Ursprünglich als nur 90-minütiger Episodenfilm geplant, wurde aus den von Hollywood-Hochkarätern wie Robert Zemeckis, Richard Donner, David Giler, Walter Hill, Joel Silver und Weiteren produzierte US-Serie „Geschichten aus der Gruft“ eine 93 Episoden umfassende Hommage an die guten alten US-Horrorcomics der 1950er aus dem E.C.-Verlag. Neben den titelgebenden „Tales from the Crypt“ waren das „Haunt of Fear“ und „Vault of Horror“, ergänzt um Krimicomics wie „Crime SuspenStories“ und „SuspenStories“, deren Geschichten für die von 1989 bis 1996 produzierte Serie realverfilmt wurden, wobei das Titelblatt des jeweiligen Comics eingeblendet wurde. Einige der Produzenten traten dabei auch als Regisseure in Erscheinung, andere renommierte Regisseure komplettierten den Reigen und bekamen die Gelegenheit, mit prominenten Schauspielerinnen und Schauspielern arbeiten – eine Vielzahl der Folgen weist bekannte Gaststars aus der A-Riege der Darsteller auf. Als „Moderator“ tritt jeweils der Cryptkeeper auf, ein halbverwester untoter Zyniker und Sarkast mit schriller Lache, der mittels einer Puppe realisiert wurde und um kein Wortspiel verlegen seine diebische Freude daran hat, die jeweilige Geschichte anzukündigen – und anschließend süffisant und amüsiert ihren Ausgang zu kommentieren.
Dem überwiegenden Teil der Episoden gemein ist der moritatische, moralisierende und zugleich sarkastische Tonfall, der sich aus den meist bitterbös schwarzhumorigen Konsequenzen aus dem Fehlverhalten der Protagonistinnen und Protagonisten ergibt. Mit den US-britisch-koproduzierten Episodengruslern „Tales from the Crypt“ und „In der Schlinge des Teufels“ wurden 1972 und 1973 bereits E.C.-Comics verfilmt, doch gelang es insbesondere dieser Serie mit ihren rund 25-minütigen Episoden nahezu perfekt, den Geist der Comicvorlagen ins Realserienformat zu übertragen. Mit „Bordello of Blood“ (1995), „Ritter der Dämonen“ (1996) und „Das Ritual – Im Bann des Bösen“ (2002) wurden zudem drei Spielfilme ausgekoppelt und 1993 eine gleichnamige Zeichentrickserie zur Seite gestellt.
S1E01: Wer zuletzt stirbt
US-Erstausstrahlung: 10.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 01.05.1995
„Elektrizität ist berechenbar. Man kann ihr vertrauen.“
Als Gefängnishenker Niles Talbot (William Sadler, „Mein Partner mit der kalten Schnauze“) seinen Job verliert, beschließt er kurzerhand, ihn auf eigene Faust weiterhin auszuüben, um der Gerechtigkeit genüge zu tun…
Die von Walter Hill („The Warriors“) inszenierte Eröffnungsfolge bedient sich eines Film-noir-Stils und lässt die Hauptrolle Talbot nicht nur als Erzähler auftreten, sondern auch die „vierte Wand“ durchbrechen und direkt zum Publikum sprechen. Talbots zynischer Tonfall, sein Hang zur Selbstjustiz und sein Philosophieren über den Tod vereinen sich mit seiner Eiseskälte, Abgebrühtheit und Emotionslosigkeit, vorzüglich gespielt von William Sadler. Die Entwicklung und der Ausgang dieser Episode sind vorhersehbar, atmosphärisch und ästhetisch ist sie jedoch ein Pfund und zeigt mittels der entblößten Oberweite einer Dame auch, dass man seinerzeit wenig prüden Moralismus von Produzenten- oder Zensorseite aufoktroyiert bekam. Ein gelungener Einstieg.
