Der Regisseur Michael Cimino ist gezwungenermaßen alles andere als ein Vielfilmer. Berühmt wurde der New Yorker mit dem Vietnam-Drama Die durch die Hölle gehen (1978), für das er einen von insgesamt fünf Oscars erhielt, ehe er nur zwei Jahre später mit dem Mammut-Epos Heaven's Gate böse abschmierte. Der Film um den Johnson County War geriet zum bis dato größten wirtschaftlichen Flop der Kinogeschichte, trieb das produzierende Studio United Artist in die Pleite und verbaute Cimino den Weg zur Finanzierung weiterer Projekte, weshalb sich in seiner Filmographie bis heute lediglich vier weitere Filme finden. Zu seinem Regiedebüt verhalf ihm 1974, nach Arbeiten als Co-Autor an Lautlos im Weltraum (1972) und Dirty Harry 2 (1973), der Star des letzteren: Clint Eastwood gefiel das Drehbuch zu Thunderbolt and Lightfoot so gut, dass er es zunächst selbst inszenieren wollte, dann aber dem Autoren Cimino den Vortritt ließ. Vorausahnenderweise fügt sich der Film, rein erzählerisch, irgendwo zwischen lobenswert und desaströs ein.
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Mitten in der Kirche wird der Prediger John Doherty in eine Schießerei verwickelt und kann sich geradeso in den Wagen des vorbeifahrenden Tunichtguts Lightfoot retten. Der findet schnell heraus, dass Doherty, genannt „Thunderbolt", alles andere als ein Heiliger ist. Vor Jahren war er an einem spektakulären Bankraub beteiligt und die ehemaligen Komplizen halten Doherty mittlerweile für einen Verräter, der sie die Beute gekostet hat. Doch schließlich versöhnen sich Thunderbolt und Lightfoot mit ihren Häschern und planen, den Coup von damals einfach zu wiederholen...
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Was genau Clint Eastwood an Ciminos Story so sehr zu schätzen wusste lässt sich eigentlich nur erahnen, wenn man sich vorstellt, dass er lediglich die letzten dreißig, vierzig Seiten des Buches zu lesen bekommen hat. Thunderbolt and Lightfoot ist, unterteilt in die drei Akte Einleitung, Hauptteil und Schluss, ein Film von stark wechselhafter Qualität. Die beiden Titelfiguren werden noch gut eingeführt, sowohl Thunderbolts Auftritt als Prediger vor einer Dorfgemeinde und seine Flucht vor einem schießwütigen Verfolger, als auch Lightfoots dreister unter-der-Nase-weg-Klau eines Wagens beim Autohändler haben Action und Humor zu bieten. Nachdem die beiden ungleichen Kerle, der eine eher schweigsam, der andere einen Spruch nach dem anderen reißend, zueinander gefunden haben, kommt die Geschichte nur sehr langsam aus dem Stall getrottet, während sich um sie herum einiges überflüssiges Kleinvieh in den Vordergrund drängelt. Kaum eine Szene leistet mehr, als den einen als Sprücheklopfer und den anderen als Bedachten zu zeigen und warum sich beim einen das Bedürfnis nach der Freundschaft des anderen regt wird eigentlich nicht klar. Dazu gesellt sich ein im ersten Anlauf wenigstens noch attraktiv durch Catherine Bach verkörperter Machoeinschlag, der im Laufe des Films in puren Sexismus übergeht. So gut wie jede Dame in Thunderbolt and Lightfoot präsentiert sich leicht bekleidet, die Röcke kurz, die Brüste mehr als nur angedeutet und jede von ihnen ist einzig dazu da, von Lightfoot angebaggert zu werden. Das ist in all seiner Rückständigkeit auf die Dauer nervig und einfach zu oft bestimmender Part von Szenen und Dialogen, als dass man es zum Zwecke der Verdeutlichung der Lebensweise der Charaktere durchgehen lassen möchte.
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Auch nach nächtlichem Getechtel und Gemechtel und einem Viertel des Films kommt Ciminos Geschichte noch immer nicht ans Erzählt werden. Dafür gibt es eine rasante Verfolgungsjagd und einige schöne Panoramen. Die Identität ihrer Verfolger lässt sich Thunderbolt immer noch nicht entlocken, dafür wird die Ruhelosigkeit der beiden Männer, ihr Drang nach Freiheit konkretisiert, worin der Einsilbige und der Vielredner ihre Gemeinsamkeiten haben. Dagegen unterstreicht die anschließende Szene, wie krude und bausteinartig die Einleitung insgesamt wirkt: Thunderbolt und Lightfoot warten am Starßenrand auf eine Mitfahrgelegenheit und landen schließlich auf der Rückbank eines offensichtlich Verrückten, der einen Waschbär auf dem Beifahrersitz und ein Rudel Kaninchen im Kofferraum transportiert, auf die er mit einer Schrottflinte das Feuer eröffnet, nachdem ein wildes Fahrmanöver den Wagen zum Überschlag gebracht hat. Das ist für sich genommen natürlich eine denkwürdig schräge Szene, wirkt dabei aber, als hätte Cimino sie beim Schreiben von Thunderbolt and Lightfoot versehentlich unter die Seiten gemischt.
