Review

Fünfzehn Jahre sind seit „New Jack City“ ins Land gegangen. Wesley Snipes („Demolition Man“, „Blade“) feierte seinerzeit seinen Durchbruch und avancierte zum gefeierten Actionhelden, wohingegen Mario Van Peebles („Highlander III: The Sorcerer“, „Solo“) nur kurzzeitig Kinoluft schnuppern durfte. Inzwischen sind beide längst wieder unsanft auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Grund genug es noch einmal gemeinsam zu probieren.
Insbesondere Mario Van Peebles hat als Drehbuchautor, Produzent, Darsteller und nicht zuletzt auch Regisseur viel Herzblut in „Hard Luck“ investiert. Umso mehr tut es mir um das lediglich solide und trotzdem verkorkste Ergebnis leid. Wie schon damals bei „New Jack City“ steht seinem Erfolg wieder ein gut beginnendes und dann stetig schwächer werdendes Skript im Weg. Das hat er wohl im Schneideraum auch eingesehen. Von den drei Handlungssträngen schnitt er einen deswegen auf ein Minimum herunter, wie unter anderem die der DVD beigefügten Deleted Scenes beweisen. Tatsächlich tut „Hard Luck“ diese Straffung gut. Die Handlung entwickelt so etwas mehr Dynamik, ist aber dennoch ein gutes Stück von einer durchgehend unterhaltsamen Linie entfernt. „Hard Luck“ ist nicht einfach schlecht. Er ist verschenkt. Aus aus dem Stoff hätte sich ein prima Gangster-Drama mit Wesley Snipes in der Hauptrolle entwickeln können.

So wollte Van Peebles aber wohl auf den längst abgefahrenen Zug der Tarantino-Epigonen aufspringen. Dass er Quentins seinerzeit mit „Pulp Fiction“ etablierte Ingredienzien für sich nutzt, ist ziemlich offensichtlich. Scheinbar autarke Handlungen werden miteinander verknüpft und alle paar Minuten wird zwanghaft selbstreferenziell ein Film (u.a. „King Kong“, „Citizen Kane“, „Hitch“, „Training Day“, „Scream“, „Catwoman“, „Super Size me“, „The Blair Witch Project“ etc.) zitiert. Angerissene Versuche über alltägliche Probleme (Treibhauseffekt), Statistiken und Neurosen zu diskutieren, säumen die Dialoge genauso wie eine Prise Humor – Screwball-Comedy mit einbegriffen. Nun ist Mario Van Peebles aber leider kein Quentin Tarantino, nicht einmal ein kleiner.

Die Hauptgeschichte mit Wesley Snipes als Ex-Gangster Lucky ist noch die Beste und genießt mit Recht das Hauptaugenmerk. Aus dem Gefängnis entlassen, will er ein völlig neues Leben beginnen. Er verliebt sich in seine Sozialarbeiterin, die mittels Bücher im Knast aus ihm einen besseren Menschen gemacht hat. Beide kaufen sich zusammen ein Haus in New Orleans und sind glücklich. Als er angeschossen wird und im Krankenhaus landet, wacht er erst wieder in einer menschenleeren und überfluteten Stadt auf, nachdem der Tornado Katrina sie verwüstet hat. Ohne Perspektive siedelt er nach New York über, handelt dort auf dem Schwarzmarkt mit billigen Imitaten und wird in einen von der Polizei eingefädelten Drogendeal verwickelt. Im ausbrechenden Chaos kann er mit zwei Koffern voller präparierter Dollar-Noten mit der Stripperin Angela (Jackie Quinones) dem Zugriff der Cops entgehen. Auf der Flucht vor korrupten Polizisten kreuzen sich die Wege der beiden dann mit einem psychopathischen Killer-Paar, das Menschen kidnappt und in seinem Keller zu Tode foltert und einem ambitionierten aber erfolglosen Boxer nebst seiner Freundin, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalten.

Die konstruierte Verknüpfung der drei Geschichten gelingt Van Peebles zum Schluss auch nur sehr mühsam. Da es seinem Film an Spannung, Originalität und Leidenschaft mangelt, blickt der Zuschauer auf das Geschehen auch eher unbeteiligt. Ich selbst hätte viel lieber einen straighten, dramatischen Thriller gesehen, in dessen Verlauf sich der Cop Mario van Peebles an die Fersen von Wesley Snipes heftet, nachdem er die korrupten Polizisten abfertigt. Der Einstieg passt dazu ja auch und da sich beide eine gemeinsame Vergangenheit teilen, sind dafür Voraussetzungen geschaffen worden, die „Hard Luck“ in dieser Fassung leider nie effektiv ausnutzt.
Der ohnehin schon fast komplett herausgetrennte Plot um den glücklosen Boxer und seiner Freundin trägt nämlich überhaupt nichts mehr zum Film bei, außer dass das Pärchen mit den kranken Psychopathen konfrontiert wird, die umgehend ihre Spiele einleiten. Diese schrägen Vögel (ausgerechnet Cybill Shepherd spielt den weiblichen Part) in ihrem Folter-Studio sollen wohl kultig oder witzig gemeint sein. Mit dieser Intention schießt „Hard Luck“ allerdings meilenweit am Ziel vorbei.

