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Die Geschichte des "Kannibalen von Rohtenburg" dürfte den meisten bekannt sein, geisterte sie doch zu ihrer Zeit durch sämtliche Medien und stellt sie bis heute einen außergewöhnlichen Fall von sexueller Entartung und Kannibalismus dar. Doch nicht nur die Massenmedien weideten dieses Ereignis aus - auch zahlreiche Künstler fühlten sich durch die Vorkommnisse inspiriert. Ob Rammstein mit ihrem Lied "Mein Teil" oder Martin Weisz mit der aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen lange Zeit verbotenen Verfilmung der Tat - immer wieder wurde die Geschichte aufgerollt und verarbeitet.

So auch in dieser Verfilmung von Marian Dora. "Cannibal" verfolgt in minutiöser Detailversessenheit das Treffen zweier Männer, von denen einer "das Fleisch" und der andere der Schlachter sein will. Sie ergehen sich in orgienhaftem Sex, verbringen das Wochenende miteinander - und schließlich beginnt der Schlachter damit, seinen Partner zu verstümmeln, auszuweiden und zu verspeisen.

Der Film beginnt durchaus interessant, ist von Anfang an mit starker, düsterer Bildsymbolik aufgeladen und findet auch immer wieder die eine oder andere beeindruckende Kameraeinstellung. Auch wirken die ersten zehn bis fünfzehn Minuten noch spannend und originell, da sie vollkommen ohne Dialog auskommen und die Handlungen der Personen durch bloßes Mimik- und Gestikspiel und unterstreichende Musik kommentiert werden.

Leider findet diese Prinzip kein Ende, sodass aus der packenden Anfangssituation ein immer langweiligerer, vollkommen spannungsloser Sex- und Ekelstreifen wird. Angesichts der dargestellten Ereignisse erwartet man wohl zumindest den Versuch einer psychologischen Studie der Beteiligten. Und zumindest am Anfang scheint dies auch wirklich der Fall zu sein.

Doch sobald die beiden Männer aufeinander treffen, ergeht der Film sich in völlig sinnloser Darstellung der Freizeitaktivitäten der beiden, untermalt dies mit einigen marginalen, dafür umso primitiveren Dialogen (der erste Satz des Opfers zu seinem Mörder lautet "Ich bin dein Fleisch!" - pathetischer geht es wohl kaum) und ergeht sich schließlich in rein voyeuristischer Inszenierung von Sex- und Verstümmelungsorgien. Wenn die Kamera extra auf Großaufnahme auf den blutigen Penisstumpf des Opfers zoomt, hat das keinerlei künstlerischen Anspruch mehr. Ebenso wie das völlige Fehlen einer sich entwickelnden Story und der dreiste Verzicht auf jeden unnötigen Dialog, zeigt das unbarmherzige Draufhalten der Kamera lediglich die perverse Sensationsgier der Filmemacher.

Auch wenn die Splatter-Effekte spektakulär und überaus überzeugend sind, vermögen sie den Film nicht zu retten. Nach der unerträglich langweiligen und viel zu langen Einleitung bleibt es bei einer unfassbar widerwärtigen Darstellung der Tötung und Schlachtung des Opfers. Dabei kommen Exkremente, Blut und Eingeweide keinesfalls zu kurz. Selbst hartgesottene Splatter-Fans sollten sich angesichts der unreflektierten Gewaltdarstellung nach dem Sinn dieses Schlussteils fragen. "Cannibal" ist weder eine Psychostudie, noch fragt er nach Hintergründen oder verschiedenen Blickwinkeln einer den meisten Menschen unvorstellbaren Tat. Er hat nur eines im Sinn: Kannibalismus in seiner ekelhaftesten Form darzustellen. Selbst Provokation ist hier nicht anvisiert - es geht einfach nur um Voyeurismus. Und das ist im Grunde ebenso ekelhaft wie das Dargestellte an sich.

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