Review

Es hat mich selbst überrascht, dass es sich bei einem Film, der wahlweise die Titel DER GESTOHLENE HIMMEL und WETTERLEUCHTEN ÜBER DEM ZILLERTAL trägt, um ein Trash-Erlebnis allererster Klasse handelt. Selten habe ich einen Film gesehen, der derart oft die Grundstimmung und den Fokus seiner Geschichte ändert und bei dem quasi jede Szene ein Highlight der unfreiwilligen Komik darstellt. Nicht mal eine Handlung im klassischen Sinne gibt es. Normalerweise wende ich diesen Satz auf Experimental- oder Avantgardefilme an, die bewusst mit üblichen Konventionen brechen, doch bei DER GESTOHLENE HIMMEL scheint die Zerfasertheit und Konfusion des Drehbuchs wohl eher auf das Unvermögen der Autoren zurückzuführen sein, eine stringente, in sich schlüssige Geschichte zu erzählen.  

Eine der Hauptpersonen des Films, so viel kann man feststellten, ist immerhin Siegfried Rauch als Pfarrer Gruber, der die Nachfolge des alten Pfarrer Bachmayers in irgendeinem abgeschiedenen bayrischen Dorf übernehmen soll. In dem Ort treibt schon seit längerer Zeit ein Wilderer sein Unwesen, dessen Identität der Förster des Ortes bislang nicht enthüllen konnte. Hinter den Wildereien steckt, wie der Film zumindest dem Zuschauer schon früh mitteilt, ein junger Mann namens Hannes Reyer, der Mädchenschwarm des Ortes, der das getötete Wild stets zu seinem Freund Ernst bringt, der es wiederum in die nächste Stadt schafft und dort verkauft, was den beiden Männern ein beträchtliches Nebeneinkommen sichert. Nicht nur ihre heimlichen Verbrechen verbinden Ernst und Hannes, sondern auch die Liebe zur Dorfschönheit Barbara. Ständig versucht einer dem andern bei ihr zuvorzukommen und ein Date von ihr zu erbitten. Offensichtlich ist allerdings, dass Barbara Ernst wesentlich zugeneigter ist als Hannes. Eines Tages erwischt der Förster Hannes nun doch bei einem seiner Wildererausflüge und muss die Rechnung sofort zahlen: der überraschte junge Mann schießt ihn einfach über den Haufen. Danach macht er sich Vorwürfe, hat Alpträume, wird von seinem schlechten Gewissen geplagt, und erleichtert sich bei Pfarrer Gruber im Beichtstuhl. Gruber rät ihm natürlich nichts anderes als sich der Polizei zu stellen. Davon will Hannes aber nichts wissen. Als der Verdacht auf Ernst fällt, bei dem auch das Gewehr gefunden wird, mit dem der Förster nachweislich erschossen worden ist, sieht Hannes seine Chance gekommen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: einerseits wird niemand in ihm den Mörder vermuten und andererseits hat er, wenn Ernst im Gefängnis sitzt, auch freie Bahn bei Barbara. Pfarrer Gruber, an das Schweigegelübde gebunden, hadert mit sich und Gott. Wird er eine Sünde begehen und Hannes verraten?  

Ich gebe zu, die Inhaltsangabe lässt DER GESTOHLENE HIMMEL wie einen mehr oder weniger typischen Heimatfilm klingen. Da haben wir das Wilderermotiv, das Motiv der beiden Männer, die sich um eine Frau streiten, und einen Pfarrer als Hauptperson, der sich in einem schweren Konflikt mit sich selbst befindet. Die Szenerie ist ebenfalls seit Jahrzehnten im deutschen Unterhaltungskino bekannt: ein beschauliches Dorf, wo es nach Kuhdung, Weißbier und Blasmusik riecht. Selbst in den schlechtesten klassischen Heimatfilmen kann man jedoch eine einigermaßen klare Linie erkennen, einen roten Faden, der auf ein Ziel zusteuert. Das fehlt bei DER GESTOHLENE HIMMEL vollkommen. Wie ich oben schon bemerkte: die eigentliche Story, die ich in der Inhaltsangabe wiedergegeben habe, macht längst nicht den Großteil des Films aus. DER GESTOHLENE HIMMEL führt zunächst mal unzählige Nebenfiguren ein, die keine besondere Bedeutung für die Kerngeschichte haben, und die meisten davon sind schlicht skurril. Da gibt es einen Tankstellenbesitzer vor dem Dorf, der jedem, der bei ihm anhält, seine Verachtung für Kirche und Vaterland ins Gesicht schleudert. Da gibt es Hannes Vater, der aus einer Wildererfamilie stammt, dem Geschäft jedoch als erster Spross abschwor, da alle seine Vorfahren bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch die Gewehre von Jägern fielen. Und da ist natürlich der Wurzelsepp, perfekt dargestellt von Franz Muxeneder, ein Einsiedler, der die Tage allein in seiner Hütte im Wald zubringt, wo er scheinbar die meiste Zeit selbstgebrannten Schnaps trinkt, und höchstens mal ins Dorf pilgert, um sich von Hannes ein paar Pornohefte abzuholen, am liebsten die mit den schwedischen Mädchen.