Der Versuch drei unabhängige und total unterschiedliche Erzählstränge parallel zu erzählen, scheitert also komplett. Ein Grund lässt sich auch mit der Unentschlossenheit des Geschehens erklären. „Hard Luck“ möchte von allem etwas sein: Komödie, Drama, Horror, Thriller. Aber nichts davon bekommt er richtig auf die Reihe. So wirkt er leider wie hilfloses Patchwork, dem eine klare Linie fehlt. Selbst Sony wusste wohl nicht einmal, wie sie den Film verkaufen sollten, wenn man mal den aussagelosen Trailer betrachtet, nach dessen Sichtung man genauso schlau wie vorher ist.

Zur Ehrenrettung kann man noch die stimmige Optik heranziehen. Ein paar positive Punkte besitzt „Hard Luck“ dann nämlich doch noch. Wo der Film Überraschungen und Spannung vermissen lässt, überzeugt zumindest noch der Regisseur Mario Van Peebles. Besonders eingangs in New York und in dem Nacht-Club, wo für Lucky von einem Augenblick auf den nächsten alles schief laufen soll, schauen die Szenen edel aus. Der Einsatz von Farbfiltern garantiert für Verfremdung und kräftige Bilder, ohne dass er jemals übertreibt. Für eine DTV-Premiere sieht der Film jedenfalls ausgesprochen schick und professionell aus. Umso mehr tut es mir um die Kohle leid, die hierfür verbraten wurde.

Wesley Snipes zieht sich indes solide aus dieser Affäre ohne zu glänzen. Wenigstens ist diese Rolle für seine Karriere nach drei Auftritten in B-Actionern für Andrew Stevens in Osteuropa wieder ein Fortschritt. An seine Leistung in „New Jack City“ reicht er nie heran, aber er harmoniert soweit mit Jackie Quinones. Jüngst in „The Detonator“ gefiel mir sein Zusammenspiel mit einer Frau allerdings noch besser. Das ungleiche, streitbare Duo erzwingt mitunter ein paar witzige Situationen, von denen es ruhig ein paar mehr geben könnte, kommt sich dann nach allen Regeln des Genres aber natürlich auch näher. Der Besuch beim schwulen Porno-Produzenten Mendez, hinreißend wie unverwechselbar von einem überdrehten Luis Guzmán verkörpert, der beide gleich mit einer Szene in seinem aktuellen Projekt einbinden möchte, ist ein humoriger Höhepunkt mit den beiden, von denen es sicher mehr geben könnte.
Trotz vereinzelter, durchschnittlich inszenierter Actionszenen braucht Snipes allerdings keine Martial-Arts-Einlagen darbieten, sondern höchstens mit ein paar lockeren Kommentaren glänzen. Eigentlich schade, dass aus seiner Figur nicht mehr gemacht wird, wo doch sein soziales Engagement (Gastauftritt: Bill Cobbs) und sein Monolog am Anfang Potential aufblitzen lässt, in welche Richtung der Film tendieren könnte.

So bleibt der Film bis zum Schluss weder Fisch noch Fleisch. „Hard Luck“ entscheidet sich einfach für keine klare Linie. Lucky und Angela, die nach ihrer Entführung erst nur giftet, dann aber einen Geldkoffer öffnet,die Farbbombe aktiviert und plötzlich eine lukrative Zukunft für sich sieht, sind die zentralen Figuren, die mit etwas Humor und ein paar kniffeligen Situationen am besten wegkommen, aber immer wieder von den Handlungen des Psycho-Paars unterbrochen werden. Man kann sich auch ungefähr ausmalen, wie das am Ende zusammenpassen muss. Und so kommt es dann auch. Das plötzlich hereinbrechende Finale ist übrigens genauso unspektakulär wie enttäuschend, passt damit aber gut zum Film. Auch ein Grund, warum man sich als Zuschauer kaum für die sogenannte Handlung und ihre oberflächlichen Figuren interessiert.

Letztlich bleibt nicht mehr als Patchwork über, das man in der Videothek links liegen lassen würde, wenn nicht der Name Wesley Snipes draufstehen würde. Angefangen bei der gelungenen Inszenierung bis hin zu den soliden Darstellern gibt es auch gar keinen Grund zur Klage, obwohl Mario Van Peebles in seiner Nebenrolle relativ blass spielt. Seine vor allem zu Beginn halbherzig eingestreuten politischen Statements geraten übrigens sehr aufdringlich.


Fazit:
Mario Van Peebles will mit „Hard Luck“ ganz offensichtlich auf zu vielen Hochzeiten tanzen und landet mit seiner Unentschlossenheit letzten Endes zwischen allen Stühlen. Hier passt leider wenig zusammen. Das unausgegorene Drehbuch will Plots zusammenmontieren, die nichts miteinander zu tun haben, was vor allem zum Schluss gründlich schief geht. Ungereimtheiten treten alle paar Minuten auf und sonderlich logisch verhält sich Lucky oftmals auch nicht.
Immerhin sorgt die solide Inszenierung für etwas Abwechslung und der Main-Plot mit Wesley Snipes ist auch gar nicht mal so schlecht, ja sogar überaus ausbaufähig. Die Psychopathen garantieren derweil aber regelmäßig für Befremden. Ein simples Duell zwischen Cop und Ex-Gangster wäre bei diesen Voraussetzungen weitaus interessanter gewesen. So aber: Pointless.

Details
Ähnliche Filme