7/10
S1E02: Stille Nacht - blutige Nacht
US-Erstausstrahlung: 10.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 01.05.1995
Eine Familienmutter bringt pünktlich zu Weihnachten ihren Gatten um, das gemeinsame Kind darf nichts davon mitbekommen. Das Beseitigen des Leichnams jedoch wird massiv von einem als Nikolaus verkleideten psychopathischen Serienmörder erschwert, der ausgerechnet in dieser Nacht aus der geschlossenen Anstalt ausgebrochen ist und die Frau als sein nächstes Opfer auserkoren hat…
Direkt die zweite, von Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“) inszenierte Episode ist eine Art Xmas Special, das unweigerlich Erinnerungen an diverse Weihnachts-Stalk’n’Slash-Filme aufkommen lässt und wie eine Hommage an sie wirkt. Vor dem Hintergrund, dass auch diese Folge auf einem alten Comic beruht, darf jedoch davon ausgegangen werden, dass jene Slasher wiederum von eben jenem Comic inspiriert wurden. Die im fiktiven Ort Pleasantville als Synonym für typische, vermeintlich idyllische US-Kleinstädte spielende Geschichte führt das „Fest der Liebe“ ad absurdum, indem sie es mit Mord, Totschlag und Wahnsinn in Verbindung bringt. Dabei berücksichtigt man die gängigen Genre-Charakteristika, präsentiert einige blutige Effekte und mit Larry Drake („Dr. Giggle“) im Nikolauskostüm einen ebenso charismatischen wie furchterregenden Killer. Die grundsätzliche Vorhersehbarkeit der Pointe wird mit actionreichen und spannenden Momenten auszugleichen versucht, was über weite Strecken gut gelingt. Operation Heile-Welt-Demontage erfolgreich durchgeführt.
7,5/10
E1S03: Der lebende Tote
US-Erstausstrahlung: 10.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 01.05.1995
Ulric (Joe Pantoliano, „Die Goonies“) lässt im Sarg liegend sein bisheriges – oder vielmehr: seine bisherigen – Leben Revue passieren: Wie er vom Obdachlosen zum Star der Manege wurde, nachdem er sich von Dr. Emil Manfred (Gustav Vintas, „Lethal Weapon“) gegen ein hübsches Sümmchen diejenige Katzenhirndrüse hat implantieren lassen, die den Tieren neun Leben sichert. Auf Jahrmärkten verdienen er und der Doc viel Geld damit, sich umbringen zu lassen und wiederaufzuerstehen. Doch das geht nicht ewig gut…
Richard Donner („Das Omen“) verfilmte den den Mythos der vermeintlichen neun Katzenleben aufgreifenden Comic zunächst in Form einer Rückblende, in der Ulrich aus dem Sarg heraus direkt zu den Zuschauerinnen und Zuschauern spricht und damit neugierig macht. Der makabre Einstieg verspricht nicht zu viel: Die Episode kaschiert die etwas sehr alberne und unwahrscheinliche Ausgangssituation um die Drüsenverpflanzung mit ungewöhnlichen Schnitten und einer grotesken Freakshow-artigen Überdrehtheit, während sie nach und nach zu einem Lehrstück über menschliche Vergnügungs- und Sensationssucht, vor allem aber menschliche Habgier wird. Ulrich lässt sich von seinem Erfolg korrumpieren und muss schließlich den Preis dafür zahlen. Er ist eben keine Katze, die immer auf den Pfoten landet.
7,5/10
S1E04: Schön wie die Sünde
US-Erstausstrahlung: 14.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 03.10.1997
Die attraktive Prostituierte Sylvia Vane (Lea Thompson, „Zurück in die Zukunft“) will möglichst schnell reich werden, u.a. um an den vermögenden Playboy Ronnie Price (Brett Cullen, „Single sucht Single“) heranzukommen. Zu diesem Zwecke überfällt und erschießt sie einen Zuhälter und stiehlt dessen Schmuck, den sie zu einem Pfandleiher bringt. Der jedoch hat ausschließlich Interesse an ihrer Schönheit, da er den Tod seiner geliebten Frau, die er im skelettierten Zustand verwahrt, nie überwunden hat. Für 10.000 Dollar fertigt er einen Abdruck Sylvias Gesichts an. Diese schleicht sich daraufhin in die High Society ein und reißt sich Ronnie auf. Nach vier Monaten sind sie ein Paar, doch verliert sich plötzlich ihre Schönheit in rasanter Geschwindigkeit…
Die von Regisseur Howard Deutch („Pretty in Pink“) inszenierte Geschichte nimmt Schönheitswahn sowie die Macht des Geldes aufs Korn und setzt Sylvias kalt kalkulierte Beziehung in Kontrast zur zwar wahnsinnigen, jedoch aufrichtigen und tief empfundenen Liebe des Pfandleihers zu seiner verstorbenen Frau. Die Make-up-Abteilung leistete ganze Arbeit, um Sylvias Alterungsprozess sichtbar zu machen, während die Handlung kaum ein gutes Haar an der Prostituierten lässt, die, so wird suggeriert, ihren Job in erster Linie als Sprungbrett zu schnellem Reichtum versteht und der Ausdruck ihres miesen Charakters ist, durch den sozialer Status und Materialismus für sie an erster Stelle stehen. Das mag diffus Sexarbeiterinnen-feindlich oder zumindest -kritisch sein, ist aber auch in seinem Ausgang schon deutlich weniger absehbar als die vorausgegangenen Episoden – wenn die Geschichte auch nicht 100%ig rund wirkt. Die Moral: Hochmut kommt vor dem Fall (außer im Duden).
