Schlimmer geht’s nimmer? Schlimmer geht’s immer! Zwar kann man Kult nicht erzwingen, Kult entsteht meist ganz von alleine - es ist aber sicher nur eine Frage der Zeit, bis diese absolut durch geknallte Mischung aus Citizen Toxie : Toxic Avenger IV Fäkalhumor und Staplerfahrer Klaus Lehrfilmattitüden zumindest in Insiderkreisen bald als Quasi-Nachfolger von Klausi geahndet wird! Von der Konzeption sind sich die beiden Pseudo-Lehrfilme relativ ähnlich, was als relativ normal scheinender Dokumentarfilm beginnt, steigert sich nach und nach in ein immer mehr ins Groteske gehendes Blutbad. Letzteres ist unnötig zu erwähnen, spricht der Name Ittenbach doch für sich. Doch eine „billige Kopie“ vom kultigen Klaus ist der Film trotz mancher Parallele - wie z.B. dem Kommentator im Off - zu keiner Zeit, der Regisseur bringt genug Ideen ein, um sich weit reichend von diesem zu distanzieren. Zwar kommt er an dessen Klasse zwar nicht heran, aber selbst meine kühnster Erwartungen wurden maßlos übertroffen. Und es kam ganz anders als ich dachte…
Die Geschichte rund um diesen seltsamen Film ist mindestens genauso bizarr: Olaf lernte während seines Drehs zu Garden of Love die Schauspielerin Martina kennen, welche dort eine der Hippie-Darstellerinnen mimte. Nach Beendigung des Drehs keimte langsam die Liebe der beiden, es wurde geheiratet. Während der Flitterwochen kamen dann Gesprächsthemen wie eine eventuelle zukünftige Familienplanung auf. Ob der heißen Sonne kochte wohl das Gehirn, man witzelte und die ausgetauschten Vorstellungen möglicher Erziehungsgestaltung wurden immer wilder und wilder. Und so entstand das Konzept zum Familienradgeber...
Die Rahmenhandlung um die erzieherischen Maßnahmen ist ein sich kennen lernendes und schon nach Tagen der Ehe entfremdetes Ehepaar, dessen weiblicher Part später „mal so nebenbei“ auf dem WC ein Kind wirft. Hier wird mit am klarsten das satirische Element deutlich: In der heutigen Zeit es gibt genug Elternteile die „mal so nebenbei“ Kinder in die Welt setzen und dann – weil sie nichts mit ihnen anfangen können und schon mit sich selber überfordert sind – in ihrer Rolle als Erzieher kläglich scheitern. Dieses Unvermögen, stinknormale Alltagssituationen mit nur einem Hauch Liebe und Zuneigung zu meistern, wird hier mehr als überspitzt dargestellt, sorgt für durchgängig bitterböseste Unterhaltung, wie man sie so derbe bisher selbst aus schmuddeligsten Undergroundstreifen nicht kannte. Aber was wird einem geboten, wie sollten denn nun solch Ehepaare ihre Kinder (nicht) erziehen? Olaf und Martina machen es deutlich: die eigene Scheiße ersetzt paniert eine nahrhafte Mahlzeit, Koks in der Schwangerschaft stärkt das Wahrnehmungsvermögen des Kindes ungemein, Babymilch sollte aus hygienischen Gründen in einer sorgsam mit Spülmittelresten versehenen Flasche gereicht werden, zappelige Kinder bekommen eins in die Fresse oder beim spielen mit dem Essen eine Gabel in die Patschen, statt Autos gibt es Macheten unterm Gabentisch, drakonische Maßnahmen werden bei der trotzigen Adolf Kostümierung des Sohnemannes eingeleitet und Gartenarbeit mit der Kettensäge an Hand des brüderlichen Körpers geübt; ja es geht sogar hin bis zum Erziehungslager eines gewissen Osama Bin Ladens, der hier vom Fanzine „Gory News“ Herausgeber Yazid Benfeghoul mit wollendem Rauschebart dargestellt wird! Ich könnte sicherlich noch eine komplette Seite mit Beispielen füllen und es wäre immer noch ein Bruchteil dessen, was man so an krankhaften Anti-Beispielen sieht!
