Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und tatsächlich erweist sich Wong Jings My Kung Fu Sweetheart obzwar aller gerechtfertigten Ängste und Vorbehalte als soweit gelungene, in diesem Sinne gar nicht mehr vorstellbar erfolgreiche Unterhaltung. Bestimmt kein Berg von Filmgeschichte, aber der Skepsis zum Trotz geradezu einen Quantensprung zum vorherigen Kung Fu Mahjong.
Man wirkt nicht nur wie Lichtjahre von der qualvoll nagenden Pein entfernt, sondern als säßen ganz andere Macher mit einer vollkommen neuen Strategie hinter den Projekten; dem so aber nicht ist. Erstaunlich ist deswegen vor allem, dass man hier mit einer ähnlichen Methodik, gewissermassen dem üblichen Patentrezept der derivativen Risiko-Management-Lösungen selber arbeitet, man aber diesmal anscheinend mehr Anstrengungen und Kreativität einspeisen liess. Es nicht automatisch schöpferischen Ehrgeiz ausschliesst, kommerzielle Filme zu drehen.
Sollte Wong gemerkt haben, was er sonst an Jahrmarktsaversionen auf die Menschheit losliess und gab er sich einen Rappel; zusätzlich hervorgerufen durch die erstmalig kapitalkräftige Finanzierung durch Festland China ? Oder inspirierte ihn die äusserst populäre und durchaus attraktive Cecilia Cheung in der Hauptrolle ? Oder spornte ihn der Zeitpunkt der Veröffentlichung an ? Die Fragen sind rhetorisch, jedenfalls startete My Girl is a Kung Fu Master [ AT ] mit dem 9ten Februar 2006 rechtzeitig zum Chinesischen Neujahr. Dem wichtigsten Familienfest im ganzen Jahr. Der besten Zeit für Blockbuster.
Cheung spielt Phoenix, die Tochter von Dolina [ Yuen Qiu ] und "Mr. Dolina" [ Yuen Wah ]. Als 14jährige wurde sie von ihren Kung Fu praktizierenden Eltern auf die sagenumworbenen Mount Hua Academy of Martial Arts gesandt, um dort dieselben Techniken zu erlernen und eines Tages gegen den White Eyebrow [ Ma Shuchao ] anzutreten, der die 'classic of the nine negatives' gestohlen hat und nach dessen Erforschung die Welt beherrschen kann. Mittlerweile zu einer jungen Frau herangewachsen, hat sie im Berufsleben allerdings genug Probleme, bevor sie sich in ihren CEO Dragon [ Leo Ku ] verliebt und ihn vor Superkämpfern retten muss.
Der handlungsarme, aber dafür phantasiebegabte Film kann nicht nur eine vorhandene Geschichte kundtun, sondern illustriert das Stilmittel einer längeren Narration auch mit den nötigen Erfordernissen der Sorgfalt nicht nur einzelner Szenen. Inhaltlich verbindet man zwei konfliktlastige Welten: Die fiktiv - magische jiang hu mit der realen, womit die Schaffung einer neuen Filmwirklichkeit ebenso erreicht wird wie die Flucht vor der Gegenwart, indem man konkrete Dinge mit einer irrationalen Betrachtung und einer unberechenbaren Fabelkonzeption verbindet. Daraus ergibt sich nicht nur eine ideale Spielwiese voll abwechslungsreichem Ideenwohlstand, sondern auch die Spannung auf Kommendes und eben auch der Witz. Nicht umsonst verlegt Louis Cha - Anhänger Wong die wuxia-Grundsätze und ihre Eigenarten in die Geschäftswelt um Produkt- und Leistungsspektren des professionellen gewerblichen Immobilieninvestmentbanking, durch deren paradoxe Umarmung man direkt schon auf die groteske Schiene gelangt und die Fahrbahn der ridikülen Absurdität auch durchgängig verfolgt.
Cinemaniac Wong war noch nie der Verantwortliche für Standardlösungen, Primärtext oder Nebenumstände, aber hier entwickelt er eine individuell verspielte Kreuzung aus rhythmischer Gestaltung der einzelnen Ausdrucksmittel und deren gemeinsame Explosion in einer aufwendigen Farborgie. In stilistisch einheitlicher dramaturgischer Komposition, optisch angelehnt an die frühen 90er und mit präziser Rollenverteilung; in der vor allem klar ist, wer den Geschlechterkampf anführt und entsprechend häufig auch die Waffen der Frau eingesetzt werden.
Ausserdem zielt er nicht hauptsächlich darauf ab, Logik und Konsequenz zu verspotten, versteift nicht sofort auf eine randalierende Virtualität mit radikal - zynischer Generalabrechnung und lässt auch Zeit für Reflexionen über.
So entsteht die surreale Erzählung im Film aus Gute - Nacht - Geschichten der Eltern, wo man auch auf die damals noch jungen Phoenix und Dragon blendet, die nach den Märchen staunend mit offenem Mund am Fenster stehen und gar Unglaubliches erblicken; was sie ihr ganzes Leben begleiten wird. Auch dass sie als Paar zusammengehören, wird bereits mehrmals in der Kindheit als Macht des Schicksals erwähnt, ohne dass es die späteren Erwachsenen blockiert, zwingt oder anderweitig einschränkt; sondern eher als Geleitfaden durch ihr bisheriges Leben reicht.
