Review

Ein Meisterstück der Unruhe

Das Raumschiff Nostromo sollte lediglich Mineralien zur Erde liefern. Als die Crew jedoch aus dem Kälteschlaf erwacht, stellt sie verwundert fest, dass ihr Schiff weit vom Kurs abgekommen ist; vom Blauen Planeten keine Spur. Der Bordcomputer „Mother“ informiert Captain Dallas darüber, dass ein Notruf eingegangen sei. Der Autopilot sei dem Signal gefolgt. Das Protokoll verlangt, dass in einer solchen Situation Hilfe geleistet werden muss. So sieht sich die siebenköpfige Besatzung der Nostromo dazu genötigt, auf einem fremden Planten zu landen. Dort stossen sie auf das Raumschiff einer unbekannten Zivilisation – abgestürzt und verlassen. Doch etwas regt sich im unteren Teil des Wracks: unzählige Eier einer mysteriösen Spezies brüten dort vor sich hin. Die Belegschaft der Nostromo hat eine Entdeckung gemacht, die sie bald bereuen wird. Plötzlich werden sie von einer Kreatur gejagt, die weder Gnade noch Schwäche kennt …

Ridley Scotts Alien (1979) beginnt ominös und episch im Weltraum. Dann verfrachtet uns Scott ins Innere der Nostromo und inspiziert mit präzisem Blick die Räumlichkeiten des Raumschiffes. Der grossspurige Gestus erinnert zunächst an Stanley Kubricks 2001: A Space Odyseey (1968). Sobald die Crew erwacht, wird allerdings klar: Es geht Scott nicht um abgehobene Philosopheme, sondern um den Alltag einfacher Arbeiter. Zumindest vorerst. Alien spielt in einer Zeit, in der die Raumfahrt längst ihren Glanz verloren hat. Captain Dallas & Co. sind keine heldenhaften Astronauten – sie sind lediglich Männer und Frauen, die ihren Job erledigen müssen. Die Albereien und Streitereien an Bord fängt Scott authentisch ein; und dem dreckig industriellen Setting bleibt er über die ganze Laufzeit treu.

Nachdem die Nostromo auf dem unbekannten Planeten landet, entfaltet der Film eine majestätische Sprache der Aufruhr: Es rauscht, surrt und knistert, das Bild verwackelt und verschwimmt. Der erste Schockmoment ist ein veritabler Schlag in die Magengrube, danach geht’s munter weiter mit Ekel, Psycho-Terror, Gore, Jump Scares und Action bis hin um kathartischen Finale. Alien klappert jeden Trick aus dem Handbuch des Horrors ab, und das Resultat elektrifiziert. Die Sound- und Bildkulisse ist atemberaubend. Scott bedient alle Sinne: Am Ende meint man fast, die Nostromo ertasten und erriechen zu können. Das groteske Design des Planeten und des Aliens stammt vom Schweizer Künstler HR Giger, der das Technologische und Organische auf verstörende Weise verschmelzt. Im Falle der Kreatur ist diese Mischung besonders trefflich – ist sie doch nichts weniger als eine lebendige Superwaffe. Sieht man von einigen schlampigen Schnitten ab, ist Alien technisch makelloser Sci-Fi-Horror.

Hinzu kommt ein chauvinistischer Subtext, aus der eine weibliche Action-Heldin emporsteigt: Ellen Ripley, Vize-Kapitänin der Nostromo. Verkörpert wird sie von Sigourney Weaver (Annie Hall, Ghostbusters), die strikt und abgebrüht, aber nicht herzlos aufspielt. Ripley behauptet sich gegen ihre ruppige Crew, fällt unbeliebte Entscheidungen, setzt sich aber inmitten der Katastrophe sogar für das Leben des Bordkaters Jones ein. Sie ist eine wunderbare Identifikationsfigur, gerade weil sie keine Heilige ist.

Trotz des stilistischen Höhenflugs kann Scott nie ganz verhehlen, dass er eigentlich einen B-Movie vor kunstvoller Kulisse dreht. Das Skript von Dan O’Bannon und Ronald Shusett bedient die mittlerweile typische Prämisse des Slasher-Films: Eine Gruppe von Menschen wird auf engem Raum von einem gefährlichen Killer gejagt. Nur befindet sich der Schauplatz dieses Mal im Weltraum – und der Killer ist ein übermächtiges Alien. Das alles macht die Klaustrophobie noch erdrückender. Wie die Tagline so treffend meint: „In space no one can hear you scream.“ Um dem Bildungspublikum entgegen zu kommen, tackert man einen vage philosophischen Twist an den Film, was die Story nur marginal tiefgründiger macht. Und doch: Das Geschehen auf der Nostromo fesselt. Was uns Scott hier an brodelndem Unbehagen bietet, ist bis heute beispiellos. Die packende Inszenierung des Aliens und dessen ungeklärten Ursprünge sorgen für Atemnot und Herzklopfen.

Alien ist ein Meisterstück der Unruhe, einzigartig in der Erzeugung von Spannung und Panik. Das Filmmonster ist ikonisch, die Heldin knallhart und die Atmosphäre erstickend. An diesem tödlichen Ungeheuer führt kein Weg vorbei.

9/10

Details
Ähnliche Filme