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Don Birnam ist ein gebildeter, aber uninspirierter Schriftsteller, der vor allem ein Problem hat: Alkoholismus. Seit zehn Tagen trocken, soll er mit seiner Verlobten Helen und seinem Bruder Wick, der ihn finanziell unterstützt und Dons Eskapaden schon oft vereitelte, zur Erholung einen Wochenendausflug unternehmen. Seine Gedanken kreisen aber schon um die nächste Flasche Whiskey. Als er es dann schafft, Wick und Helen, die in dem Glauben sind, Don hätte keinen Zugang zu Alkohol, wegzuschicken und durch glückliche Umstände zu Bargeld gelangt, nimmt das Unheil seinen Lauf.

Der Zeitraum des Filmes erstreckt sich über fünf Tage von Donnerstag bis Dienstag. Demnach dem, was man heute gern „verlängertes Wochenende“ nennt. Aufgebrochen wird diese Chronologie durch zwei Rückblenden, in denen die Auswirkungen seiner Abhängigkeit illustriert werden. Die erste zeigt das holprige Kennenlernen mit Helen bei einem Opernbesuch.
Die zweite veranschaulicht, was der Alkohol aus Don gemacht hat: Einen erfolglosen Schönling Mitte dreißig ohne Universitätsabschluss, der sich für einen Schriftsteller hält. So das vernichtende Urteil von Helens Eltern, das ihn dazu zwingt, die Konfrontation mit ihnen zu scheuen.
Im Anschluss erfährt Helen nach Wicks improvisiertem und dilettantischem Possenspiel in Dons Wohnung von dessen Sucht, zeigt sich aber zu seiner Überraschung nicht verurteilend und vorwurfsvoll, sondern bietet ihm ihre Unterstützung an.

Während seiner Odyssee betrinkt sich Don im Delirium in seiner Stammkneipe, durchsucht seine Wohnung nach verstecktem Whiskey, wird beim Diebstahl ertappt, bittet Gloria, die ihn anbetet um Geld und erwacht schließlich in einer Entzugsanstalt, in der er „Bim“, einem exzentrischen und vermutlich homosexuellen Krankenpfleger mit feminin-sadistischer Ader ausgeliefert ist.
Nach geglückter Flucht ergibt er sich in seiner Wohnung einer exzessiven Orgie und erlebt die alptraumhafte und halluzinatorische Phantasmagorie, die einen gewissen Teil der Faszination ausmacht, die der Film ausstrahlt.

DAS VERLORENE WOCHENENDE leistet Pionierarbeit, denn er beschäftigt sich vorrangig mit dem sozialen Problem des Alkoholismus und wagt sich damit an ein Tabuthema. Die ernsthafte und keinesfalls verharmlosende Umsetzung brachte dem Film aber höchsten Respekt von Seiten der Kritik ein, so dass DAS VERLORENE WOCHENENDE mit vier Oscars ausgezeichnet wurde. Darunter auch Ray Milland als bester Hauptdarsteller, der als Erzähler und Protagonist die Agonie, das Verlangen, die Verzweiflung und den sukzessiven Abstieg Don Birnams derart überzeugend verkörpert, dass die Tatsache, ihn in vielen durchschnittlichen Filmen zu sehen, als Vergeudung seines Talents bewertet werden muss.

In diesem Film wird deutlich, dass das, was Hitchcock für den Thriller ist, Wilder für das Drama bedeutet, denn der Regisseur und vor allem Drehbuchautor hat sich die starke Veranschaulichung menschlicher Tragödien aufs Tapet geschrieben und oftmals denkwürdig umgesetzt (ZEUGIN DER ANKLAGE, BOULEVARD DER DÄMMERUNG u.a.).

Das etwas flache und unmotivierte Ende, das Wilders Fähigkeiten nicht unbedingt gerecht wird, kann man als Konzession an das harmoniebedürftige Hollywood verstehen, für dessen Maßstäbe das Thema und seine schonungslose Visualisierung sowie der latente homosexuelle Anklang schon schockierend genug gewesen sein dürften.

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