An einem erinnerungswürdigen Fossil wie dem “A-Team” wird erst deutlich, wie sehr sich der Zeitgeist gewandelt hat und wie sich dies in der TV-Serien-Produktion der letzten Jahrzehnte niederschlug.
Entgegen der geläufigen Annahme, Fernsehunterhaltung werde schon immer einfältiger, entwickelte sich nach dem Jahrtausendwechsel der Trend zu immer ausgefeilteren und durchkonzipierteren Serien. Zum einen ein Resultat des immer komplizierter werdenden Kampfes um Quoten, die durch multimediale Auswahlmöglichkeiten von Sendern schon immer schwieriger zu gewinnen sind; zum anderen auch ein Abbild des gesellschaftlichen Perfektionismus, bei dem nichts mehr dem Zufall überlassen werden darf.
Vor einem Vierteljahrhundert war die Welt aber noch simpel gestrickt und einfach zu verstehen. So fühlt es sich wenigstens aus heutiger Perspektive an und alberne TV-Serien wie das völlig hanebüchene “A-Team” scheinen dies zu belegen. Sorglosigkeit ist ein Attribut, das als erstes in den Sinn schlägt, wenn zum Beispiel ohne Skrupel dicke Zigarren am Stück geraucht werden. In der heutigen Nichtrauchergesellschaft undenkbar. Wenn in jeder Folge Autostunts, Schusswechsel und Explosionen eingebaut werden und über fünf volle Jahre exakt fünf Tote auf der Leinwand zu verbuchen sind - und das nicht einmal immer onscreen. Undenkbar in einer Zuschauerschaft, die auf knallhartem Realismus besteht. Wenn die vier Hauptfiguren - selbst in Gefangenschaft - immer alles unter Kontrolle haben und Hannibals Liebe zu funktionierenden Plänen ohne Unterlass erblüht, weil nämlich niemals ein Plan schiefgeht. Undenkbar - wie gesagt. Der Realismus.
Aus diesen Gründen alleine muss man das “A-Team” schon lieben. Das charmante Ungestylte ist es, das den nostalgischen Zugang zu einer Sache erleichtert, die rein thematisch heutzutage längst überholt ist.
Denn das “A-Team” ist durch und durch ein Kind der Achtziger Jahre insofern, als dass es eine Reaktion auf die ausgehenden Sechziger Jahre darstellt. Es befasst sich mit den Folgen der Verluste im Vietnamkrieg und der Eingliederung der Veteranen in den Alltag.
Bezugnehmend auf den 1982 erschienenen “Rambo” ist das “A-Team” nur ein Jahr später bereits als postmodern zu verstehen. Gilt “Rambo” noch als bittere Anklage gegen die Doppelmoral des militärischen Apparates, verarbeitet die Actionserie die Inhalte bereits mit starker Slapsticklastigkeit und nimmt sie im Grunde schon gar nicht mehr ernst. Ein “Howling Mad” Murdock (Dwight Schultz) ist als Geisteskranker nicht etwa die tragische Figur, die im Krieg mit Agent Orange in Kontakt gekommen wäre oder aufgrund seiner schrecklichen Erlebnisse als Hubschrauberpilot wahnsinnig geworden sein könnte, sondern der Clown, der regelmäßig für Belustigung sorgen soll. Auf ähnliche Weise wird die Unnahbarkeit des als brummiger Schlägertyp konstruierten B.A. Baracus (Mr. T) demontiert, indem dessen Flugangst immer wieder thematisiert und er von seinen Freunden gar stets aufs Neue mit einem Schlaftrunk bewusstlos gemacht wird, damit er gefahrenlos in Murdocks Flieger gesteckt werden kann. Auch der Frauenheld Templeton “Face” Peck (Dirk Benedict) sowie der stets überlegen grinsende Verwandlungskünstler John “Hannibal” Smith (George Peppard) sind nur Karikaturen dessen, was sie eigentlich spielen sollen. “Das A-Team” ist ein Comic.
Wie in einem Comic sind sämtliche Charaktere maßlos überzeichnet; wie in einem Comic wird auch stets alles so zurecht gelegt, wie man es braucht. Autos explodieren auf Wunsch, sind ansonsten aber zuverlässiger als Panzer. Magazine haben eine unbegrenzte Kapazität - es sei denn, die Choreografie verlangt etwas anderes. Mindestens ein dramatisch durch die Luft fliegendes Auto gehört zum Grundrepertoire einer jeden Folge. Eine dumme Verkleidung pro Folge muss auch sein. Die Figuren bekommen keinerlei individuelle Vertiefung, sondern definieren sich einzig und alleine durch Offensichtlichkeiten. Die Frage, ob Murdock wirklich geisteskrank ist oder nur so tut, belegt, dass man nie daran interessiert war, in das Innenleben der Charaktere einzudringen. Ihren Antrieb generiert die Serie mitnichten durch die Plots, die abgesehen von ein paar Running Gags keinerlei Kontinuität vorweisen können und immer gleich ablaufen, sondern nur durch das Zusammenspiel der vier Charakterköpfe im Zentrum, die von Natur aus zu Reibereien führen müssen. Stärker als alles andere dokumentiert die Beziehung zwischen Murdock und B.A. den Erfolgskern der Serie: das Spiel mit der Gruppendynamik, es ist der zentrale Kern, ohne den hier nichts funktioniert.
