Review

Eine Blondine schwebt schwerelos durch eine plüschtapezierte Raumschiffdeko und entkleidet sich zu charmant-psychedelischen Klängen, während die Vortitel verschmitzt ihre Scham bedecken dürfen.
So beginnt „Barbarella“, ein Beispiel für künstlerischen Eskapismus bzw. eines der seltsamsten Gewächse, die die Filmwelt hervorgebracht, so sinnlos wie unangreifbar, so anachronistisch wie kultisch, so gut wie schlecht.

Mit „Barbarella“, Heldin einer erotischen Comicserie, kam so ziemlich alles zusammen, was man braucht, um so eine erzählerische Mutation als Darsteller oder Regisseur unbeschadet zu überstehen.
Inszeniert auf dem Höhepunkt der Hippie-Bewegung, kommt die Botschaft dieser erotischen SF-Fantasie natürlich sehr gut rüber, „Make Love not War“, die Menschheit ist befriedet – nun muß sie aber noch die körperliche Liebe wieder finden (wer schon immer wissen wollte, woher die „Sex-ohne-Berührung-Sequenz“ aus „Demolition Man“ her ist, hier ist der Ursprung!). Die sexuelle Freizügigkeit rollte als Welle durchs Land und die hier ansatzweise unzüchtig dargebotene Zeigefreudigkeit, die sich allerdings lediglich in Räkeleien und sehr erotischen Kostümen äußert, war da natürlich gern gesehen.

Barbarella ist auf der universellen Suche nach einem verschwundenen Wissenschaftler, der sich schlussendlich als gefährlicher und machtbesessener Psychopath entpuppt, ein finsterer Diktator, der in einer Stadt der Sünde absolutorisch herrscht – ein Schelm, wer da nicht an einen Streich gegen das Establishment in Washington denkt. „Make Love – not War“ – na kloar!

Dennoch wäre das alles gar nicht so sonderlich in Erinnerung geblieben, wenn nicht gleichzeitig der französische Regisseur Roger Vadim nicht seiner momentanen Angebeteten Jane Fonda den Film als Altar dargeboten hätte (Brigitte Bardot war schon vor ihr dran…) und die Möglichkeit der Verfilmung nutzte, um sich dem Swinging-Sixties-Style in Sachen Ausstattung hinzugeben.
Das hieß üppig, bunt und schräg – Vadim schwelgt in kaum verhüllten, aber ungeheuer phantasievollen Studiokulissen irgendwo zwischen Star-Trek-Planet und LSD-Trip und setzt ganz einfach auf die Unwirklichkeit und Naivität.
Praktisch, dass offenbar niemand die Story auch nur einen Funken ernst genommen, denn der softe Ernst, der hier manchmal an die Oberfläche kommt, ist eine Seifenblase, die die Bilder gleich wieder platzen lassen.
Vadim hat nur eins im Sinn, einen Bilderrausch mit Jane Fonda als erotisches Zentrum, um das er tolle Kulissen, eine düster-erotische Anita Pallenberg und einen als blinder Engel erscheinenden John Philipp Law gruppiert hat.

Daß dieser Einfallsreichtum tatsächlich das Potential gehabt hätte, sein Publikum zu packen, beweisen so einige Szenen. Eine frühe Sequenz auf einem Eisplaneten mit ein paar diabolischen Kindern, die beißfreudige Monsterpuppen auf Barbarella loslassen, kann Kindern noch heute Alpträume verpassen und das düstere Labyrinth vor der sündigen Stadt, in dem Stein und Kristall die Menschen einhüllt, während sie Orchideen essen, ist ebenso eindrucksvoll wie beklemmend. Dazwischen gibt es aber immer wieder anzügliche Kracherdialoge, post-koitale Schmunzler und so heiße Heuler wie das Orgasmotron, auf dem der gesuchte Wissenschaftler Duran Duran die Schöne totorgeln will (was die Fähigkeit der Frau zu endlosen multiblen Orgasmen natürlich verhindert).

Dennoch, die ganze Ausstattung wandelt geschickt zwischen „tres chic“ und „trashig“, zwischen einfallsreich und billig, zwischen beeindruckend und vergessenswert. Alle Weltraumsequenzen sind z.B. echt gruselig, da man als Vorbild fürs All offenbar ein paar Aufnahmen einer Flüssigkeit durch ein Mikroskop verwendet hat, albern und wenig überzeugend. Auch der „Matmos“, die denkende Masse auf der die sündige Stadt erbaut wurde, konnte kaum brauchbar mit den damaligen Mitteln realisiert werden, von einem Luftkampf gegen die motorisierte schwarze Garde mal ganz abgesehen. Aber Charme hat die Chose trotzdem aufgrund ihrer grenzenlos entwaffnenden Naivität – das die eigene Love/War-Botschaft selbst nicht ernst genommen wird, ist natürlich genauso klar.

Heute wirkt das alles reichlich angestaubt, wenn man sich so vorstellt, was in den 60ern so zusammengestückelt wurde, um zu unterhalten, insofern beweist „Barbarella“, dass „Austin Powers“ in allen Belangen recht hatte.

Wer also mal „alles auf einmal“ sehen möchte, SF, Comedy, Erotik, Trash und verklemmt-freizügigien Quark aus Mutters Jugend, der greife zu. Alle übrigen werden vermutlich laut fragen, wieso man so einen Murks überhaupt auf Film bannen musste. (6/10)

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