Blutsverwandte
Ein recht erstaunlicher kleiner Film dessen düster/tragische Stimmung, die Abgründe einer gut bürgerlichen Familienfassade aufdeckt. Im Grunde ein Thriller wie er im Buche steht, der durchaus überzeugen kann, und wohl auch heute noch ein Vorbild vieler, vieler Filme sein dürfte.
Die Geschichte:
Die etwa 15 jährige Patricia Stark (Aude Landry) stürtzt eines Nachts mit blutverschmierten Händen in ein Polizeirevier in Montréal. Sie erzählt dem Inspektor: Steve Carella (Donald Sutherland), daß sie und ihre 17 jährige Cousine: Muriel (Lisa Langlois) auf dem Heimweg von einer Party von einem Mann überfallen wurden. Dieser habe ihre Cousine vergewaltigt, und anschließend mit einem großen Messer getötet. Patricia selbst konnte nur in allerletzter Sekunde in das Polizeirevier fliehen.
Die Polizei beginnt mit den Ermittlungen im Hause der Starks, wo Patricia zusammen mit ihrem älteren Bruder Andrew (Laurent Mallet) und ihrer Cousine Muriel, die ihre Eltern bei einem Unfall verloren hat, lebt.
Als Erstes kommt der, schon mal wegen Kindesmißhandlung verurteilte, Mr. Doniac (Donald Pleasence) in Verdacht, auf den Patricias Täter-Beschreibung haargenau zu passen scheint.
Doch bei der Gegenüberstellung, entkräftigt sich der Verdacht, da Patricia ihn nicht als Täter wiedererkennt. Als dann die Mordwaffe aufgefunden wird, bricht Patricia ihr Schweigen und bezichtigt nun ihren eigenen Bruder: Andrew des Mordes an ihrer Cousine Muriel.
Dieser wiederum beteuert seine unschuld und sagt sogar aus, daß er Muriel geliebt habe und ihr niemals so etwas hätte antun können.
Dem Inspektor kommen indes erste Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Mord-Zeugin, bis dann Muriels Tagebuch aufgefunden wird, was den ganzen Mord in ein völlig anderes Licht stellt.
Hat Andrew seine Cousine Muriel aus Eifersucht getötet, oder war es vielleicht Muriels Chef: Mr. Armstrong (David Hemmings), den sie laut ihrem Tagebuch ebenfalls geliebt hat ?
Nun;
der Film wird in diversen Rückblenden erzählt, die mehr und mehr das Geheimnis des wahren Täters enthüllen; bis zum schockierenden Schluß, wenn die überraschende Auflösung kommt.
Genau nach diesem Prinzip funktionieren auch heute noch, ein Großteil aller Thriller;
aber vergleichen ließe sich dieser hier wohl eher z.B. mit:
DePalma's: "Schwarzer Engel", "Dressed to Kill", oder Argento's: "Stendhal Syndrom" (ist aber weitaus weniger blutig, daher FSK16), oder auch: "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe". D.h. der Film ist im Grunde ein beinahe klassischer Krimi, aber eben z.T. mit einem sehr dramatischen Hintergrund, wo es um Liebe, Haß, Wut, und Verzweiflung einer "normal"-bürgerlichen Familie geht.
"Blutsverwandte" kommt eigentlich eher beschaulich zur Sache, während die Geschichte langsam (oder besser: gemächlich) aufgebaut wird. Die wenige Orchester-Musik ist sehr "schwermütig", teils sogar tragisch; unterstützt aber sehr schön den ansonsten ruhigen Ablauf des Films, bis zur genialen Auflösung.
"Spannend" ist das Ganze daher nur bedingt, da der Schwerpunkt dieses Films mehr als eine Art Drama anzusehen wäre, was aber sehr dicht, und keinesfalls langweilig erzählt wird.
Sicher; es geht um die Ermittlungen in EINEM (dabei bleibt es auch) Mordfall, während dem Zuschauer mehrere mögliche Täter präsentiert werden, bis der wirkliche Täter dann gefaßt wird.
Aufgrund seines Alters wirkt das 4:3 Bild bei der CMV-DVD leider etwas blaß und farblos. Außerdem sind deutliche Kratzer und "Schnee"-Flecken zu sehen; der Ton ist hingegen recht gut verständlich, wenn es auch ähnlich alte Filme auf DVD gibt, die eine bessere Qualität aufweisen.
Fazit:
Eigentlich halte ich nicht sonderlich viel von "europäischen" Filmen, aber diese kleine Perle wäre zumindest einen Blick wert.
Allzuviel Blut sollte man allerdings nicht erwarten, was diesen Film wiederum zur idealen (leicht dramatischen) Krimi-Unterhaltung an einem düsteren Wochenend-Abend macht.