7/10
S1E05: Die perfekte Hochzeitsnacht
US-Erstausstrahlung: 21.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 03.10.1997
Schönling Charles (Stephen Shellen, „Stepfather“) hat die „graue Maus“ Peggy (Amanda Plummer, „Courtship“) ausschließlich aufgrund ihres Vermögens geehelicht. Auf dem gemeinsamen Weg in die Hochzeitsnacht geraten sie in ein Unwetter, finden in einem verlassenen alten Haus aber eine Herberge. Doch das Gemäuer entfaltet eine unvorhergesehene Wirkung auf die frischvermählte Peggy…
Eine klassische, an Poe erinnernde Haunted-House-Geschichte hat Regisseur Tom Holland („Chucky – Die Mörderpuppe“) inszeniert, die er in Form eines Kammerspiels aufbereitet. Dieses braucht jedoch einige Zeit, um in die Gänge zu kommen, bis dahin verlässt sich Holland in erster Linie auf die Stimmung und Atmosphäre der Episode, für die er bisweilen tief in die Klischeekiste greift. Die Geduld des Publikums wird mit einem blutigen Showdown entlohnt, zuvor sorgte ein visualisierter Traum Charles‘ für Aufsehen. Einmal mehr werden Habgier und Vertrauensmissbrauch harsch gesühnt.
7/10
S1E06: Das Prunkstück der Sammlung
US-Erstausstrahlung: 28.06.1989
Deutsche Erstausstrahlung: 31.10.1997
Endlich Pensionär! Frohgemut tritt Jonas (M. Emmet Walsh, „Critters – Sie sind da!“) seinen Ruhestand an, muss jedoch mit zunehmendem Entsetzen feststellen, dass seine Frau Anita (Audra Lindley, „Terror in New York“) sich während seiner jahrzehntelangen Berufstätigkeit neue Freunde gesucht hat: Sie beherbergt einen ganzen Haustierzoo im gemeinsamen Haus! Er hat das Gefühl, nur noch die zweite Geige zu spielen und entwickelt einen regelrechten Hass auf die Mitbewohner, bis er sich auf Anraten seines Nachbarn ein neues Hobby zulegt: Er wird Präparator…
Regisseurin Mary Lambert („Friedhof der Kuscheltiere“) inszenierte ihren Abgesang auf die klassische Rollenverteilung des arbeitenden Ehemanns und der das Haus hütenden Frau sowie auf die gemeinsame Rente als schwarzhumorig überzeichnete Satire, in der Walsh und Lindley so richtig aus sich herauskommen dürfen, sie als herzige, schrullige Katzen-, Hunde-, Vögel- und Fische-Lady, er als unzufriedener Grantler. Tierliebe und -hass dienen als Aufhänger einer Geschichte über die Entfremdung eines Ehepaars, die sich jahrelang durch den Alltagstrott unbemerkt entwickelte und plötzlich spürbar wird, wenn das Berufsleben zu Ende ist und man aufeinanderhockt. Während Anita sich ihre Welt so eingerichtet hat, wie sie ihr gefällt, weiß Jonas mit seiner Zeit nichts so recht anzufangen und fühlt sich zunehmend überflüssig, unfähig, mit positiven Impulsen die Situation zu ändern oder wenigstens Empathie für seine Frau zu entwickeln, stattdessen kindlich eifersüchtig, bockig und trotzig reagierend. Natürlich bietet auch dieses erste Staffelfinale dafür eine „Lösung“, für die einige bizarre, sicherlich länger im Gedächtnis bleibende Masken zum Zuge kommen. Tiere sind eben oft die besseren Menschen.
8/10