Review

„Es ist lustiger mit Geschrei!“

Mit der Mischung aus Horrorkomödie und Genre-Hommage „Haus der 1000 Leichen“ lieferte der eigentlich aus dem Musikgeschäft stammende Regie-Quereinsteiger Rob Zombie im Jahre 2003 sein Debüt ab, zu dem er auch das Drehbuch verfasste und die Musik komponierte.

Eine Gruppe von vier jungen Menschen reist auf der Suche nach bizarren Sehenswürdigkeit auch in die entlegenen Gebiete des Südens der USA und trifft dort auf das vom schrägen Redneck-Clown Captain Spaulding (Sid Haig, „Planet des Schreckens“) betriebene „Museum of Monsters and Madmen“. Dort erhält der Besucher in Form einer Geisterbahn Informationen über diverse Serienkiller, unter anderem über den in unmittelbarer Umgebung sein Unwesen getrieben haben sollenden Dr. Satan. Dieser weckt das Interesse der Touristen ganz besonders, doch auf dem Weg zu dessen Grab nehmen sie die Anhalterin Baby Firefly (Sheri Moon Zombie) mit, die nach Hause möchte. Eine vermeintliche Autopanne sorgt dafür, dass man schließlich in die Fänge Babys irrer Familie gerät, die die vier Freunde zum Teil ihrer ganz eigenen Halloween-Party macht…

Angesiedelt zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt in den 1970ern, beginnt Zombie seinen Film mit einer überraschend sorgfältigen Herausarbeitung des Charakters Spauldings als bärbeißigen, alternden Redneck – einer Rolle, die Sid Haig wie auf den Leib geschneidert scheint. Diese Rolle indiziert bereits Zombies Charakterisierung von Südstaatlern in einer Mischung aus Ehrerbietung und Persiflage, die sich durch weite Teile seines Werks ziehen wird. Sämtliche Charaktere sind eindeutig überzeichnet, was zum komödiantischen Stil des Films beiträgt, verfügen aber über einen hohen Wiedererkennungswert. In ihrer Bizarrie, Überdrehtheit und Gewalttätigkeit sind sie die Stars des Films, der seinen Fokus auf das Böse legt, nicht etwa auf die Opfer. „Haus der 1000 Leichen“ wird zu einer schrägen Backwood-Terror-Revue, zu einer schwarzhumorigen Freakshow, die jeden moralischen Zeigefinger kurzerhand abschneidet. Dafür wildert sich Zombie durch die Genrehistorie und zitiert vornehmlich den Hinterwäldlerhorror der 1970er sowie Serienmörder-Biographien, rührt kräftig durch und schmeckt mit ein paar eigenen Ideen ab. Ein Fan-Film also, für den vor allem „The Texas Chainsaw Massacre“ und Ed Gein Pate standen. Das führt zu einigen grafisch expliziten Grausamkeiten, die durchaus sehenswert technisch umgesetzt wurden, die Grenze zum sog. Torture Porn, also zum absoluten Selbstzweck, aber höchstens mal touchieren; vielmehr reihen sie sich in die nicht ernstzunehmende, bisweilen fast schon parodistische Stimmung des Films ein und erinnern damit beispielsweise an die erste „The Texas Chainsaw Massacre“-Fortsetzung. Nichtsdestotrotz mögen diese Szenen gerade im Zusammenhang mit dem überdrehten, psychopathischen Humor manch unerfahreneren Zuschauer schockieren.

Die visuelle Ästhetik des Films kann sich sehen lassen: Die herrlich morbiden, dreckig-organischen, detailreichen Kulissen sind ein idealer Tummelplatz für den gezeigten Wahnsinn, der mit Zwischenschnitten von altertümlichen, verstörenden Schwarzweiß- und Privataufnahmen der Familie angereichert wurde. Auch arbeitet Zombie überraschend mit Split Screens, farbverfälschten Traumsequenzen und künstlerischen Kabinettstückchen wie während der Entdeckung der Geiseln durch die Polizei: Ausgewalzte Zeitlupensequenzen, die im Kontrast zum modernistischen, mitunter hektischen Schnitt stehen, eine eingespielte Oldie-Ballade und beim Tod des alten Sheriffs eingefügte Weihnachtsbilder seiner Familie sowie die sehr lang herausgezögerte Hinrichtungsszene im Showdown dieses Abschnitts erschaffen eine eigentümliche, dabei voll ausgekostete Atmosphäre des Vergänglichen in Kombination Pathos. Fast schon zu viel des Guten ist schließlich das teilweise in Rotfilter getauchte Finale unter Tage, das den zuvor eher als Legende gehandelten Dr. Satan zeigt, der fatal an Dr. Freudstein aus Lucio Fulcis „Das Haus an der Friedhofmauer“ erinnert und, ebenso wie sein Hilfspersonal, klasse aussieht (tolle Masken-/Make-up-Arbeit), jedoch eine Art Stilbruch darstellt.

Das ständige und mitunter reichlich aufgesetzt wirkende Gefluche der Charaktere sollte Zombies Markenzeichen werden und sich in der Folge durch jeden seiner Filme ziehen, erzielt in seinem inflationären Gebrauch jedoch kaum den möglicherweise intendierten Effekt, dürfte im komödiantischen Kontext dieses Debüts indes noch am ehesten passen. Schauspielerisch kann man „Haus der 1000 Leichen“ kaum Vorwürfe machen; das von der sexy Blondine (Baby Firefly) über die reife MILF (Mutter Firefly, gespielt von Karen Black, „Easy Rider“) und den langhaarigen Südstaaten-Asi (Rob-Zombie-Lookalike Otis, gespielt von Bill Moseley, „Die Armee der Finsternis“) bis zum entstellten Mutanten (Tiny, gespielt von Matthew McGrory, „Big Fish“) reichende Ensemble legt sichtliche Spielfreude an den Tag und verfügt über ausreichend Charisma, um seine Rollen mit Leben und Individualität auszufüllen. Der Soundtrack stammt größtenteils von Rob Zombie persönlich, wurde ergänzt durch Stücke von den Ramones, den Commodores, Helen Kane etc. und übernimmt erwartungsgemäß eine dominante Position im Aufbau des Films.

Fazit: Mit „Haus der 1000 Leichen“ gelang Rob Zombie eine überzeugende, unterhaltsame, schwarzhumorige Genre-Hommage als Spielfilm-Debüt, das hin und wieder etwas zu viel auf einmal will und keinesfalls als bierernster Horrorfilm betrachtet werden sollte. Mit der richtigen Erwartungshaltung können jedoch gerade Genre-Affine eine gute Zeit verleben - „Party-Horror“, ganz ohne die negative Konnotation des Begriffs.

P.S.: Nachdenklich und traurig stimmt mich, dass zum Zeitpunkt meines Verfassens dieser Zeile solch charismatische Schauspieler(innen) wie Karen Black und Matthew McGrory bereits nicht mehr unter den Lebenden weilen. Karen Black verstarb vor wenigen Wochen im Alter von 74, der mit 2,29 Metern riesenhafte Matthew McGrory bereits 2005 angeblich eines natürlichen Todes – mit nur 32 Jahren! Ruht in Frieden...

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