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„The night of the living dead" ist eine böse Rassismus-Parabel, „The last house on the left" und „The Texas chainsaw massacre" drücken das Unbehagen einer Gesellschaft aus, deren eigene Werte sich im Vietnamkrieg als Illusion und Heuchelei erwiesen haben, „Shivers" spiegelt die Probleme der sexuellen Revolution wider - der amerikanische Dokumentarfilm „The American nightmare" thematisiert anhand einiger Klassiker des US-Horror-Kinos zwischen 1968 und 1978 die politische Dimension jenes heftig umstrittenen und immer wieder künstlerischer Wertlosigkeit unterstellten Genres.

Anhand von Interviews mit den Regisseuren sowie Filmwissenschaftlerinnen und Filmwissenschaftlern gibt „The American nightmare" Einblicke in die Entstehungshintergründe einer Handvoll unter Genre-Fans bis heute kultisch verehrter Werke - neben den bereits genannten kommen auch „Dawn of the Dead" als schwarze Satire auf Konsum-Zombifizierung und „Halloween" als bitterböser Angriff auf das konservative Familienbild zu Wort. Die politische Dimension dieser Werke, die allesamt in einer Zeit ungeheurer gesellschaftlicher Umwälzungen und Unsicherheiten entstanden - Kalter Krieg, Atomkriegsangst, Vietnamkrieg, die Ermordung von Aktivisten wie Martin Luther King oder Robert Kennedy - wird hier mit analytischem Gestus und anekdotischer Erzählweise ausgebreitet. Dadurch werden die einzelnen Kapitel ebenso unterhaltsam wie informativ.

Für Genre-Fans dürfte es eine Freude sein, legendäre Genre-Regisseure wie George A. Romero, Wes Craven, John Carpenter oder David Cronenberg über ihre eigenen Filme sprechen zu hören (auch wenn bei den meisten eine gewisse künstlerisch-intellektuelle Selbstgefälligkeit durchschimmert). Dazu kommen sehr viele, sehr umfangreiche Ausschnitte aus den besprochenen Originalfilmen, die zwar gnadenlos spoilern, aber definitiv Lust darauf machen, diese Klassiker einmal wieder anzusehen. Überhaupt ist das alles recht flott inszeniert, sorgt mit dem richtigen Maß an Schnittwechseln und Ortsänderungen für ein unterhaltsames Tempo, ohne zu hektisch zu werden, und bietet immer wieder interessante Hintergrundeinblicke in Dreharbeiten oder Inspirationen für die berühmten Filme. Dabei scheut sich „The American nightmare" auch nicht davor zurück, die nette Erzählatmosphäre immer mal wieder plötzlich in ernste Historie kippen zu lassen - den blutigen Horrorfilmbildern werden viel grausigere Originalaufnahmen aus Vietnam, von brutal niedergeknüppelten Demonstrationen in den USA oder des Attentats auf Kennedy entgegengestellt, und wenn Tom Savini über seine Zeit in Vietnam erzählt, kann man sich einer kribbeligen Gänsehaut kaum entziehen.

Dass dieser Streifzug durch eine überaus bedeutsame Dekade des Horrorfilms durchgehend einseitig bleibt - hier sprechen Macher und begeisterte Fans über das, was sie lieben - sollte angesichts des Zielpublikums verschmerzbar sein. Natürlich gäbe es durchaus kritische Punkte anzusprechen, etwa dass die porträtierten Filmemacher allesamt weiße Männer sind; und die Diskussionswürdigkeit von Werken wie „The last house on the left" kann man eben doch nicht so beiläufig wegwischen, wie es hier getan wird - so gesellschaftskritisch diese Filme sind, die Frage, ob und wie voyeuristisch sie die dargestellte Gewalt, Erniedrigung und Entmenschlichung (meist von Frauen) ausschlachten, sollte in eine umfassende Betrachtung des Genres gehören.

Aber „The American nightmare" ist eben in erster Linie ein Werk von und für Fans, dessen Analyse der gesellschaftspolitischen Dimension des Horror-Genres ja durchaus ins Schwarze trifft. So macht der Film durchgehend Spaß, kann auch hin und wieder mit derben Originalbildern schocken und betroffen machen und gibt faszinierende Einblicke in die Gedankenwelten hinter einigen der legendärsten Horrorfilme aller Zeiten. Das hätte alles noch tiefgründiger und vielschichtiger ausfallen können, wird aber den meisten Genre-Fans auch so gut gefallen.

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