Wie man schon in der Inhaltsangabe erahnen kann gibt es hier kein Tabu das nicht gebrochen wird, keine Szene die nicht maßlos überzeichnet, geschmacklos oder politisch unkorrekt ist. Aber es macht einfach eine tierische Laune „Familie Ittenbach“ inmitten dieses ausgelassenen Wahnsinns zu beobachten. Jeder der Akteure konnte sich mal (wieder) so richtig austoben und fernab jeglichen Erfolgsdrucks in einem puren Spaßfilm agieren. So darf Olaf wieder vor der Kamera stehen und bewusst(!) herrliches Overacting betreiben, wie man es nur aus seinen filmischen Anfangstagen wie bei The Burning Moon kannte; also mal wieder so richtig den Asozialen raushängen lassen. Martina kann spielerisch kommende leidige Lebenserfahrungen sammeln – die zu sehende „Geburt“ ist ihrer verballhornenden Darstellung die widerlichste die ich je sah und dürfte so mancher Frau die Tränen in die Augen treiben dürfen. Zu guter letzt wären da noch die Kinder; diese dürfen hier das tun was ihnen im wahren Leben auf immer verwehrt sein dürfte und bleibende Jungenderinnerungen werden; ob traumatisch oder nicht stelle ich mal dahin. Diese Jungdarsteller sind übrigens nicht die eigenen von Olaf und Martina, sondern aus dem engsten Familienkreise - Kinder der Geschwister von Olaf.
Sicherlich werden wieder einige aufschreien das hier Kinder getötet werden, mit Waffen hantieren dürfen oder ihnen das „dritte Reich“ verharmlost dargestellt wird. Auch wenn es hier teilweise echt derbe zugeht - ich untertreibe Gottlob nicht wie man so lesen konnte – darf die Satire alles? Auch wenn hier die Kinder auch schon in einem Alter sind, in dem sie zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können, ist so etwas für sie zumutbar? Arge Geschmackssache, am Ende bekommt man jedoch von den beiden zu hören das sie eine Menge Spaß am Dreh hatten. Trotzdem bleibt wo ein bitterer Beigeschmack, werden die beiden nach der Hälfte des Filmes pausenlos verdroschen, zerschossen oder in ihrer „eigenen“ Kotze und Kot präsentiert. Auch Olafs ständiges „In die Fresse hauen“ von Martina ist irgendwann nicht mehr wirklich zum lachen, auch wenn leider Gottes willen normale Realität in vielen Haushalten. Aber ich will hiermit keine Diskussionen entfachen und niemanden anprangern; das ist wirklich mal ein Machwerk das man entweder liebt oder hasst. Ich bin schon mal auf die nächsten Kritiken gespannt...
In den 75 Minuten regiert einfach nur Prinz Übermut und wirft von seinem Karnevalswagen statt Bonbons Blutpäckchen. Durch die gnadenlose Überzeichnung und der vorherrschenden Groteske mildern sich die Gewaltszenen schon sehr ab, sind in ihrer Darstellung aber alles andere als harmlos. Der Name Ittenbach bürgt eben auch hier für Effekte jenseits von Gut und Böse. Und das zieht sich von Anfang bis Ende, kaum eine Minute in der nicht was heftiges oder ekeliges passiert. Lediglich die Szenen beim Eheberater sind total überflüssig da dieser eigentlich – so erzählte Olaf bei der Premiere – nur Unsinn labert und demnach die Szenen total sinnlos sind. Hier überkommt nicht nur Olaf und Martina dieses fragende „Häh?“. Ebenso ist der Abspann als ziemlich belanglos und viel zu gestreckt zu bezeichnen. Aber da kann man ja gegebenenfalls vorher abschalten.
Fazit: Nur für Freaks die hart gesottenen Humor mögen und nur für Personen die in absehbarer Zeit keine Familie gründen wollen. Ittenbach´s Familienradgeber ist wirklich das Nonplusultra an derzeitig filmischer Geschmacksverirrung! Da ich mich schon wo als cineastischen Freak zähle, der neben einer in seinem tiefstem Herzen verwurzelten Vorliebe für solch einen „Schund“ darüber hinaus in den nächsten Jahren seine Steuerklasse behalten wird, gebe ich bei der ersten Sichtung gerne die 7/10.