Sicherlich ist das ein sehr kleiner, geradezu verschwindend geringer Faktor im Setting, aber es gibt diesem auch eine Art Seele, Gemüt und folglich emotionale Grundlage bei, der aus dem noch kommenden Humbug liebevoll - schrägen camp macht statt irrsinnig debilen Trash.
Denn das, was Wong hier teilweise auffährt, schlagt dem sprichwörtlichen Fass den Boden aus. Der grösste Einfall und gleich mit die beste Rolle ist ein 1,80m grosser Falke, der anfangs wie selbstverständlich mit dem Playboy in der Hand auf der Toilette thront und später am liebsten als Couchpotato vor dem Fernseher hockt, übrigens durchweg mit erlesener Grazie. Sehr schön auch, wie er als vollwertiges Mitglied in Standardsituationen eingebracht wird und so als running-farce für verlässliche Lacher kurioser Machart sorgt.
Dabei hat man auch hier anfangs seine Mühe, die richtige Abmischung zu finden; wie üblich richtet sich die Führung nach der Maxime der Variety-Show, zwar mit einem übergeordneten Gedankengebäude, aber ebenso losgelösten Subsequenzen und frei von Dogmen. Eine Ausnahmesituation. So tauchen im Opener ein Schlangenmensch und eine Katzenfrau als Angreifer auf, die sich an der Kung Fu Familie rächen wollen, Phoenix klettert in Ermangelung eines freien Fahrstuhls die Glasfassade des Bürokomplexes hinauf und erledigt später mit einigen Hieben noch fast einen Verehrer, den ihre Mutter für sie ausgesucht hat.
Als Gegenpol stellt man auch glaubhafte, zumindest in dem Kontext nachvollziehbare Szenen bereit, so sorgt der ganz normale Familienfrieden bzw. sein Nichtvorhandensein für einen grossen Vorrat an Charakter- und Situationskomik, was mit nicht gänzlich unsympathischen Figuren unterstützt, mit wirklichkeitsfernen Albernheiten gefördert und gleichzeitig mit lebensnahen Problemen wieder gewinnbringend kontrastiert wird. Da man schnell zur konventionslosen Posse im Die Unglaublichen meets Black Mask 2 Gehabe geworden ist, braucht man sich nicht mit eskalierenden Sketchen bar von Einschränkungen, hemmungslos schikanisierenden Requisiten, satirischen Überzeichnungen und effektvollen punch-lines zurückzuhalten. Zusammen mit Verzerrungen und Karikaturen - neben den populären Originalstoffen wie der Condor Trilogy auch von multimedialen Vertretern wie Die 18 Kämpfer aus Bronze und The Mission -, und anderen klassischen Myriaden komischer Details erreicht man ein Sammelsurium harmloser, aber fallweise treffender Schelmereien, die dann zumeist von geschicktem Timing profitieren. Wobei man nur dankbar sein kann, dass abgesehen von flotten Sprüchen und ironischen Wendungen die Ebene der Wortspiele zurückhaltend bedient wird und man aufdringliche Gestik und Mimik ebenfalls weitgehend fallenlässt.
Sexueller Subtext spricht dann noch zusätzlich die Phantasien eines männlichen, nicht notwendig pubertierenden Publikums an: Auf einer Poolparty gibt es Bikinimädchen zuhauf und auch Phoenix muss zugunsten einer Giftbekämpfung ihre Kleidung und die des Opfers Dragon gleich mit ablegen. Da die meisten anwesenden Damen ausgesprochen attraktiv sind, und Pointen unter der Gürtellinie ein Schattendasein fristen, hat sicherlich Keiner etwas gegen diese Art lebensfrohen Körpereinsatz.
Ausserdem wird durch das abgesicherte Budget neben einer etwas besseren Darstellerriege auch dafür gesorgt, dass man häufiger als gewohnt konzertierten Martial Arts-Intervention beiwohnen darf, in denen mit zahlreichen handlungsbeschleunigenden, quasi-dramaturgischen, filmtechnischen Tricks bezüglich des counter-attacking hantiert wird, auch wenn die Inszenierung dessen nicht gerade hochgradig ist. Als einschränkende Auflage in der befreienden Kraft der Destruktion muss man natürlich mit einigen gerissenen Aufnahmen und auffällig schlechten CGI - Effekten ebenso vorlieb nehmen wie mit überhandnehmendem gravity-defying wirework. Gleichwohl vermag Benz Kongs Choreographie auch manch burschikose, physikalisch direkt vor Ort entstandende Akrobatik einzubringen, die sich nicht gänzlich auf Postproduktion und Makroschnitt verlässt. So findet man neben federleichten Animationen und einem tänzerischen Kampfballett auch ein deftiges Massaker vor, dass einige vorwitzige Manager um ihren nächsten Gehaltsscheck bringt.