Review

Aufgrund mangelnder Eigenständigkeit muss Koldo Serras „The Backwoods“ im direkten Vergleich mit seinem offensichtlichen Vorbild „Straw Dogs“ zweifellos den Kürzeren ziehen, anderseits gelingt dem spanischen Filmemacher allerdings auch ein würdige Hommage an den Peckinpah-Klassiker, ohne dessen Stil nur zu kopieren oder gar ein verschlimmbessertes Remake darzustellen. Die einmalige Gabe des legendären Filmemachers, seine aggressive Ausdrucksweise in eine omnipräsent bedrohliche Atmosphäre umzumünzen, ist bei Serra weniger ausgeprägt und trotzdem darf er auf sein spannendes Spielfilmdebüt allemal stolz sein.

Schließlich spornt er Gary Oldman („Léon“, „The Fifth Element“), der in den Neunzigern jeden nächstbesten Bösewicht in Hollywood verkörperte, in der Auswahl seiner Rollen leider öfter unglücklich danebengriff und sich damit kontinuierlich in eine Ecke drängen ließ, bis seine Karriere schon fast beendet schien, zu einer schon nicht mehr für möglichen Leistung an. Von der jahrelangen Einfalt losgelöst, blüht der britische Mime plötzlich wieder auf und spielt Paul, der zusammen mit seiner Frau Isabel (Aitana Sánchez-Gijón, „A Walk in the Clouds“, „The Machinist“) und dem befreundeten Pärchen Norman (Paddy Considine, „Cinderella Man“, „The Bourne Ultimatum“) und Lucy (Virginie Ledoyen, „The Beach“, „8 Women“) nach Nordspanien reist, um dort seine familiären Wurzeln zu entdecken, als selbstbewussten Mann, dem viel an dieser Rückbesinnung liegt, der die idyllische Abgeschiedenheit des im tiefen Wald versteckten Hauses schätzt und Traditionen pflegt. Das Jagen gehört als archaisches Männlichkeitsritual von Kindesbeinen an zu seinen Favoriten. Als er und Norman ein missgebildetes, völlig verwahrlostes Mädchen aus einer verlassenen Hütte mitten im Gehölz befreien, können sie nicht ahnen, was sie damit auslösen.

Von der Rückbesinnung zur Natur und Abkehr von der Zivilisation, beispiellos in „Deliverance“ verewigt, bis hin zum Mentalitätscrash zwischen Stadtmensch und Einsiedler, auf dem unter anderem auch „Straw Dogs“ fußt, bietet „The Backwoods“ allerlei Raum zur Diskussion und Interpretation, verlässt sich dabei aber meistens auf die Tugenden des Peckinpah-Werks, ohne dessen drastische Intensität zu erreichen. Die attraktive, aber genauso zickige Lucy provoziert die sich überwiegend ablehnend verhaltenden Dorfbewohner zwar ganz ähnlich und der introvertierte Norman entwickelt sich später wie David Summer zu einem über sich selbst hinauswachsenden und überaus selbstbewussten Mann, was wiederum der problematischen Beziehung der beiden abträglich sein wird. Den letzten Schritt hin zu Diskussionen auslösenden Skandalfilm wagt Serra aber dann schließlich doch nicht und belässt es bei den Ansätzen.

Trotzdem weiß er den Spannungsbogen kontinuierlich zu steigern und die Abgeschiedenheit des Hauses in einem schier unendlichen Wald für sich zu nutzen, wenn alsbald bewaffnete Männer aus dem Dorf auftauchen und vorgeben ein vermisstes Mädchen zu suchen. Diese Aussage gibt dem misstrauischen Paul genug Anlass ihnen nicht die Wahrheit zu sagen, stattdessen mit ihnen zu gehen und dem verbliebenen Trio die Chance zu geben, das arme Ding fortzuschaffen. Doch ganz so einfältig sind diese Männer nun auch nicht, teilen sich auf und kehren zurück...

Nach einem eher gemächlichen Beginn, den Serra dafür verwendet die Isolation der vier etatmäßigen Städter, ihre Gegensätzlichkeit, die wenig gedrückte Urlaubsstimmung und die angespannten Beziehungen untereinander herauszuarbeiten, verwandelt sich „The Backwoods“ vor einer verregneten Waldkulisse zu einem packenden Kampf auf Leben und Tod, in dessen Verlauf alle Hemmungen über Bord gehen und jeder nur noch mit heiler Haut davon kommen will. Eine Affekthandlung setzt eine Spirale der Gewalt in Gang, die unaufhaltbar ihren Blutzoll einfordert. Geprägt wird der Film trotz der Extremsituation bis zum Schluss von der Uneinigkeit unter den Städtern, die es versäumen offener miteinander umzugehen und so viele Probleme vermeiden hätten können. Ganz zu schweigen von einem klärenden Gespräch mit Paco (Lluís Homar, „Body Armour“), um die Handlungen der Dorfbewohner nachvollziehen und die Katastrophe verhindern zu können.


Fazit:
Es wäre müßig die vielen Parallelen zu „Straw Dogs“ aufzuzählen, zumal „The Backwoods“ gar keine Eigenständigkeit vorgaukelt, sondern ganz im Gegenteil sogar sehr offensichtlich auf den Spuren Sam Peckinpahs wandert und nur einzelne Elemente austauscht. Die Konstellation, die Entwicklung und natürlich die aktivsten Charaktere wurden grundsätzlich von Serra übernommen, gängige Klischees vermeidet er hingegen weitestgehend, einige Vorurteile bestätigt er. Nichtsdestotrotz liefert er hier einen beklemmenden, stilistisch in den Siebzigern fundamentierten, Thriller ab, der sich auf gute Schauspieler und den unorthodoxen aber nicht minder eindringlichen Score Fernando Velázquez' („ The Orphanage“) verlassen kann. Solche gediegenen Filme sind heute selten geworden.

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