Die junge und schüchterne Carrie White, die von ihrer Mutter streng christlich erzogen wird, stellt, als die anderen Mitschüler sie ärgern, fest, dass sie übersinnliche Kräfte hat und, dass diese frei werden, wenn sie wütend wird. Als sie schließlich auf dem Abschlussball vor der gesamten Schule gedemütigt wird, kommt es zu einer Katastrophe.
Dies ist also die Verfilmung des ersten Romans von Horror-Legende Stephen King von Regie-Altmeister Brian De Palma. Wenn man in der Fernsehzeitung oder im Kino-Programm Stephen-King-Verfilmung liest, denkt man meist an irgendwelche billigen und trashigen Werke, bis auf ein paar Ausnahmen wie "Misery", "Shining", "Die Verurteilten" oder "The Green Mile". Und Carrie gehört definitiv zu diesen Ausnahmen und ist nicht nur eines der besten Werke von King und De Palma, sondern ohne Zweifel einer der besten Horrorfilme aller Zeiten, der sich nicht hinter "Der Exorzist" oder "Das Omen" verstecken muss. Mit "Carrie" wurde Horror-Geschichte geschrieben.
Die Story ist gut. Im Gegensatz zu anderen Storys von King macht "Carrie" nicht nur als Horror-Schocker, sondern auch als Drama viel her. Darüber hinaus lässt sich der Film, anders als die meisten Vertreter des Genres, ausreichend Zeit, um den Charakter der Hauptperson ausführlich zu beleuchten, um den Film auf eine wesentlich emotionalere und vielschichtigere Ebene zu ziehen. Die gesamte erste Hälfte des Films erinnert eher an ein Jugenddrama, als an einen Horror-Film. Während der Film in der ersten Hälfte kaum durch überraschende Wendungen beeindrucken kann, zumal der erfahrene Stephen-King-Zuschauer ja sowieso schon weiß, worauf es zwangsläufig hinauslaufen muss, ist die zweite Hälfte umso überraschender. Auch heute kann die Story noch beeindrucken, obwohl andere Filmemacher die Grundidee schon dutzendfach durch den Wolf gedreht haben. Vor allem das relativ offene Ende, dass ich nicht vorwegnehmen möchte, ist meiner Meinung nach sehr gut und vollendet die verstörende Wirkung des Films.
Brian De Palma, der nach "Die Schwestern des Bösen" und "Schwarzer Engel" erneut einen Horror-Film inszeniert, leistet hervorragende Arbeit und lässt bereits erahnen, was für eine große Karriere, in der er Meilensteine wie "Mission: Impossible", "Scarface" oder "The Untouchables" setzen konnte, ihm bevorsteht. Die Filmmusik ist klasse. Sie ist meist melancholisch und getragen, baut sich aber an den spannenden Stellen zu aufregender Spannungsmusik auf und kann somit ein paar Schockmomente erzielen. Das Erzähltempo hält de Palma anfangs niedrig, um seiner Figur Tiefe zu geben und beschleunigt es zum Ende hin perfekt, um atemlose Spannung aufzubauen. Die Atmosphäre ist die ganze Zeit über sehr düster. Sogar im stellenweise heiteren ersten Teil gelingt es De Palma, eine düstere Atmosphäre zu halten, die zum Ende hin immer mehr an Dichte gewinnt. Darüber hinaus gefällt es mir sehr, dass Brian De Palma auf blutige und übertriebene Action-Szenen und Effekte verzichtet, um die Atmosphäre aufrecht zu erhalten und , dass er bis auf ein paar kleinere Ausnahmen eher auf subtile Spannung setzt.
Der Unterhaltungswert ist natürlich ebenfalls hoch. Da die ganze Zeit über subtlie Spannung gesteigert wird, ist der Film zu keinem Zeitpunkt langweilig, obwohl die Ereignisse der ersten Hälfte sehr langsam erzählt werden. Dann steigern sich Dramatik und Spannung im Mittelteil gleichermaßen, um schließlich im brillianten Herzschlagfinale ihren Höhepunkt zu finden. Und gerade wenn der Zuschauer denkt, der Film wäre nun vorbei, baut King sein zweideutiges Ende ein und erzielt mit seinem Film eine sehr verstörende Wirkung, wie sie nur wenige Horror-Filme erreichen. Der Film ist damit auf jeden Fall empfehlenswert und für Cineasten ist der Kultfilm sowieso ein Muss.
Viele Horror-Filme und auch einige Stephen-King-Verfilmungen kranken an ihren unterdurchschnittlichen Darstellern, doch gerade in "Carrie" beeindruckt der Cast mit schauspielerischen Höchstleistungen. Oscar-Preisträgerin Sissy Spacek darf in einer ihrer ersten Rollen, in der Rolle der verstörten Carrie, beeindrucken und wurde folgerichtig für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert. Sie spielt die Rolle sehr überzeugend und lässt ihre Figur einerseits sonderbar und verstört, andererseits aber auch sympathisch, zerbrechlich und gegen Ende sehr brutal wirken, ohne dabei in grenzdebile, ausdruckslose Mimik zu verfallen. Die ebenfalls nominierte Piper Laurie, die in der Rolle der streng religiösen, fanatischen Mutter steckt, leistet ebenfalls gute Arbeit und überzeugt auf ganzer Linie mit ihrer düsteren Art. John Travolta liefert in einer seiner ersten Rollen, noch vor seinem Durchbruch mit "Saturday Night Fever" eine solide Leistung ab und wirkt bereits hier so arrogant und schmierig, wie er es auch in seinen Paraderollen tat. Der übrige Cast kann ebenfalls überzeugen.
Fazit:
Carrie ist einer der besten Filme aller Zeiten und ein Meilenstein für das Horror-Genre. Regisseur Brian De Palma setzte Stephen Kings Horror-Vision virtuos um und kann mit einer düsteren Atmosphäre und einer hervorragenden Dosierung von Schockmomenten atemlose Hochspannung erzeugen. Durch eine relativ vielschichtige Charakterkonstruktion wird das Meisterwerk abgerundet und vollendet. Man muss den Film einfach mal gesehen haben.