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Erst, als sich Thunderbolts und Lightfoots Gespräche um Banküberfälle zu drehen beginnen und der vermeintlich fromme Priester sich als Erbeuter von einer halben Millionen zu erkennen gibt, schneidet Cimino einige, wenn auch längst noch nicht alle, der Fransen ab, die den Blick auf das Wesentliche trüben. Doch auch im Mittelteil ist Thunderbolt and Lightfoot noch weit davon entfernt, ein gut erzählter Film zu sein. Nachdem es zur Versöhnung mit Thunderbolts einstigen Kumpanen Red Leary und Eddie Goody kommt und Lightfoot vorschlägt, den Bankraub von damals zu wiederholen, müssen sich die vier mit Handlangerjobs ihr Equipment erwirtschaften. Auch hier ist nicht gerade Zusammenhang das beherrschende Element der Inszenierung, weiterhin bemüht Cimino Szenen aneinander, bei denen der Schlüssel nicht so recht ins Schloss passen will und kurzberockt-brustwackelnde, beziehungsweise gleich ganz nackte Frauen und reichlich gefälltes Machoholz dürfen wieder nicht fehlen. Dennoch gelingt es Cimino, hier die Vorfreude auf ein sehenswertes Finale zu wecken, wenn er die Spannung zwischen den vier Protagonisten spürbar steigen lässt. Der ewig übellaunige Leary geht dem chronisch frech grinsenden Lightfoot ein paar Mal an die Gurgel und schließlich versammeln sie ich zu einer Lagebesprechung, bei der klar wird, dass selbst der kleinste Fehler ihren Plan zum Scheitern verurteilt.
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Michael Cimino die Divergenzen seines Drehbuchs und der Inszenierung damit zu entschuldigen, dass er hier in beiden Fächern sein Debüt abliefert, verbietet dann eigentlich die letzte Dreiviertelstunde von Thunderbolt and Lightfoot. Denn in dieser findet er endlich dazu, sich voll und ganz der Geschichte zu widmen, plötzlich passt und greift alles an- und ineinander und wenigstens manches, aber längst nicht alles an Vorangegangenem bekommt einen Sinn. Die Verwirklichung des Plans der vier Männer zum zweiten Raub an der selben Bank ist stringent und dicht gewoben, in seinen besten Momenten, wie dem Überfall auf den Bankdirektor, regelrecht packend und endlich vehement von allen Fransen und sämtlichen Fusseln befreit, die den Blick zuvor vom Gesamtbild weglenkten. Leider reichen dieser starke Schlussakt und das tragisch-bittere Ende nicht aus, um die zwei tendenziell misslungenen vorderen Akte auszugleichen, doch immerhin belohnt es für deren Überstehen.
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Dass man sich überhaupt zum Überstehen durchringen kann liegt, wie kaum anders zu erwarten, größtenteils an Clint Eastwood und Jeff Bridges. Nach seinen vorangegangenen Megaerfolgen, unter anderem mit Sergio Leones Dollar-Trilogie (1964, ‘65, ‘66) und Dirty Harry (1971) spielt Eastwood seine Rolle mit lässiger Souveränität. Der Sinn von Bridges‘ Oscar-Nominierung als Bester Nebendarsteller wird erst gegen Ende deutlich, bis dahin kann er mit seinen Dialogen, die fast nur aus hohlen Sprüchen bestehen, bisweilen ganz schön nerven, dennoch ist er als komplettes Gegenteil des ruhigen Eastwood eine passende Ergänzung und kann spätestens mit seinem Auftritt in Frauenkleidern, durchaus ironisch im Verhältnis zu Lightfoots ständigem Flirtgehabe, ein paar Lacher für sich verbuchen. George Kennedy und Geoffrey Lewis tendieren mehrmals in Richtung Karikatur, spielen ihre Gangster aber ebenfalls besonders im letzten Akt überzeugend.
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Thunderbolt and Lightfoot ist über eine Stunde lang ein nicht sonderlich sehenswerter Film, bei dem in dieser Zeit einzig die Sympathiewerte der Darsteller, gute Actioneinlagen und einige schöne Landschaftsaufnahmen über die unzusammenhängend wirkende und mit zu vielen handlungs- und spannungsfreien Szenen beladende Erzählweise hinwegsehen lassen. Danach wird daraus allerdings doch noch ein unterhaltsamer Thriller mit einer panzerbrechenden Flak und einer sich zuspitzenden Tragik, die am Ende, wenn der Wunsch nach Freiheit erfüllt scheint, doch nur Verlierer und Verlorenes in ihrer Einsamkeit zurücklässt.