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Nicht jede Gabe ist ein Segen, sondern sie können für Ärger sorgen, wie Cate Blanchett in „The Gift“ feststellen muss.
Annie Wilson (Cate Blanchett) ist Witwe, seitdem ihr Mann bei einem Unfall ums Leben kam. Sie bekommt Witwenrente, doch um ihre drei Söhne großziehen zu können und dabei nicht am Hungertuch nagen zu müssen verdient sie zusätzliches Geld durch Kartenlegen. Annie hat nämlich hellseherische Kräfte mit deren Hilfe sie zumindest wage in die Zukunft sehen kann. Cate Blanchett gibt mal wieder herzensgute Frau für Hollywood, denn diese Rolle zieht sich ja beständig durch ihre Filmographie.
Doch nicht alle sind mit ihrem Nebenjob einverstanden: Die Polizei tut ihre angeblichen Kräfte als Humbug an, der Dorfschläger Donnie Barksdale (Keanu Reeves) bezeichnet sie als Hexe und droht ihr, weil Annie seiner Frau Valerie (Hillary Swank) rät ihn zu verlassen. So sind ihre besten Freunde auch nicht unbedingt die angesehensten Leute der Gemeinde, sondern Außenseiter wie der geistig zurückgebliebene Buddy Cole (Giovanni Ribisi). Juhu, die freakige Kleinstadt, das hat Regisseur Sam Raimi ja schon in „Ein einfacher Plan“ seziert, aber an dessen Qualitäten reicht „The Gift“ leider nicht so ganz heran.

Als die junge Jessica King (Katie Holmes) verschwindet und man keinen Hinweis findet, sieht die Polizei nur einen Ausweg: Sie bemühen Annie und ihre hellseherischen Kräfte um Hilfe. Annie kann erst nichts sehen, doch dann erkennt sie den Aufenthaltsort von Jessicas Leiche in einer Vision. Doch das setzt die Ereignisse erst so richtig in Gang…
„The Gift“ ist ein bloß leidlicher spannender Mysterykrimi, da die Geschichte etwas zu simpel ist, um den Zuschauer wirklich zu fesseln. Die Mördersuche beschränkt sich auf wenige Visionen und die obligatorische Wendung gegen Ende, doch man ahnt schnell, dass der erste Verdächtige in Wahrheit unschuldig sein muss. Immerhin bleibt die Frage wer es denn wirklich war, lange offen und wird auch erst gegen Ende geklärt, ohne dass „The Gift“ vorher allzu deutliche Hinweise auf den wahren Schuldigen gibt.
Leider fehlt der Whodunit-Geschichte an Tempo, um so wirklich zum großen Genrefilm aufzusteigen. Bei so wenigen Wendungen hätte man sich immerhin einige Spannungsmomente gewünscht, aber „The Gift“ bietet nur wenige davon (und meist ist das dann die handelsübliche Rettung in allerletzter Sekunde). Doch obwohl der Plot von „The Gift“ nicht so recht aus dem Quark kommt, so besitzt Raimi doch Gespür für Atmosphäre und bebildert den Film angemessen: Herrlich sumpfig-düster kommt die Kleinstadt irgendwo zwischen Arsch der Welt und Nirgendwo rüber und die Visionen sorgen für etwas unheimliche Stimmung.

Das Figurenkabinett gehört auch den Punkten, in denen sich „The Gift“ wohltuend vom Mystery-Einerlei abhebt, denn die Horde leicht verschrobener Hinterwäldler wirkt interessant. Was „The Gift“ nur ein wenig in diesem Punkt fehlt, das ist Gefühl für echte Charaktertiefe. Teilweise sind die Figuren ganz gut ausgearbeitet, aber ein paar wirken zu einseitig (z.B. ist Donnie bloß der üble Schläger und man erfährt kaum mehr über ihn). Schade ist, dass gerade auf Buddy nicht so richtig eingegangen wird, denn im Bezug auf ihn bleiben viele Fragen offen. Die Geschichte nimmt seine Psychose ständig auf und lässt sie wieder fallen, klärt kurz auf, woran Buddy Schaden genommen hat, aber irgendwie wirkt gerade dieser Plotpunkt zu unfertig, um überzeugen zu können. Dabei werten die Nebenhandlungen den simplen Krimiplot ansonsten ganz ordentlich auf.
Cate Blanchett guckt zwar stellenweise so belämmert aus der Wäsche als wolle sie den inoffiziellen Mitleidscontest Kategorie Hauptfiguren gewinnen, aber im Großen und Ganzen erbringt sie eine ordentliche Leistung. Gleiches lässt sich auch über die recht prominente Nebendarstellerriege sagen, wobei vor allem Keanu Reeves überrascht. Der ist ja solider Mainstreamdarsteller und kein Oscaranwärter, doch hier bringt er eine überraschend gelungene Performance fernab von seinem Schönlingsimage.

„The Gift“ ist ein ganz solider Mysterythriller, der vor allem dank schicker Optik und interessanter Figuren punkten kann. Wäre die Handlung komplexer und ein paar Nebenhandlungen besser ausgearbeitet, dann wäre das Ergebnis auch sicherlich besser als nur ganz nett.

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