Meine erste Begegnung mit Night Hunter verlief enttäuschend. Ich war guter Dinge, als ich mir die Verleihkassette aus dem Hause VMP, freigegeben ab achtzehn Jahren, aus meiner Videothek holte und abends in den Schlitz des Abspielgerätes schob. Ich hatte im Vorfeld bereits über den Film gelesen, vermutlich in der Zeitschrift Video Plus, und war überzeugt, daß der in Deutschland Blood Hunter betitelte Streifen genau meine Kragenweite sein würde. Don 'The Dragon' Wilson (Out for Blood), Maria Ford (The Unnamable II: The Statement of Randolph Carter), jede Menge Action sowie lichtresistente Vampire, die nicht gepflöckt wurden, sondern denen man das Genick brechen mußte, damit sie Ruhe gaben. Also echt, was konnte da groß schiefgehen? Nach den knapp neunzig Minuten war ich so verärgert, daß ich die Kassette am liebsten durchs geschlossene Fenster getreten hätte. Dieser Blood Hunter war so ziemlich der blutärmste Vampirfilm, den ich je gesehen hatte, den Bela Lugosi-Klassiker von 1931 mit eingerechnet. Und nicht nur das: Kein einziger Vampir schien zu sterben! Grund für meine Frustration war natürlich die deutsche Zensur, aufgrund derer der Streifen aufs grausamste zurechtgestutzt wurde. Gute drei Minuten an Genickbrüchen, Schußwunden, Tritten und Schlägen wurden gnadenlos entfernt. Ein Schnittmassaker, das den verbliebenen Torso nahezu ungenießbar machte.
Es vergingen einige Jahre, bis ich Night Hunter endlich in einer goutierbaren Fassung - in Form der amerikanischen R-Rated-DVD - zu Gesicht bekam. Und erneut war ich enttäuscht, hatte ich meine Actiongülle-Phase doch längst hinter mir, weshalb der Streifen nicht mehr so recht zünden wollte. Inzwischen ist mein Filmgeschmack sehr ausgewogen, mannigfaltig und abwechslungsreich (es gibt kaum ein Genre, das ich gänzlich ausgrenze), also kam ich nicht umhin, auch dem Night Hunter eine letzte Chance zu geben. Und siehe da, beim dritten Anlauf hat es endlich geklappt. Auf eine gewisse Weise habe ich mich tatsächlich in den Film verliebt. Nicht weil er so gut wäre, Gott bewahre (Night Hunter ist und bleibt Actiongülle), sondern weil er das gewisse Etwas hat. Und weil er Maria Ford hat. Ich liebe die Szene, in der sie zum ersten Mal den Hunter attackiert und wie ein irrer, außer Kontrolle geratener Derwisch wild fauchend und pfeilschnell ihr potentielles Opfer einige Male umkreist. Eine reichlich sinnlose Aktion, zugegeben, aber so liebenswert daneben, daß ich sie in mein Herz schloß. Auch der übelgelaunte Hunter gefiel mir gut, dargestellt von Kickbox-Champion Don 'The Dragon' Wilson, der mit verbissen grimmigem Gesichtsausdruck planlos durch die Gegend stapft, Kugeln durch Vampirleiber jagt, Martial-Arts-gestählte Vampirkörper verdrischt, sonnenbebrillte Vampirfressen poliert und knackend Vampirgenicke bricht.
Der überschaubare Plot ist rasch erzählt. Jack Cutter aka "The Hunter" jagt Blutsauger. Er ist der letzte in einer langen Reihe von Vampirjägern, und der Groll, den er gegen die langzahnigen Kreaturen hegt, ist berechtigt, schließlich haben sie vor vielen Jahren - veranschaulicht im Prolog, der im März 1968 angesiedelt ist - seine Eltern Tom (James Lew, Hot Shots! Part Deux) und Mary (Dena Rae Hayess) ermordet. Seine Mission wird erleichtert durch ein Büchlein, in dem die verschiedenen Clans fein säuberlich aufgelistet sind. Nachdem er in einem Restaurant einige Mitglieder der Vampirbrut ausgelöscht hat, ist die Polizei von Los Angeles hinter ihm her. Die erweisen sich als schießwütig, was seiner Geisel, der Reporterin Raimy Baker (Melanie Smith, Trancers III), nicht gut bekommt. Er nimmt sie mit in sein Versteck und heilt ihre Schußwunde mit einem geheimnisvollen Serum. Dann macht er sich auf, dem Vampirfürsten Bruno Fischer (Nicholas Guest, Long Riders) das Handwerk zu legen. Erstaunlich ist, daß Night Hunter vieles von dem vorwegnimmt, was Stephen Norrington zwei Jahre später mit Blade auf die Leinwände brachte. Überhaupt ist Night Hunter einer der ersten Filme, wenn nicht gar der erste Film, der coolen Vampirhorror mit deftiger Action kreuzte, was ihn quasi zu einem Vorläufer von populären Streifen wie der Underworld- oder der BloodRayne-Reihe macht.
Und in Sachen Action wird so einiges geboten. Die zahlreichen Kämpfe sind passabel choreographiert, und auch die offensichtlich von den Werken John Woos inspirierten Shootouts können sich sehen lassen, nicht zuletzt, weil mit blutspritzend zelebrierten Kugeleinschlägen nicht gegeizt wird. Zwar schwächen die Bleigeschoße die Vampire nur kurzfristig, aber das hindert den Hunter nicht daran, die Körper seiner Gegner wiederholt mit Kugeln aus seiner abgesägten Schrotflinte respektive seinen Pistolen zu perforieren. Eine kurze Verfolgungsjagd sowie ein paar nette Stunts runden das DTV-Actionprogramm adäquat ab. Weniger schön ist die Wackelkamera, die bei den Fights oft zum Einsatz kommt, wobei in diesem Falle die Bezeichnung "Zitterkamera" angebrachter erscheint. Anfangs hat mich dieses Stilmittel sehr irritiert; mit der Zeit habe ich mich jedoch daran gewöhnt. Regisseur Rick Jacobson (The Unborn II, Ash vs Evil Dead) hält das Tempo durchgängig hoch (eine weise Entscheidung, da dies dem Unterhaltungswert sehr zuträglich ist), während es sich Drehbuchautor William C. Martell nicht nehmen ließ, viele seiner Figuren nach berühmten Horrorregisseuren (Argento, Hooper, Browning, Fisher, Tourneur, etc.) zu benennen. Night Hunter ist anspruchsloser, preisgünstig produzierter Videothekenschund, ein kurzweiliger, knackig inszenierter, ironiefreier und irgendwie drolliger Genremix, der für mich in die Kategorie "Guilty Pleasure" fällt.