Der Krieg ist vorbei, und alle sind sie wieder da: Die Tratschweiber die alles besser wissen, und bis vor ein paar Monaten auch als Blockwart durchgegangen wären. Die Scharlatane, die anderen unter dem Mantel der Wohlanständigkeit das Geld aus der Tasche ziehen. Die Kriegsgewinnler, die das Fett von der Suppe schöpfen, immer oben schwimmen und das Word Elend höchstens aus den Erzählungen anderer kennen. Und natürlich die stillen Armen, deren Leben aus Arbeit, Hoffnung und der Jagd nach etwas Essen besteht. Auch andere sind nach dem Krieg in diesem Mikrokosmos des menschlichen Lebens gefangen: Die junge Susanne, die nach ihrer Rückkehr aus der Vergangenheit immerhin das Glück hat, dass ihre Wohnung noch existiert, und sie dort noch leben darf. Zusammen mit dem zynischen Arzt Heinz Mertens, der Vergessen sucht im Alkohol und in der Zerstreuung. Der Susanne vorwirft, dass sie wahrscheinlich in den Bergen war, in Sicherheit, nicht ahnend, dass sie im Konzentrationslager war. In einer Art Sicherheit, so wie sie selber sagt. Susanne und Heinz verlieben sich ineinander, doch die Dämonen Heinz‘ lassen ihn nicht los: Susanne findet in den Sachen von Heinz den Brief eines toten Soldaten, der an die Frau dieses Soldaten überbracht werden soll. Heinz, der diesen Brief nie abgeben wollte, lässt sich erweichen den Brief abzugeben – Und steht urplötzlich vor seinem früheren Hauptmann, dem jetzigen Fabrikanten Brückner, dem es egal ist ob aus Kochtöpfen Stahlhelme hergestellt werden oder aus Stahlhelmen Kochtöpfe, nur zurechtkommen muss man dabei, darauf kommt es an. Und mit Brückner kommen auch die Erinnerungen wieder hoch. An das Massaker, das Brückner zu Weihnachten 1942 in einem kleinen Ort in Polen veranlasste. 36 Männer. 54 Frauen. 31 Kinder. Munitionsverbrach 347 Schuss. Ja um Gottes Willen, da war doch Krieg. Da waren doch ganz andere Verhältnisse …
Bilder wie aus einem amerikanischen Noir jener Zeit. Schatten. Gitter. Menschen, deren Schuld sie fast greifbar umgibt. Szenen, die sich durch diese Kamera auf die Netzhaut brennen, und auch wenn aus heutiger Sicht die Charakterisierungen durch die Bilder wenig subtil stattfinden, so sind sie auf diese Weise doch ungeheuer eindrucksvoll.
Zum Beispiel Arno Paulsen als Brückner. Freundlich, jovial, liebenswürdig, kultiviert. Ein Mann dem man vertraut. Die Bilder mit Brückner sind lange Zeit hell und freundlich, und Heinz Mertens wirkt in seinem dunklen Mantel und dem unrasierten und mürrischen Gesicht wie ein böser Eindringling in einer heilen Märchenwelt. Einer Märchenwelt, die Brückner bewusst um sich herum aufgebaut hat, um die Vergangenheit auf Distanz zu halten. Erst am Ende, wenn er von dieser Vergangenheit eingeholt wird, umgibt ihn der Schatten der realen Welt in Form eines Gitters, der Schatten in Gestalt von Toten die sich als Schwärze über ihn werfen. Wie gesagt sicher nicht subtil, aber filmisch sehr eindrucksvoll.
Denn man muss sich eben auch vergegenwärtigen, wann dieser Film produziert wurde, unter welchen Umständen, und was er erzählt. Eine Geschichte von zerstörten Menschen in einem zerstörten Land, die in den wenigen Kinos gezeigt werden soll die es noch gab. Vor Menschen, die im Alltag von Zerstörung umgeben sind. Die sich nach einfachen Botschaften sehnen, und mutmaßlich keine verkopften Kunstgebilde sehen wollten, sondern etwas, womit sie sich identifizieren konnten.
DIE MÖRDER SIND UNTER UNS trifft genau diese Vorgaben. Er bietet den damaligen Zuschauern Charaktere die sie kennen, die sie im alltäglichen Leben treffen können, und die in Form der Hauptfiguren so überhöht sind, dass sie als Identifikationsfiguren dienen können. Und wieviele Männer haben dort, irgendwo in den Ruinen, wohl ihren früheren Hauptmann getroffen, und sind mit ihm ihren Erinnerungen und ihren Dämonen begegnet? Wolfgang Staudte gibt diesen verlorenen Männern ein Gesicht und eine Stimme, und er zeigt ihnen, dass die Lösung, die den gewaltgewohnten Menschen sicher oft vorschwebt, dass dies keine Lösung sein kann, wenn man die Vergangenheit hinter sich bringen will.
Und damit bietet der Film gleichzeitig ein packendes Drama, eingebettet in die damalige Zeit, und er regt zum Nachdenken an und deutet auf ein Problem, dass auch die kommenden Generationen noch lange beschäftigen wird.
Aus heutiger Sicht gibt der Film, gerade als erster Film, der nach dem Krieg in Deutschland produziert wurde, Einsicht in eine Zeit, die heute kaum noch vorstellbar ist. Und von der viel zu viele wollen dass sie wiederkommt. Zwar kann man DIE MÖRDER SIND UNTER UNS vieles vorwerfen, vor allem gerade mit der Brille der modernen Zeit. Dass der Film oft plakativ ist und vereinfacht. Dass die Liebesgeschichte zwischen Susanne und Heinz unglaubwürdig ist. Dass die Charaktere schablonenhaft sind, und die Geschichte (fast) nur gut oder böse kennt. Aber zum einen sind zwingend die Produktionsbedingungen zu berücksichtigen, die auf keinen Fall einfach zu nennen waren, und zum anderen, ich erwähnte es bereits, wollten die Menschen zu dieser Zeit sicher vieles, aber keine komplizierten Geschichten, die nur durch eine kluge Filmanalyse zu verstehen sind. Staudte gibt hier nicht nur den verlorenen Männern ein Gesicht, sondern auch den einfachen Menschen, den Ausgebombten und den um Brot und Wasser Anstehenden, in der Schlange beim Bäcker oder beim Brunnen. Diesen Menschen gibt er eine Möglichkeit sich selber zu wiederzufinden und das Vergangene vielleicht ein klein wenig zu verarbeiten.
DIE MÖRDER SIND UNTER UNS ist nicht nur grafisch ein Noir, sondern auch narrativ. Die getriebenen Menschen mit dem zerstören Schicksal, mit der gebrochenen Seele, und trotzdem immer wieder der Versuch auf die Beine zu kommen. Gegen alle Widerstände doch noch etwas zu erreichen. Trotzdem er gelegentlich etwas plakativ daherkommt auch und gerade heute ein sehr eindrücklicher und starker Film mit großer Wirkung. Stark!