„Es gibt Jäger und Gejagte – das ist die einzige verdammte Wahrheit in dieser Welt!“
Das Langfilmdebüt des Spaniers Koldo Serra „Backwoods – Die Jagd beginnt“ ist anscheinend zugleich sein bis dato einziger, danach trat er als Regisseur nur noch für TV-Serien in Erscheinung. Beim in spanisch-französisch-britischer Koproduktion entstandenen Film aus dem Jahre 2006 handelt es sich um einen Thriller, der unschwer erkennbar von den Klassikern „Deliverance“ und „Straw Dogs“ inspiriert wurde.
Um ein paar Tage auszuspannen, fahren die beiden Paare Paul (Gary Oldman, „Sid & Nancy“) und Isabel (Aitana Sánchez-Gijón, „Der Maschinist“) sowie Lucy (Virginie Ledoyen, „The Beach“) und Norman (Paddy Considine, „Doctor Sleep“) zu Pauls Haus in einem abgelegenen Waldgebiet. Doch die Ehen kriseln, die Stimmung ist angespannt. Als Paul und Norman gemeinsam auf die Jagd gehen, entdecken sie in einer verlassenen Behausung ein eingesperrtes, verwahrlostes Mädchen (Yaiza Esteve), das offenbar wie ein Tier gehalten wird. Kurzerhand nehmen sie es an sich und möchten die Polizei einschalten – doch haben sie die Rechnung ohne die Dorfbewohner gemacht…
Es ist nun wahrlich keine Schande, sich von Genreklassikern inspirieren zu lassen – im Zweifelsfall entsteht dadurch wenigstens noch so etwas wie ein unterhaltsamer Rip-Off. Serras im Jahre 1978 spielender Film jedoch vergisst nicht nur die Pointe, sondern verliert schnell den Spannungsbogen aus den Augen und scheint noch nicht einmal genügend Schneid zu besitzen, eine Eskalation herbeizuführen, die den o.g. Titeln zur Ehre gereichen würde. Stattdessen lässt er die Handlung derart lange vor sich hin dümpeln, dass sich die neugierig machende, bedrohliche Stimmung schnell abnutzt und selbst die Gewaltspitzen eher beiläufig wahrgenommen werden, als ein genreaffines und -erfahrenes Publikum wachzurütteln. Als dem Filmgenuss wenig zuträglich erweisen sich lange Passagen ohne den Einsatz von Filmmusik sowie, wenn man schon auf eindeutige Sympathieträger bei der Rollenverteilung verzichtet, die ausbleibende Installation eines wenigstens neutral anmutenden Protagonisten. Nein, diese Gestalten hier sind allesamt irgendwie Kotzbrocken, der eine mehr, der eine etwas weniger, aber es erscheint mir fraglich, ob den Autoren das überhaupt bewusst war.
So ist „Backwoods – Die Jagd beginnt“ irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes, wirkt er undurchdacht und unfertig. Aufeinanderprallen der Kulturen, Städter versus Hinterwäldler, gepaart mit Geschlechter- und Beziehungskonflikten – all das hat man schon wesentlich aufregender gesehen und führt hier außer dem von vornherein erahnbaren Ableben diverser Charaktere letztlich zu nichts. Was unter Boorman und Peckinpah noch verstörte, zum Nachdenken anregte und das Adrenalin in die Adern schießen ließ, wird hier mit einem Schulterzucken in Erwartung einer wirklichen Überraschung zur Kenntnis genommen, die man im Finale zu bieten versucht, mir jedoch wie eine denkbar schlechte Lösung erscheint und – und das ist vermutlich der größte Kritikpunkt – trotz seiner formalen Radikalität verpufft wie ein Bärenfurz im Wald. Richtiggehend ärgerlich ist es, wie egal dem Drehbuch letztlich der Gegenstand des Interesses der Prota- und Antagonisten ist, nämlich das verwahrloste Kind – was im Kontrast zur vorgeblichen Handlung steht. Durch diese spielen sich Gary Oldman und Paddy Considine inmitten zahlreicher spanischer Darsteller zudem mitunter solide, oftmals aber auch irritierend teilnahmslos, so dass letztlich von der Intention, die der Film ursprünglich einmal gehabt haben dürfte, nicht viel mehr bleibt als ein Abenteuerausflug mit der wenig bewegenden Erkenntnis, dass Frauen und Männer nicht so ohne Weiteres zueinander passen und auch im spanischen Hinterland einst eigene Gesetze galten.