Are you in a tragedy or in a comedy?
Der Gedanke, dass unser Leben von irgendeiner höheren Gewalt gelenkt wird, ist elementarer Bestandteil einer jeden Religion. Drehbuchautor Zach Helm griff diese Idee in stark abgewandelter Form in seinem Script zu „Stranger than Fiction“ auf, das von Marc Forster nun brillant umgesetzt wurde.
Harold Crick (Will Ferrell) ist ein von Zwangsneurosen geplagter Finanzbeamter, der alles andere als ein aufregendes Leben führt. Das soll sich jedoch mit dem Tag schlagartig ändern, an dem er beim morgendlichen Zahnputz-Ritual eine Stimme hört, die sein Leben kommentiert. Grund zur Besorgnis kommt aber erst recht auf, als diese Stimme beiläufig erwähnt, dass der Zeitpunkt seines Todes kurz bevorsteht.
Beim Namen Will Ferrell läuten normalerweise sämtliche Alarmglocken schrill, denn bisher stand dieser Name eher für Holzhammer-Comedy als für intelligente, ruhige, tiefgründige Unterhaltung. Doch im Falle von „Stranger than Fiction“ erklangen die Alarmglocken vollkommen umsonst, denn was hier geboten wird, ist eine Überraschung, eine angenehme Überraschung.
Ferrell durchlebt zunächst den ganz normalen Wahnsinn, den stinklangweiligen Alltag eines Jedermanns, einer grauen Maus in einem Leben, das von Zahlen regiert wird. Von Beginn an werden seine Neurosen und sein Alltag detailliert aus dem Off kommentiert, man wägt sich in einer normalen Komödie, man wähnt diese Kommentatorin als Stilmittel zur Einführung der Hauptfigur. Doch dann durchbricht die Hauptfigur selbst diesen Eindruck und scheint auch selbst diese kommentierende Stimme zu hören. Ferrell versucht, mit ihr in Kontakt zu treten. Alleine das ist schon eine solide Basis für einige brüllend komische Situationen, in denen Harold Crick in aller Öffentlichkeit mit der Stimme spricht, die außer ihm niemand hören kann.
Glücklicherweise erliegt Ferrell dabei nicht der Versuchung, in alte Muster aus Filmen wie „Ricky Bobby“ zu verfallen. Ruhig, nüchtern, aber jederzeit mit der nötigen Emotionalität verkörpert er seine Figur so, dass er sie niemals zu einem nervtötenden, albernen Störkörper auf der Leinwand werden lässt. So entwickelt sich Harold Crick dann auch trotz seiner schon abnormal geregelt erscheinenden Lebensweise, die andernorts vielleicht unsympathisch wirken könnte, zum Sympathieträger, den man gerne auf der Suche nach dem Ursprung der Stimme begleitet. Zum Suchenden gesellt sich schließlich Dustin Hoffman als Literatur-Professor Jules Hilbert, der aus der hochkarätig besetzten und gut aufgelegten Riege der Nebendarsteller (Maggie Gyllenhaal, Emma Thompson, Queen Latifah) heraussticht und durch urkomische One-Liner den Film immer wieder aus gelegentlich aufkeimenden Spannungslöchern heraushievt.
Die gemeinsame Suche von Jules Hilbert und Harold Crick soll dann auch schließlich eine Mission werden, die in ihrer abgefahrenen Erscheinung stark an Werke von Charlie Kaufman erinnert. Abstrus, wirr geht es da manchmal zu, von Marc Forster vor allen Dingen zu Beginn mit interessanten, optisch gefälligen Spielereien versehen, die zum einen das geordnete Leben eines Menschen wie Harold Brick dokumentieren, zum anderen das doch recht abgefahrene Grundkonzept von „Stranger than Fiction“ künstlerisch unterstreichen soll.
Are you in a tragedy or in a comedy?
Wenn wir unser Leben selbst in die Hand nehmen und versuchen, die Fügung von oberer Stelle zu beeinflussen oder gar zu umgehen, dann können wir die Antwort auf diese Frage selbst bestimmen. Und auch bezogen auf „Stranger than fiction“ kann jeder für sich selbst entscheiden, welche Seite überwiegt: die tragische oder eben die komische… „Stranger than fiction“ kann man schlussendlich getrost als papiernes Pendant zur „Truman Show“ ansehen, denn Marc Forsters Film setzt den Hebel an einer ähnlichen Stelle an wie Peter Weirs Film über Truman Burbanks Leben, lediglich die Medien, mit denen die Leben der Protagonisten eng verwoben sind, sind unterschiedlicher Natur. Für diese cineastische Überraschung der angenehmen Art gibt’s schräge 8/10.