Deutlich wird dies bereits im Piloten in Spielfilmlänge. In der Rahmenhandlung absolut enervierend, wird es erst interessant, wenn nach mehreren Minuten endlich jemand vom A-Team auftaucht. Mit Exzentrik wird nicht gegeizt, um von Beginn an klarzumachen, woran der Zuschauer hier ist: Hannibal steckt in einem plumpen Monster-Kostüm, als er von B.A. und Face abgeholt wird. Face wird zu diesem Zeitpunkt noch von Tim Dunigan gespielt, der ab der ersten regulären Episode jedoch von Dirk Benedict ersetzt wird, weil Dunigan den Produzenten zu jung aussah für einen Vietnam-Veteranen.
Schnitt ins Veteranen-Hospital, wo der verrückte Murdock gerade auf einem Tisch herumtanzt und im “Napoleon”-T-Shirt sein Spielchen mit dem Militär treibt. Das Gebiet wird schnell und provisorisch abgesteckt, in kürzester Zeit ist die Konstellation festgesetzt. Es gesellt sich schließlich noch Reporterin Amy (Melinda Culea) zum Team - wie aus dem Lehrbuch für Stereotypen muss einmal mehr eine weibliche Reporterin mit an Bord sein und sich gegenüber einer geheimen Selbstjustiz-Organisation (die freilich unsere Sympathien hat, womit die Selbstjustiz uramerikanisch glorifiziert wird) entgegen ihres Berufsethos loyal verhalten.
Wer sich nun von den weiteren Folgen eine Vertiefung der Handlung erwartet, sieht sich getäuscht; nur im mit Off-Kommentar versehenen Vorspann wird immer wieder auf die Vorgeschichte eingegangen und erst am Ende der ersten Staffel wird die Vergangenheit wieder richtig aufgerollt, indem das Militär in den Mittelpunkt rückt. Bis dahin jedoch regieren abgeschlossene Fälle, in denen das A-Team aus reiner Nächstenliebe (und für ein kleines Entgelt) Schwachen dabei hilft, gegen ihre Peiniger vorzugehen. Dabei wird zunächst elegant das Problem eingeführt, dann taucht Hannibal verkleidet als Vermittler auf, es wird recherchiert, man geht mit den Bösen auf Konfrontationskurs und manövriert sich postwendend in eine Defensivlage, in der die Gegner kurzzeitig Überwasser haben; allerdings nur scheinbar, wie die unbeirrt coolen Sprüche von Face und Hannibal bei der Gefangennahme schon erahnen lassen.
Hier entwickelt sich nun das populärste Element der Serie: Die Zusammenbausequenzen, die wahrhaft TV-Geschichte schrieben und selbst heute noch unzählige Male parodiert werden. Rambos Überlebenskampf im Wald folgend, wird dem Normalbürger das Improvisationstalent von Ausgebildeten des US-Militärs vor Augen geführt. Das A-Team macht praktisch “aus Scheiße Gold”, indem es einfache Gebrauchsgegenstände etwa aus dem Kerker, in den sie eingesperrt wurden, in effektive Waffen umfunktioniert. Rein technisch machen die Schweiß- und Montagearbeiten keinerlei Sinn, aber am Ende ist dennoch ein voll funktionsfähiges Verteidigungsgerät entstanden und der Spieß wird umgedreht. Es folgt das Übergewicht an Stunts und Feuergefechten, ein Witz zum Ausklang und schon laufen die Credits mit den Highlight-Szenen der jeweiligen Folge.
Das ist auf Dauer ein wenig monoton, wenn sich die gleichen Handlungsabläufe, die gleichen Gags und die gleichen Stunts wie in der Dauerschleife wiederholen. Doch die Serie hat immer ihre ureigene Persönlichkeit beibehalten. Sie ist nicht von außen maßgeschneidert worden, sondern hat praktisch ihren eigenen Weg genommen (der im Resultat viel anders ausgefallen ist als man vor Produktionsbeginn geplant hatte), auch wenn sie die Freiheiten, die sich ihr boten, nie so recht ausgenutzt hat. Die erste Staffel scheint zwar schon sehr schnell ihre Nische gefunden zu haben; tatsächlich ist sie aber noch auf der Suche nach ihrer endgültigen Form. Davon zeugt die extrem geringe Distanz zwischen den Drehs und der Erstausstrahlung (nur wenige Wochen), die Umbesetzung der Figur des Face nach dem Piloten sowie der Umstand, dass die Rahmenhandlung um das Militär, das es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, das A-Team zur Rechenschaft zu ziehen, bislang höchstens angeschnitten wird.