Der afrikanische Kontinent hat es Filmemachern und Kritikern in den letzten Jahren gleichermaßen angetan. „Hotel Ruanda" brachte Don Cheadle 2004 eine Oscarnominierung ein und ebnete den Siegeszug für die südafrikanische Produktion „Tsotsi", die ein Jahr später die begehrte Trophäe als bester ausländischer Film einheimste. „Der ewige Gärtner", „Catch A Fire" und „Blood Diamond" folgten im Jahre 2006. Nun steht „Der letzte König von Schottland" am vorläufigen Ende einer Entwicklung, denen einige Kritiker vorwerfen, dass sie vornehmlich die Schauwerte des wilden Kontinents ausschlachtet und gängige Klischees über Afrika bedient. Die Mehrheit bejubelt die kritische Abrechnung mit dem Westen, das Aufdecken politischer Missstände und den vermeidlichen Realismus, mit dem diese Produktionen die tatsächlichen Zustände in Afrika aufzeigen.
Obwohl ich selbst eine große Affinität zu politischer und afrikanischer Themen hege, versuche ich eine Bewertung bar dieser Faktoren. „Der letzte König von Schottland" funktioniert als Drama wunderbar, bietet exzellente Darstellerleistungen und eindringliche Bilder. Wie in so vielen historischen oder (halb-)biographischen Stoffen verkommt die eigentliche Handlung dabei allerdings zur Nebensache.
Den jungen schottischen Arzt Nicholas Garrigan (James McAvoy) verschlägt es aus Abenteuerlust ins afrikanische Uganda. Nach kurzem Einsatz in einem Missionskrankenhaus macht er die Bekanntschaft mit dem neu ins Amt geputschten Präsidenten Adi Amin (Forest Whitacker), der ihm den Posten als persönlicher Leibarzt anbietet. Fasziniert von dem Charisma des militärischen Machthabers willigt Garrigan ein und genießt die luxuriösen Vorzüge seines neuen Postens. Als immer wieder Hinweise auf Gräueltaten des Regimes zu Garrigan durchdringen, wendet er sich nach und nach von Amin ab. Er beginnt eine Affäre mit Amin Ehefrau Kay (Kerry Washington) und fängt an, seine eigene Tatenlosigkeit zu hinterfragen. Beides bringt ihn schließlich in höchste Lebensgefahr.
„Der letzte König von Schottland" liefert einen Blick auf dem Elfenbeinturm der Macht aus der Sicht eines Verführten und macht auf diese Weise verständlich, warum Idi Amin trotz seiner offensichtlichen Grausamkeit derart große Sympathien genießen konnte. Der vermeidliche Hauptdarsteller, in Person des schottischen Arztes vollzieht zwar brav, wenn auch etwas zu plötzlich seine genretypische Wandlung vom unbedarften, naiven Abenteurer zum kritischen und final sowohl psychisch und physisch gedemütigten Menschen, bleibt aber als einziger Weißer fast schon zwangsläufig eine „blasse Figur". Als Spielball des sprunghaften Diktator Amin ist er über weite Strecken wahlweise Außenstehender und engster Vertraute, Ratgeber oder Hofnarr und schließlich Freund oder Feind. Stets bleibt er aber der Willkür seines schwarzen Herren ausgeliefert ohne selbst Handlungsfreiheit zu besitzen. Da die Gräueltaten über weite Strecken nur wage angedeutet werden, wird verständlich, warum sich Garrigan lange Zeit vom neu gewonnenen Luxus blenden lässt. Man fragt sich unweigerlich selbst, wie lange man selbst ausblenden würde, wenn man von einem charmanten Vorgesetzten mit schönen Frauen, Geld, schicke Autos und Anerkennung bedacht wird. Als der Protagonist sich dann endgültig gegen seinen Gönner wendet und das Grauen schließlich ihn selbst erreicht, wird der Film konsequenterweise äußerst drastisch und entfaltet eine intensive Wirkung, wenn Szenen äußerster Grausamkeit gegen einen scherzenden Amin während einer Pressekonferenz geschnitten werden. Der Schotte James McAvoy holt aus dieser doch sehr undankbaren Rolle des letzendlich hilflosen Beobachters Garrigan das Bestmögliche, bleibt glaubhaft aber dabei aber immer brav im Schatten des eigentlichen Stars Forest Whitacker. Dieser spielt sich in jeder seiner Szenen förmlich die Seele aus dem Leib, spuckt um sich, gestikuliert, grimassiert und verkörpert den charismatischen Demagogen in gleichzeitiger Überlebensgröße und Nahbarkeit. Neben denkwürdigen Schauspielleistungen wirkt der Plotaufbau geradezu banal. Der junge Arzt, der sich zunächst sehr bereitwillig dem Charisma des grausamen Herrschers ergibt, ein britischer Verschwörer, der Garrigan schließlich zum Attentat auf Amin überredet, Gillian Anderson, in einer Rolle, dessen Funktion sich mir bis jetzt noch nicht wirklich erschlossen hat. Fast scheint es, als hätte man sich eine oscarverdächtige Rolle ausgesucht und schnell noch eine Geschichte drumherumgebastelt. Die Darstellung der Person Idi Amin, seine Widersprüchlichkeit, Impulsivität, Grausamkeit und Paranoia stehen klar im Vordergrund und hier besitzt der Film große Qualitäten.
Regisseur Kevin macDonald verpackt mit „Der letzte König von Schottland" sein politisches Sendungsbewusstsein in eine duchaus spannende aber mitunter aufgesetzt wirkende Thrillerhandlung. Die größte Stärke des Films ist dabei gleichsam seine größte Schwäche. Im Zuge der grandiosen Performance des famos aufspielenden Forest Whitacker gerät der Thrillerplot leider mitunter zur Nebensache und die Rolle des ugandischen Diktatoren zum reinen Selbstzweck. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die durchaus verdiente Oscarauszeichnung Whitackers als bester Hauptdarsteller. Wer ins Kino geht, um grandiose Schauspielperformance zu sehen, der wird „Der letzte König von Schottland" sicherlich lieben. In „Walk The Line" (2005) und „Der Untergang" (2005) wollte man ja schließlich auch vornehmlich Johnny Cash und Hitler statt einer ausgefeilten Geschichte sehen.
Daran werde ich mich erinnern:
Forest Whitackers grandiose Performance