Hause - 14.01.2008
Ich fahre im Jahr berufsbedingt etwa 40.000 Kilometer mit dem Auto. Und immer, wenn ich in einem Stau steckenbleibe, was leider trotz vorausschauender Fahrweise häufiger der Fall ist, als mir lieb ist, denke ich an den nun doch schon recht betagten Film mit Michael Douglas in einer Glanzrolle. Wer kennt das nicht, man will nur nach Hause, und dann bewegt sich nichts, nur weil wieder irgendeine höhere Macht beschlossen hat, eine Wanderbaustelle direkt in den Feierabendverkehr zu setzen. Ob das Bosheit der Behörden ist? Rache am Auto fahrenden Steuerzahler? Und wenn man sich dann umguckt, so im Stau, dann sieht man Dinge, die man nicht sehen will, der Lärm wird immer stärker, das Adrenalin steigt, man schwitzt, vor allem, wenn noch ein Termin droht, den man ganz sicher nicht einhalten wird, man sucht nach Auswegen, die es nicht gibt…wie schön wäre es, dann einfach mal das Auto stehen zu lassen und zu Fuß weiterzugehen? Groß ist die Verlockung…
Und genau dieser gibt der bisher nicht weiter auffällige Ingenieur Foster nach, der es einfach nicht mehr aushält. Er will nur nach Hause, hat doch seine Tochter Geburtstag. Doch der Weg dorthin gestaltet sich beschwerlich, denn der gute Mann wird mit dem täglichen Wahnsinn der Großstadt konfrontiert und wehrt sich. Dabei wird dem Zuseher schnell klar, daß Foster keinesfalls nur ein normaler Zeitgenosse ist, sondern vielmehr eine sehr niedrige Toleranzgrenze hat – zudem auch sein Leben eher eine Lüge ist, was die Firma und die Familie betrifft. Aus kleineren Nicklichkeiten werden rabiate Methoden, und diese rufen die Polizei in Person des Detectives Prendergast auf den Plan, der eigentlich an seinem letzten Arbeitstag vor der Pensionierung nicht mehr in Gefahr geraten will. Und das Zusammentreffen der beiden Hauptfiguren führt beide in eine neue Lebensrichtung – Foster und Prendergast wollen beide so nicht mehr weitermachen. Dumm nur, daß man sich mit einer Waffe in der Hand gegenübersteht.
Zunächst hat man Mitgefühl mit Foster, der überragend von Michael Douglas gespielt wird. Wer hat nicht schon selbst mal Vergleiche zwischen den Bildern eines Hamburgers und dem Stück Matsch gezogen, welches man in die Hand gedrückt bekommt? Doch zusehends wendet man sich von Foster ab, der es irgendwann übertreibt. Doch auch der Polizist ist keine Identifikationsfigur, denn er wird von seinem weinenden Weib gegängelt. Irgendwo dazwischen liegen die Sympathien des Zusehers, der aber eines ganz sicher kann: den Tag des Herrn Foster nachvollziehen. Selbst hat man sich ja meistens ganz gut unter Kontrolle, doch der Film zeigt uns, wie schnell es gehen kann, daß das Ventil den Druck nicht mehr halten kann. Wir sehen etwas Seltenes auf der Leinwand, nämlich kritisches amerikanisches Kino ohne mutwilliges Happy-End. Regisseur Schumacher wertet nicht, sondern zeigt uns nur, zu was der Mann von Nebenan fähig sein kann – und er tut dies auf zeitlose Art und Weise. Der Film ist meisterlich, innovativ und kritisch, ein sehr seltenes Gut im Kino der Neuzeit. 9/10.