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Zwischen Regisseur Wolfgang Staudte und der von ihm erdachten Figur Rudi Kleinschmidt, lassen sich Parallelen feststellen. Weniger hinsichtlich des Erfolges, den Staudte dank seiner Regie-Tätigkeit erlebte - im Gegensatz zu dem fahrenden Händler Kleinschmidt (Walter Giller) - als hinsichtlich seiner Haltung zur Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg. Auch Staudte war Teil der nationalsozialistischen Filmindustrie, übernahm eine kleine Rolle im Propagandafilm "Jud Süss" (1940) und drehte mit "Akrobat Schö-ö-ö-n" 1943 seinen ersten Langfilm, bevor er in Ungnade fiel und nur dank Heinrich Georges Intervention nicht den Wehrdienst antreten musste. Rudi Kleinschmidt entkommt dem Tod ebenfalls nur dank eines Eingriffs von Außen. Weil er Schokolade gestohlen haben soll, wird er von dem Kriegsgerichtsrat Schramm (Martin Held) noch unmittelbar vor dem Ende des Kriegs zum Tode verurteilt, kann aber fliehen, als ein feindliches Flugzeug das Strafkommando angreift.

So wie Rudi Kleinschmidt sein eigenes Todesurteil in die Hände flattert als Beweis für den menschenverachtenden Irrsinn im Generellen, aber auch für die Mittäterschaft des Einzelnen, so entstanden nach dem Krieg Staudtes Filme "Die Mörder sind unter uns" (1946) und "Rotation" (1949), die sich der der Schuld-Thematik stellten, ohne einseitig zu verurteilen. Staudte verarbeitete damit auch seine eigene Rolle während des Nationalsozialismus, geriet aber zwischen die Mühlen des "Kalten Krieges", da diese Filme bei der DEFA unter sowjetischer Führung entstanden waren und von der westlichen Seite abgelehnt wurden. Seine Verfilmung des Heinrich Mann Romans "Der Untertan" (1951) wurde in der BRD sogar für fünf Jahre verboten und erstmals 1971 ungeschnitten gezeigt - zu einem Zeitpunkt als Staudte schon viele Jahre regelmäßig für das westdeutsche Fernsehen arbeitete. 1952 hatte er noch die Forderung des BRD-Innenministerium, nicht mehr für die DEFA zu arbeiten, abgelehnt, aber nach Eingriffen in seine geplante DEFA-Verfilmung von "Mutter Courage" entschied sich der gebürtige Saarländer endgültig in der BRD zu bleiben.

Aus dieser Zeit stammt seine Aussage "wie schwer es sei, die Welt verbessern zu wollen mit dem Geld von Leuten, die die Welt in Ordnung finden", was sich auch weiterhin bewahrheitete, denn in den folgenden Jahren sollte es ihm nicht gelingen, eine Finanzierung für seine zeitkritischen Projekte zu bekommen. Bis 1959 dauerte es, bis mit "Rosen für den Staatsanwalt" ein Unterhaltungsfilm entstand, dessen ironisch-desillusionierter Charakter Staudtes Haltung widerspiegelte, indem er seine Gesellschaftskritik unter dem äußeren Gewandt einer Komödie verbarg, die ihm diese Produktion erst ermöglichte.

Die Überblendung vom Chaos der letzten Kriegstage zu einer in der Sonne strahlenden, frisch glänzenden BRD, in der an allen Ecken gewerkelt wird - begleitet von schmissiger 50er Jahre Musik - könnte nicht kontrastreicher sein. Einzig Rudi Kleinschmidt wirkt darin wie ein Fremdkörper, wenn er auf die gut gefüllten Teller sieht, die der Kellner einen Moment lang auf seinem Tisch abgestellt hatte. Er selbst kann sich ein solches Essen nicht leisten. Erst als er eine Wette dank seines Todesurteils gewinnt, spendiert ihm der Lastwagenfahrer Paul - Wolfgang Müller wie immer gemeinsam mit seinem kongenialen Partner Wolfgang Neuss - eine Mahlzeit. Doch das Todesurteil ist mehr Fluch als Segen, denn es hängt wie ein Damoklesschwert über Rudi Kleinschmidt, der sich in einer Umgebung nicht mehr zurechtfindet, die von dieser Vergangenheit, die er schwarz auf weiß bei sich trägt, nichts mehr wissen will - ähnlich dürfte es auch Staudte empfunden haben.

