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ACHTUNG: SPOILER! Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte das folgende Review nicht lesen.

Die Teenagerin Carrie White (Sissy Spacek) kann einem leid tun. Ihre streng gläubige Mutter verbietet ihr jeglichen Kontakt mit Gleichaltrigen, in der Schule steht sie als krasse Außenseiterin da. Als nach dem Sportunterricht unter der Dusche eines Tages ihre Menstruation einsetzt und sie unwissend in Panik gerät, wird sie erst recht zum Gespött ihrer Mitschülerinnen. Umso erstaunlicher, dass sie ein Mitschüler zum nahenden Abschlussball einlädt. Doch Carrie weiß nicht, dass ihr dort ein fieser Streich gespielt werden soll. Als sie auf dem Ball schließlich endgültig abgefertigt wird, nützt sie ihre telekinetischen Fähigkeiten die sie bereits vorher bemerkte, und entfacht in der High School eine Feuersbrunst

King-Verfilmungen haben seit jeher höchst unterschiedliche Qualitäten. "Carrie" gehört eindeutig zu den besseren. Der Film ist keine effektheischender Horrorfilm, sondern zunächst eine stille Charakterstudie eines ausgestoßenen Mädchens, die ans Herz geht. Das Ganze ist grandios aufgezogen. Da wird erst einmal das bemitleidenswerte Leben der Carrie geschildert, wie sie von allen gehänselt wird, zwischendurch ein paar Spannungsmomente, bis letztendlich auf der Abschlussparty die Situation eskaliert. Alles kerzengerade erzählt, keine Subplots oder ähnliches, der Zuschauer wird einzig und allein auf diesen Ball vorbereitet.

Die entscheidende Sequenz lässt schließlich die ganze Genialität eines jungen Brian de Palma erkennen: Ein Topf mit Schweineblut hängt über der Bühne, darunter steht Carrie, die soeben den ganzen Tanzwettbewerb gewonnen hat. Anstatt nun mit lauter Musik oder schnellen Schnitten Spannung zu schüren, zelebriert de Palma die Szene in Zeitlupe und nahezu ohne Geräusche. Das erstreckt sich auf fast fünf Minuten, die perfekt montiert sind, der Zuschauer dauernd hoffend, dass das Unheil noch abgewendet werden kann. Der dramaturgische Höhepunkt ist dann erreicht, als der Topf fällt und all das, was über eine Stunde aufgebaut wurde, die Eingliederung Carries in die Gesellschaft, ist binnen Sekunden zerstört. Das macht die Sache umso dramatischer, folgt doch auf ihren glücklichsten Moment in ihrem Leben gleich der schlimmste.

Anschließend brennt de Palma ein kleines Feuerwerk ab, das zwar nicht sehr lange dauert, dafür aber umso intensiver ist. Die Montagetechnik ist dabei erwähnenswert, er schneidet bei dem Massaker häufig mehrere Bilder nebeneinander, um so den gewünschten Effekt zu erzielen. Dabei bleibt der Film ebenfalls angenehm blutarm, dafür verdammt spannend. Anschließend erfährt man erst genauere Details über Carries Mutter, die von ihrer eigenen Tochter in einer der am häufigsten zitierten Szenen der Filmgeschichte getötet wird, als sie mittels Telekinese ihre Mutter mit Küchengeräten kreuzigt. Danach ist Carrie tot, genauso wie fast die ganze Schule, bloß eine Freundin hat überlebt, mit deren Traumsequenz der Film endet. Und siehe da: Wo de Palma mit Schockeffekten die ganze Zeit gespart hat, packt er hier einen Knaller aus, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das Ende ähnelt übrigens sehr de Palmas "Dressed to Kill".

Für Freunde des leisen Horrors ist "Carrie" ein echtes Juwel. Plumpe Schreckszenen gibt es kaum, außer einigen mysteriös angehauchten Sequenzen in der ersten Filmhälfte, als die Grausamkeit von Carries Mutter deutlich gemacht wird. Da blitzt wieder einmal de Palmas Vorliebe für Hitchcock auf, die Geigenmusik an ein paar Stellen erinnert an "Psycho". Einen Schauer über den Rücken jagt der Film dennoch nicht, es sieht fast nach einem Psychodrama aus.

Trotz dieser Stärken und einer verdammt guten Darstellerriege kann man "Carrie" nicht als perfektes Meisterwerk bezeichnen. Über die Hintergründe von Carries Fähigkeiten wird man nämlich so gut wie gar nicht aufgeklärt. Das hätte man prima im ersten Abschnitt unterbringen können, leider erscheint da die Zeit, die man für Carries Charakter aufbringt, etwas verschenkt. Eine völlig unnötige Passage ist im übrigen der Kleiderkauf der drei Jungs. Entweder ich hab den Sinn davon nicht verstanden oder die Szene soll für ein wenig Humor sorgen. Wenn’s so sein soll, ist es jedenfalls schiefgegangen.

Trotzdem: "Carrie" ist Kult, zog unzählige (meistens miese) Ableger nach sich und bedeutete für Stephen King als Schriftsteller und für de Palma als Regisseur den Durchbruch. Letzterer vollbrachte hier eine Glanzleistung, selten hat bei einem Film die Regie soviel rausgeholt wie bei "Carrie". Ein stiller Psychohorror, wie man ihn nicht alle Tage sieht.

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