Schlicht unglaublich ist auch wie der Film quasi alle paar Minuten die Richtung ändert, in die er sich bewegt. Lang und breit wird angedeutet, dass Pfarrer Gruber und Barbaras Mutter sich ineinander verlieben, doch irgendwann vergisst das Drehbuch das offenbar und kommt nie wieder darauf zurück. Nachdem Hannes den Mord begangen hat, schlägt der Film auch viel Zeit damit tot, die Polizei bei ihren Nachforschungen zu begleiten, wobei sämtliche Beamter mehr Klamaukfiguren sind als ernstzunehmende Ermittler. Und nicht unter den Tisch fallen darf natürlich die theologische Seite des Films, die vor allem in einem endlosen Gespräch zum Ausdruck kommt, das Pfarrer Gruber mit dem Dorflehrer führt (der danach nie mehr in Erscheinung tritt und völlig aus dem Film verschwindet). Der Dorflehrer führt Sartre an, um seinen Atheismus zu untermauern (allerdings eine wegen ihrer Vereinfachung nicht ganz korrekte Wiedergabe der Kernthesen des französischen Philosophen), behauptet, dass er zwar glaube, dass es ein höheres Wesen gebe, das die Menschen erschaffen habe, das es sich nun aber nicht mehr um deren Belangen kümmere. Im Vergleich zu diesen doch recht überzeugenden, klugen Ansichten sind die des Pfarrers nahezu lächerlich. Der will den Dorflehrer damit Schachmatt setzen, dass er ihm erklärt, ein Mensch bräuchte einen Glauben, denn dann verlaufe das Leben wesentlich leichter. Bis zum Schluss wird dabei nicht klar, wo sich der Film nun genau platziert, und wohin die später auch in Unterhaltungen der beiden Pfarrer thematisierten theologischen und philosophischen Grundfragen führen sollen. Das und die vielen teilweise unübersichtlichen Nebenhandlungen lassen den Film zu einem Flickenteppich werden, bei dem nichts wirklich zusammenzupassen scheint. 
Am besten illustriert das eine Szene, in der plötzlich die gesamte Charakterisierung des Pfarrer Grubers über den Haufen geworfen wird. Der ist so rechtschaffen wie man nur sein kann, ein vorbildlicher Kirchenmann, modern und weltoffen, freundlich zu allen Kindern und Tieren. Eines Tages geht er in das Lädchen einkaufen, in dem Barbara arbeitet. Als die auf eine Leiter steigt, um etwas aus den höheren Regalen herabzunehmen, heftet der Pfarrer eindeutig lüsterne Blicke auf die nackten Beine, die unter ihrem Rock hervorlugen, und ihr Gesäß. Bände spricht hierbei auch der abrupte Schluss. Nachdem Hannes ums Leben gekommen ist, scheinen dem Film alle die Charaktere, die er lang und breit einführte, plötzlich völlig egal sein. Man erfährt nur, dass Pfarrer Gruber den Priesterstand und das Dorf verlässt, und sämtliche Nebenschauplätze werden nicht mal mehr gestreift.

Äußerst amüsant fand ich auch die Musik, mit der der unmündige Zuschauer permanent beschallt wird, und die teilweise derart überzogen daherkommt, dass es nahezu grotesk wirkt. Zu Beginn betritt Hannes mit seinem Gewehr Ernsts Garage und es ertönt ein bedrohlicher Orchestersoundtrack wie aus einem Hollywoodfilm, der eher zu einem Weltuntergangsszenario oder einem Horrorschocker passen würde. Zweimal finden sich auch schlicht lächerliche Westernzitate. Hannes erlegt ein Reh und die Kamera filmt durch seine Beine hindurch das tote Tier, eine Einstellung wie aus einem Italowestern. Und wenn Hannes den Förster niederschießt, tut er das in einer Art und Weise, die nahelegt, dass der Regisseur ihn zu einer Art Franco Nero in bayrischer Gebirgswelt stilisieren wollte. 
DER GESTOHLENE HIMMEL kann ich nur jedem Trash-Fan empfehlen. Hier wird einfach ohne Sinn und Verstand alles Erdenkliche, und das meiste davon äußerst schlecht, zusammengeworfen, und spätestens, wenn der Wurzelsepp mal wieder einen seiner denkwürdigen Auftritte hat, bleibt kein Auge trocken.

Details
Ähnliche Filme