Besonders gelungen ist "Rosen für den Staatsanwalt" in den Momenten, in denen die Menschen mit diesem kleinen Schriftstück konfrontiert werden. Werner Peters, seit seiner Hauptrolle in "Der Untertan" auf die Rolle des opportunistischen Kleinbürgers spezialisiert, Kabarettist Werner Finck und Komödiant Ralf Wolter sind großartig als Durchschnittsbürger, die erst mit Erstaunen und Empörung reagieren, bevor sie die Sache wieder zu den gedanklichen Akten legen, da sie Nachteile für ihr eigenes Dasein befürchten. Einzig Werner Peters als Bauunternehmer Otto Kugler geht persönlich zu Oberstaatsanwalt Dr. Schramm, dessen Unterschrift unter dem Todesurteil steht, aber keineswegs um dessen damaliges Vorgehen als Kriegsgerichtsrat anzuprangern, sondern um ihn dazu zu erpressen, bei städtischen Bauvorhaben ein Wort für seine Firma einzulegen.

Waren diese ironischen Anspielungen noch hinzunehmen, durfte besonders die Figur des Oberstaatsanwalts, die stellvertretend für eine Justiz stand, die den Übergang zwischen Diktatur und Demokratie ohne größere personelle Verluste hin bekommen hatte, nicht zu sehr konfrontieren. Martin Held entwarf den Dr. Schramm als Abbild eines deutschen Patriarchen, der zu Hause Moral und Anstand predigt, bei sich selbst aber gerne eine Ausnahme macht. Dank seines pointierten Spiels gelingt Held die Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und ernsthafter Charakterisierung, aber sein Festhalten an den Idealen der Nazi-Zeit, das er zu Beginn beweist, als er einem Mann die Flucht ermöglicht, für den schon ein Haftbefehl wegen antisemitischer Äußerungen vorlag, schwächt die Wirkung dieser Figur ab. Zwar orientierte sich Staudte damit an einem realen Vorfall, aber innerhalb des generell noch sehr konservativen Klimas Ende der 50er Jahre, galt eine konkrete Parteinahme für nationalsozialistische Ideale als ungeschickt.

So wird Dr. Schramm zu einem Präzedenz-Fall, der bei der Entnazifizierung zudem gelogen haben soll – eine beschönigende Darstellung, da der größte Teil der Justizbeamten nach dem Krieg übernommen wurde und die Überprüfungen keineswegs streng waren, wie noch der Fall des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger im Jahr 1978 bewies, dessen Akten aus den Jahren 1943 – 45 selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig eingesehen werden konnten. Dem Film daraus einen Vorwurf zu machen, wäre übertrieben, denn „Rosen für den Staatsanwalt“ ist zuerst ein Unterhaltungsfilm, der trotz seiner unterschwelligen Kritik ein großes Publikum erreichen konnte. Dieser Tatsache ist es zudem geschuldet, das Wolfgang Staudte Rudi Kleinschmidt auch ein wenig Glück gönnte – in Person der selbstständigen und emanzipierten Lissy Flemming (Ingrid van Bergen), deren Moral noch nicht vom Pragmatismus erschlagen wurde. Für diese Zeit eine sehr modern gestaltete Frauenrolle.

Am Beispiel von „Rosen für den Staatsanwalt“ ließe sich trefflich diskutieren, welche Form der Inszenierung geeigneter ist, um gesellschaftskritische Inhalte zu transportieren. Ein Unterhaltungsfilm, der seine Kritik satirisch formuliert, dabei in Kauf nehmend, dass sie nicht wahrgenommen wird, oder ein ernsthafter, konkret den Finger in die Wunde legender Film, der nur ein zahlenmäßig kleines Publikum erreicht. Nachdem Wolfgang Staudte gemeinsam mit Harald Braun und Regisseur Helmut Käutner eine eigene Produktionsgesellschaft gegründet hatte, brachte er 1960 „Kirmes“ heraus, eine kompromisslose Abrechnung mit der Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg. 1964 erschien mit „Herrenpartie“ sein letzter Film, der sich mit den Folgen des Nationalsozialismus auseinandersetzte, der ihm heftige Kritik und den Vorwurf der „Nestbeschmutzung“ einbrachte. Beide Filme wurden vom damaligen Publikum abgelehnt und sind heute nahezu unbekannt – nur „Rosen für den Staatsanwalt“ hat überlebt (8/10).

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